Teil V einer kleinen autobiographischen Revue
Nach den ebenso glückhaften wie erschöpfenden Erfahrungen in der „commune“ wollte sich die sj für mein Engagement bedanken. Sie ermöglichte es mir, an einer vom Bundesjugendring organisierten Reise zur Verbesserung der arabisch-israelischen Beziehungen teilzunehmen. Also fand ich mich mit einer Reihe von österreichischen Jungpolitiker*innen in Ägypten wieder. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir signifikant dazu beigetragen hätten, den Dialog zwischen den verfeindeten Gruppen im Nahen Osten nachhaltig zu verbessern. Immerhin wussten wir uns im Einvernehmen der damaligen Außenpolitik Bruno Kreiskys, der – selbst jüdischer Abstammung – viel dazu beigetragen hat, dass Standing der Palästinenser auf der Weltbühne zu verbessern und selbst nicht davor zurückschreckt ist, mit dem „Terrorchef“ Jassir Arafat ins Gespräch zu kommen.
Die Grenzen meiner eigenen Dialogfähigkeit zeigten sich bald ganz konkret, als ich zwei ÖVP-Funktionären als Zimmergenosse zugewiesen wurde. Ich konnte mich erfolgreich dagegen wehren. Noch spannender wurde es, als der ägyptische Fahrer des Kleinbusses, der uns nach Assuan brachte, eine Magenkolik erlitt und sich vor Schmerzen auf seinem Sitz krümmte. Statt ihm übernahm ich das Steuer und brachte mit großem Herzklopfen den Fahrer ins Spital und die Reisegruppe durch das Verkehrschaos zurück ins Kairoer Hotel. Berührt hat mich auch eine Liebesgeschichte, die sich zwischen einem FPÖ-Funktionär und einer SPÖlerin entspann. Am Ende der Reise verabschiedeten sie sich „eindringlich“ im Inneren des Wiener Flughafens und eilten dann – jeder/jede für sich – zu ihren wartenden Angehörigen. Was wohl aus ihnen geworden ist?
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Die Berufsjugendlichen als abschreckendes Beispiel
Zurück aus Ägypten erhielt ich schon bald die Einladung des Vereins Wiener Jugendzentren, in einem ihrer Häuser als Jugendbetreuer tätig zu werden. Zuerst sollte ich im „Fünfer-Haus“ in der Nähe des Matzleinsdorfer Platzes die Arbeitsweise des städtischen Vereins besser kennen lernen. Und ich wurde das erste Mal vertraut mit dem Typus des „Berufsjugendlichen“, damit sind Menschen nahe der Pensionsgrenze gemeint, die sich ein Leben lang mit Jugendarbeit beschäftigt haben. Darüber gerieten sie in einen bürokratischen Modus, der ganz viel mit ihrer und ganz wenig mit der Lebensrealität der Jugendlichen zu tun hatte. Und da waren noch die beiden Zivildiener, einer davon Bernhard Rabitsch, der als ehemaliger Musiker u.a. bei Drahdiwaberl oder Falco bis heute die Wiener Szene aufmischt; ein seltsamer Gegenpol zur Rigidität des Betriebs, auch wenn sie mit ihrem musikalischen Vorlieben nicht eben den Geschmack der am Mainstream geschulten Margarethener Jugendlichen trafen.
Proletarischer Anspruch im bourgeoisen Ambiente
Bevor es so richtig als „Hausleiter“ losging, durchlief ich in der „Mautner-Villa“ in Floridsdorf noch ein beschauliches Intermezzo. In diesem Jugendzentrum fanden sich damals kaum junge Menschen ein, dafür aber umso mehr erwachsene SPÖ-Mitglieder, die in diesem bourgeoisen Ambiente ihre Feste feierten. Organisiert wurde das alles vom Feuerwehrmann Harry Kopietz, der mit diesen Aktivitäten den Grundstein für seine spätere politische Karriere legte, die ihn bis an die Spitze des Wiener Landtages führen wird.
Als die Vereinsleitung über die dortigen, wenig jugendgerechten Zustände immer mehr unter Druck geriet, beendete sie in der Mautner-Villa den Betrieb und machte aus dem Gebäude ihre „Zentrale“, in der alle administrativen Tätigkeiten zusammen gefasst werden sollten.
