Ich weiß nicht, wer von den Leser*innen schon einmal probiert hat, in ein Restaurant zu gehen und dort zu sagen: “Könnte ich bei Ihnen eine Gratismahlzeit bekommen, es ist für einen guten Zweck.” Oder die in einer Autoreparaturwerkstätte vorgefahren sind und um eine Gratisreparatur gebeten haben, mit dem Argument, der/der Mechaniker*in können sie ja dann ja immerhin selbst verwirklichen?
Im Kultur- (und auch Wissenschafts-) betrieb hingegen ist das Gang und Gäbe. Regelmäßig erhalte ich Einladungen zu Vorträgen, Beratungen oder zur Erstellung von Fachbeiträgen, mit denen eigentlich selbstverständlich angenommen wird, diese Leistungen würden gratis erbracht.
Wollte ich hingegen die Rede auf eine allfällige Gegenleistung bringen, dann stockt schnell das Gespräch, mir ist, als würde ich mit einer diesbezüglichen Frage zu einem geldgierigen Spielverderber mutieren, der nicht begreifen mag, dass der angebotene Leistungsaustausch sich weit über die materiellen Niederungen erhebt. Manchmal einigen wir uns am Ende auf einen kleinen “Kostenersatz”, der den Ansprüchen selbst jedes Mindestlohns Hohn spottet. Aber die Stimmung ist weg.
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Irgendwie hat man sich in der Szene darauf geeinigt, dass intellektuelle Leistungen im Kulturbereich von den Auftraggeber*innen nicht oder nur marginal finanziert werden müssen. Offenbar dominiert die Grundannahme, bei den Verhandlungspartner*innen handle es sich allesamt um gut bestallte, vom Staat ja ohnehin alimentierte Unversitätsangehörige, die aus Karrieregründen gegenseitig unbezahlte Leistungen (Fachbeiträge, Konferenzteilnahmen,…) austauschen.
Und was ist mit all denjenigen, die über keine diesbezügliche Grundsicherung verfügen? Auch bei ihnen wird irgendwie automatisch angenommen, dass er oder sie seinen/ihren Lebensunterhalt irgendwie anders bestreiten und diesbezügliche Tätigkeiten aus schierem Vergnügen und also bereit sein, diese “frei” (gemeint ist unbezahlt) auszuüben. Immerhin winke ja immaterieller Nutzen, etwa Bekanntheit und Reputation. Und so kommt es, dass einzelne Auftragnehmer*innen mittlerweile sogar bereit sind, für die Erfüllung von Leistungen selbst zu bezahlen, sofern die Erbringung dem Aufstieg auf der Karriereleiter dienlich ist.
Die Sache wird dadurch nicht besser, dass diejenigen, die diese (selbst)ausbeuterischen Arbeitsbedingen festlegen, in der Regel selbst in gut bezahlten Stellungen tätig sind bzw. öffentliche Fördermittel verwalten, die genau dafür ausgeschüttet werden, “Fair Pay” zu ermöglichen. In der Regel ist ihnen die Missachtung, die sie mit dem Angebot, Gratisleitungen als Betriebsgrundlage zu erbringen, mittransportieren gar nicht mehr bewusst.
Diese grassierende Praxis der als selbstverständlich wahrgenommenen Gratisleistungen führt zu zwei unterschiedlichen Schlussfolgerungen:
Die eine läuft darauf hinaus, dass es für intellektuelle Leistungen im Kulturbereich schlicht keinen Markt gibt. Einfach gesagt: Sie werden eigentlich gar nicht wirklich gebraucht. Es gilt: Der Kulturbetrieb weiß schon selbst, was er tut, also kommt er ganz gut ohne begleitende Reflexion aus. Wer also trotzdem in dem Feld tätig sein möchte, dem kann man nur raten, sich einen ausreichend remunerierten Brotberuf zu suchen, um in der verbleibenden Arbeitszeit das zu tun, was die Auftraggeber*innen mit der Verweigerung einer entsprechenden Entlohnung immer schon vorwegnehmen: sich selbst verwirklichen.
Die andere Schlussfolgerung geht immerhin noch von der Existenz eines rudimentären Marktes aus, der aber mit einem krassen Überangebot an Anbieter*innen derart verzerrt ist, dass die Auftraggeber*innen die gewünschten Leistungen zu fast jedem Preis erhalten. Wenn sie nur hinzufügen, es bliebe ja ohnehin noch genug (immaterieller) Mehrwert für die Leistungserbringer*innen (Dass dieses Ungleichgewicht notwendigerweise auch inhaltliche Auswirkungen haben muss, demzufolge eine “mentale Schere” verhindert, die Kritik gegenüber dem Auftraggeber bzw. seinen Interessen allzu groß werden zu lassen, sie hier nur am Rande erwähnt).
Zu wenig bedacht bleibt in beiden Fällen, dass sich – zumal in einer wettbewerbsorientierten Marktgesellschaft – der Wert einer Leistung zuallererst in Geldwert ausdrückt. Ist dieser nicht gegeben, dann – so die hegemonialen Erfolgsgeschichten – kann es auch mit der ganzen Kultur nicht weither sein. In diesem Zusammenhang könnte uns die Prekarität der Arbeitsverhältnisse von immer mehr im Kulturbereich Tätigen zu denken geben, ob wir nicht längst mitten in einem solchen Prozess der Entwertung von Kultur (und seiner intellektuellen Voraussetzungen) sind. Und die angesprochenen Leistungsverhältnisse wesentlich dazu beitragen.
Die Consulting-Agenturen mit ihrem straighten betriebswirtschaftlichen Blick haben das Feld schon in den Blick genommen. Sollten sie gerufen werden, dann erwarten sie von ihren Auftraggeber*innen, die bei ihren Auftragnehmer*innen gerade noch an eine höhere Ehre appelliert haben, ohne Wenn und Aber für ihre Leistungen hochbezahlt zu werden. Dafür werden sie uns schon bald erzählen, warum das, was innerhalb und rund um den Kulturbetrieb passiert, als von immer geringerem Wert erachtet wird.