Neue Architektur zwischen zwei Milieus
Mir aber wurde die Aufgabe übertragen, das eben erst fertiggestellte Jugendzentrum Marco-Polo in der Wohnanlage Heinz-Nittel-Hof als Hausleiter in Betrieb zu nehmen. Für den Bau dieser Siedlung hatte die Stadt Wien einmal mehr den Stararchitekten Harry Glück gewonnen, der sein Konzept von Alt Erlaa für dieses stolze Wahrzeichen eines zeitgemäßen Roten Wien übernahm. Vorgesehen für eine wachsende Gruppe von sozialdemokratischen Aufsteiger*innen wurde die Siedlung ausgestattet mit großem Komfort, Dachterrassen, Schwimmbäder am Dach, Sauna, Sportanlagen, Gemeinschaftseinrichtungen und eben auch einem Jugendzentrum (Schon ein paar Jahre später wird deutlich werden, dass die Bewohner*innen nur wenig Bereitschaft zeigen, der Rathaus-SPÖ diese Errungenschaften zu danken, der Anteil an FPÖ-Wähler*innen liegt mittlerweile bei 63% und damit der höchste aller Wiener Wahlsprengel. Städteplanerisch ist die Anlage eingezwängt zwischen zwei ganz unterschiedlichen Milieus: Da sind zum einen die alten Gemeindebauten in der Justgasse, in der proletarische Erinnerungen gepflegt werden und zum anderen eine (klein-)bürgerliche Villensiedlung, deren Bewohner*innen ihre Gärten mit Thujenhecken uneinsehbar zu machen versuchen.
Der Namensgeber verwies noch einmal auf die Spannungsverhältnisse im Nahen Osten, wenn es Bruno Kreisky mit seinem proarabischen Kurs nicht gelang, terroristische Anschläge radikaler Palästinensergruppen zu verhindern. Der frühere sj-Vorsitzende und spätere Wiener Stadtpolitiker Heinz Nittel war Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft und Mitbegründer des Jewish Welcome Service Vienna. Als solcher wurde er 1981 zum Anschlagsziel eines im Irak geborenen jungen Attentäters, der den Mord im Auftrag von Bahij Younis, einem Mitglied der terroristischen Abu-Nidal-Organisation, im Vorfeld des 1.Mai-Aufmarsches durchführte.
Alles ist möglich – aber bitte nur in streng geregelter Form
Das Jugendzentrum Marco-Polo war – den Modernitätsvorstellungen der 1980er Jahre entsprechend – als eine Vorzeigeeinrichtung geplant. Den jungen Menschen sollten alle technischen Möglichkeiten offenstehen, zudem gab es eine beeindruckende Raumausstattung inklusive einer opulenten Disco, in denen – im Prinzip – allen Neigungen nachgegangen werden konnte. Die konkrete Anwendung sollte sich als schwieriger erweisen, wenn mir mit der Übertragung der Aufgabe ein dicker Ordner übergeben wurde, der eine unüberschaubare Fülle an Anweisungen enthielt, wie der Betrieb zu führen wäre.
Schon die ersten Jugendlichen, die das Jugendzentrum besuchten, machten klar, dass es schwer werden würde, möglichst alle junge Bewohner*innen der verschiedenen Umgebungsmilieus zu gewinnen. Bald schon übernahmen die „Just-Gassler“ und damit diejenigen, die sich schon zuvor in ihren Bauten zu Banden zusammen gefunden hatten, das Regime. Die wesentlich stärker auf Individualisierung getrimmten Jugendlichen aus den bürgerlichen Einfamilienhäusern, aber auch aus den Aufsteigerhaushalten der neuen Siedlung taten sich wesentlich schwerer, sich in diese Gemeinschaft einzufügen.
Ich betrete eine neue Welt
Ich musste bald einsehen, dass ich als jemand, der in einem Musikerhaushalt in einem bürgerlichen Bezirk diesseits der Donau aufgewachsen war, von den Lebensweisen derer „drüber der Donau“ nur wenig verstand. Als würde ich täglich mit der Schnellbahn in eine andere Stadt fahren, wurde mir erst allmählich bewusst, dass die Menschen in diesem Binnenklima ziemlich anders tickten, etwa wenn in Massenschlägereien immer wieder die Stammersdorfer Gang gegen die Strebersdorfer antraten und es dabei immer wieder zu gröberen Verletzungen kam. Mehr als ein Jugendlicher erzählte mir, dass er noch nie in seinem Leben am Stephansplatz war und auch wenig Bedürfnis verspüre, einmal dort hinzukommen.
Verglichen mit heute war damals kaum die Rede von Migrant*innen. Die Kinder der Gastarbeiter trafen sich vor allem im Jugendzentrum Wehli-Strasse und erst später sollten sich rund um dieses Haus rituelle Kämpfe entwickeln, an denen sich auch Floridsdorfer Jugendgangs beteiligten. Im Haus präsent aber waren durchaus schon damals geflüchtete Menschen, etwa in Gestalt zweier Universitätslehrerinnen, die vor dem polnischen Kriegsrecht geflohen waren und im Jugendzentrum temporär Arbeit als Reinigungskräfte fanden. Darüber aber wurde nicht gesprochen.
Jugendarbeit als Begleitung des Zusammenbruchs des proletarischen Selbstwertgefühls
Insgesamt machte ich hier erstmals die Bekanntschaft mit einer Gruppe junger Menschen, denen man, aus ehemals stolz-proletarischen Milieus stammend, dabei zusehen konnte, wie sie zunehmend ihre Orientierung verloren. Individuell schwach und jeder/jede für sich ohne Zukunftsaussichten, suchten sie ihr Heil in der Gruppe mit einem vermeintlich starken Anführer, der sie in den Kampf gegen die „Feinde“ führen sollte. Als Mitglieder neigten sie zu blinder Gewalt, die sich auch in immer neuen Versuchen der mutwilligen Zerstörung der Einrichtung „ihres“ Zentrums niederschlug. Dazu galt es herauszufinden, wer am meisten Schmerz aushalten konnte. Einer der Anführer machte es vor, in dem er eine pendelnde Hängelampe immer wieder auf seine Oberlippe aufschlagen ließ, bis diese blutete.
Unvergesslich eingeprägt in mein Gedächtnis hat sich ein ganz netter Jugendlicher, der sich mit seiner Freundlichkeit deutlich von den groben Mitbesucher*innen unterschied. Irgendwann sollten wir als Betreuer*innen-Team davon erfahren, dass eben dieser Junge auf einer Rolltreppe am Schottenring einen Passanten erstochen hatte, weil dieser seine Freundin blöd angegangen war (so viel zur Eigenart türkischer Jugendlicher mit ihrer, angeblich nur ihnen eigenen Haltung, ihre Ehre um jeden Preis zu retten). Er konnte als Täter erst spät ausgeforscht werden. Die Gruppe, die von dem Mord wusste, hatte eisern geschwiegen und auch gegenüber uns so getan, als sei nichts passiert.
Der Stallgeruch ist entscheidend
Spätestens mit diesem Ereignis wurde mir klar, wie schwer es war, mit den Jugendlichen ein gegenseitig haltbares Vertrauensverhältnis aufzubauen. Grundsätzlich wurden wir als Agenten einer feindlichen Macht angesehen, als das etwas nettere Gesicht eines Polizeistaates, der es bei jeder Lappalie auf sie abgesehen hat (dass diese Jugendlichen von den Ordnungskräften besonders hart angefasst und sanktioniert wurden, gehörte zu deren Grunderfahrungen). Eine der Ausnahmen bildete Hermann, einer der Betreuer, der aus demselben Milieu stammte wie die Jugendlichen. Oft ohne ein einziges Wort zu sagen, wusste er sich verstanden und schuf damit – als einer der ihren - ein unausgesprochenes Einverständnis. Dass er sich in besonderer Weise mit Südstaatenrock begeistert und dazu immer wieder mit der Südstaatenfahne wedelte, tat seinem Image keinerlei Abbruch.
Im Vergleich dazu hatten es etwa Kolleg*innen, die aus ihrem emanzipatorischen Selbstverständnis feministische Mädchenarbeit betrieben, wesentlich schwerer. Zu groß war der Verdacht, mit ihren, aus der Sicht der ansässigen Mädchen weltfremden Ambitionen die Sicherheit gebende soziale Hackordnung zu irritieren. Auch hier traf ich auf einen besonderen Zivildiener in der Person von Michael John, heute Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Kepler-Universität in Linz. Unser beider Bierkonsum in dieser Zeit wird in die Geschichte eingehen.
Über nette Freizeitangebote, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass es für diese Jugendlichen keine Perspektiven gibt
Unter diesen Umständen ein tägliches Programm auf die Beine zu stellen, war Schwerstarbeit; eine Enttäuschung folgte der nächsten, wohl auch deshalb, weil wir nicht, oder nur sehr unzureichend diesen depravierten Jugendlichen überzeugende Angebote machen konnten, die ihnen eine machbare Perspektive zu eröffnen konnte. Da half die ganze opulente Ausstattung des Hauses nichts, unser Aktionsradius war beschränkt und wies in der Regel nicht über „nette“ Freizeitangebote hinaus; die aber konnten die Jugendlichen außerhalb wesentlich aufregender, wenn auch mit Blessuren begleitet, gestalten. Dass das Leben ja sonst nichts zu bieten hat, war ihnen dabei immer klar.
Die einzige Ausnahme bildete die wöchentliche Disko. Weil im Jugendzentrum selbst Alkoholverbot herrschte, fand das „Vorglühen“ mit einem selbst mitgebrachten Vorrat im Park vor dem Haus statt. Der Effekt war oft fatal; uns blieb die Aufgabe, die Alkoholleichen zu versorgen und ihre Freunde dazu zu bewegen, sie sicher nach Hause zu bringen.
Bei all diesen Blitzlichtern darf nicht zu kurz kommen, wie ich gelernt habe, diese jungen Menschen zu mögen. Ihre Fähigkeit, ein Leben voller innerer und äußerer Widrigkeiten zu „verstehen“, ihre kreatürliche Solidarität mit all denen, denen es genauso geht wie ihnen, ihre Skepsis gegen jede Autorität außerhalb ihres Milieus, auch wenn sie sich noch so mitfühlend tarnt; vor allem aber ihr Vermögen, sich in einer bildreichen Sprache zu verständigen, in der die verbalen „Wuchten“ nur so herum flogen und die erahnen ließ, wie genau sie Bescheid wussten um das, was da mit ihnen passierte, das hat mir große Bewunderung abgerungen.
Ein schwer alkoholisierter Bürgermeister am hellen Nachmittag, den seine Öffentlichkeitsarbeiter zwingen, sich mit den Jugendlichen gemein zu machen
Vielleicht konnte niemand sosehr wie der damalige Bürgermeister Leopold Grätz das Dilemma dieser Einrichtung verdeutlichen. Er kam, schwer alkoholisiert, zur offiziellen Eröffnung und versuchte krampfhaft, sich mit den Jugendlichen gemein zu machen. Mit zitternder Hand ergriff er einen Queue, um damit nicht einmal ansatzweise eine Kugel am Billardtisch zu treffen. Immerhin: Die Rathauskorrespondenz hatte ihr Foto und die Jugendlichen wurden nicht weiter behelligt.
Und es wurde deutlich, dass im Rahmen dieses Phototermins zwei Gruppen am selben Ort aufeinander trafen, die ansonsten nichts miteinander teilten: Da die vielen Jugendlichen, deren Lebenswelten im Gemeindebau gerade dabei waren zusammen zu brechen und die so eine politische Anwaltschaft durch ihresgleichen bitter nötig gehabt hätten. Und dort in der Person Leopold Gratz die wenigen anderen, die es geschafft haben, ihrem Milieu zu entkommen, diesen Erfolg aber nicht verkraften können und jetzt auf Gedeih und Verderb so tun müssen, als hätten sie diesen jungen Menschen noch etwas zu sagen.
Das war in den frühen 1980er Jahren; mehr als 30 Jahre später verstehe ich besser, dass dieser soziale Bruch fast zwangsläufig zum Aufstieg der FPÖ führen musste. Ihre Funktionäre haben es verstanden, die Attitüden dieses depravierten Milieus zu übernehmen; jetzt kämpfen sie gemeinsam mit ihnen gegen die Feinde, die das alles für sie aufgebaut haben, und politisch doch nichts damit anzufangen wussten als schöne Bilder produzieren.
Kann man mit diesen Jugendlichen kulturelle Bildung betreiben? – Wenn ja, dann hatten wir keine Ahnung, wie das gehen könnte
Mit kultureller Bildung hatten wir damals wenig im Sinn. Einerseits wussten wir, dass der bürgerliche Kulturbetrieb diesen Jugendlichen nichts zu bieten hatte. Sie mit seinem Angebot zu konfrontieren, würde nur bewirken, sie in ihrer inferioren Rolle zu bestärken, ihnen damit bewusst zu machen, dass sie nicht dazugehören und folglich auch nichts beizutragen haben. Umgekehrt konnten wir mit den kulturellen Vorlieben der Jugendlichen, die sich vor allem aus dem kommerziellen Repertoire speisten, nichts anfangen bzw. wollten aus erziehlichen Gründen diesen nicht noch mehr Vorschub leisten (ein Anspruch, der im Rahmen des Disco-Betriebs, in der die Jugendlichen „selbst auflegten“ ad absurdum geführt wurde). In Einzelfällen luden wir Künstler*innen ein, die sich bereitfanden, etwas mit den Jugendlichen zu machen. Ich erinnere mich an einen britischen Perkussionisten, der die Teilnehmer*innen eines Workshops einlud, selbst ein Schlagzeug zu traktieren und bald mit Schrecken erkennen musste, dass sie es darauf anlegten, es zu zerschlagen. Und ja, es wurde auch getöpfert und gemalt; wegen des Mangels an entsprechenden Musikschulangeboten bot der Verein Wiener Jugendzentren auch inferiore Flötenkurse an. Es hätte kaum schlimmer kommen können.
Im Nachhinein muss ich zugeben, dass hier ein kultureller Analphabetismus begünstigt wurde, der den kreativen Fähigkeiten der jungen Leute in keiner Weise entsprach. Wir waren einerseits nicht in der Lage, an die Kulturarbeit des traditionsreichen Roten Wien anzuknüpfen, um so das politische Bewusstsein mit spezifischen kulturellen Mitteln zu stärken. Und andererseits verfügten wir auch über kein hinreichendes Methodenset, das geeignet gewesen wäre, die Jugendlichen mit ihren aktuellen kulturellen Vorlieben anzusprechen und diese weiter zu entwickeln. Was blieb, war ein bemühter Dilettantismus, dessen Realisierung sich – trotz einer eigenen pädagogischen Abteilung in der Zentrale - auch zufällige Einzelfälle beschränkte und insgesamt nirgendwohin führte.
Das Institut für Kulturelles Management und das Fortbestehen kultureller Widersprüche
Die daraus resultierende Unzufriedenheit brachte mich dazu, mich beim Institut für Kulturelles Management an der Musikuni Wien zu bewerben. Von dort erhoffte ich mir umsetzbare Anregungen, um so das Jugendzentrum mit kulturellen Mitteln neu aufzustellen. Was ich aber am IKM erfuhr, das hatte mit den kulturellen Selbstverständnissen am nördlichen Stadtrand von Wien nichts zu tun. Das waren – einmal mehr - zwei völlig unterschiedliche Welten, mit denen ich es da zu tun bekam, gepaart mit der Erfahrung, dass diese auch schon gar nichts miteinander zu tun haben wollten.
Also trug ich diese Differenz eine Zeitlang mit mir herum. Um irgendwann das Handtuch zu werfen, um mir zuzugestehen, dass ich mich am Ende doch für „meine Welt“ entscheiden muss. Während einer Team-Klausur bat uns der Coach ein lebendes Bild zur Teamsituation zu entwerfen. Ich erinnere mich an den Augenblick, als ich noch während des Vorgangs das Bild verließ. Die menschliche Skulptur blieb stehen. Ich aber war frei, mein Leben als Jugendbetreuer war an sein Ende gekommen. Den jungen Menschen aber werde ich ewig dankbar sein, sie haben einen anderen, einen neugierigeren, einen reicheren Menschen aus mir gemacht. Und sie haben mich eine Welt erfahren lassen, die anders ist als die meine; um doch verstehen zu lernen, dass es die eine oder die andere nicht gibt, wir aufeinander verwiesen sind, im Guten wie im Schlechten.
Ich selbst sollte mich bald auf den Vorlesungsbänken der Uni Wien wieder zu finden, um ein Studium zu beginnen, das es bis heute nicht gibt: Kulturpolitik. Aber das ist eine andere Geschichte….