Technologie macht Kultur – Assoziationen zum Band „Die Europäer"

Drei kosmopolitische Leben und die Entstehung "europäischer Kultur“ von Orlando Figes

In diesen Tagen traf ich einen langjährigen Weggefährten im Kulturbetrieb vor der Anrichte eines Fischgeschäftes. Wie es denn so gehe, fragte ich. Skeptisches Murren war die Antwort: Vor allem das Live-Erlebnis in Konzert und Theater ginge ihm ab. Dieses könne durch diverse Streaming-Dienste in keiner Weise kompensiert werden. Als Leiter einer prominenten Künstler*innenorganisation biete er zwar auch digitale Formate an, weil das halt jetzt alle machen; er selbst aber halte nichts davon, nach zehn Stunden vor dem Bildschirm weiter davor sitzen zu bleiben, um jetzt auch noch Kunst zu erfahren.

Persönlich halte ich diese Position mehr als nachvollziehbar. Als eine die Jahre gekommene Generation haben wir uns an bestimmte künstlerische Rezeptionsweisen gewöhnt. Diese wollen wir nur ungern aufgeben; stattdessen hypostasieren wir unser kulturelles Verhalten als das einzig mögliche. Dabei sind wir freilich nicht vor der Versuchung gefeit, alle anderen als inadäquat oder irrelevant abzuwerten. Die Frage, ob die eigene kulturelle Wirklichkeit wirklich nun die einzig richtige Kunsterfahrung darstellt oder ob da auch der Wunsch mitspielt, in der sozialen Gruppe von Gleichgesinnten der eigenen Einsamkeit zu entgehen und dafür die Kunst in Dienst zu nehmen, braucht dann gar nicht mehr beantwortet werden.

Wir werden lernen müssen, zwischen der sozialen und der formal-ästhetischen Funktion des Kulturbetriebs zu unterscheiden

In der Funktion als Interessensvertreter einer Kunsteinrichtung aber scheint mir die Haltung meines Kollegen bedenklich. Und eigentlich unverständlich, wenn dieser ein Berufsleben lang für verbesserte Realisierungsbedingungen des österreichischen Films gekämpft hat. Und nur zu gut weiß er, dass Film selbst im gemeinsamen Kinoerlebnis einer technischen Vermittlung bedarf und vor einer Leinwand (bzw. zunehmend oft auch auf Bildschirmen) erfahren wird.

Je länger die Pandemie andauert, desto größer die Befürchtungen, die Nutzung des von meinem Kollegen favorisierten Setting des richtigen Umgangs mit Kunst könnte angesichts der Schließungen des Kulturbetriebs massenhaft „verlernt“ werden. Der Generaldirektor der Albertina Klaus Albrecht Schröder verweist in einem ORF-Interview auf jüngste Studien, wonach zumindest ein Viertel des Publikums im letzten Jahr die Lust verloren hat, seine kulturellen Gewohnheiten nach dem Ende der Pandemie wieder aufzunehmen. Das Ausbleiben von internationalen kulturaffinen Tourist*innen, von denen die großen österreichischen Einrichtungen gelebt haben, ist da noch gar nicht mit einberechnet. Die Zeit der Blockbuster-Events, bei dem sich die Besucher*innen in überfüllten Einrichtungen gegenseitig auf die Zehen gestiegen sind, wird also so schnell nicht mehr wiederkehren.

Die großen Tech-Konzerne zeigen uns mit ihren Innovationen, wohin die Reise geht

Nicht erwähnt hat Schröder, dass die großen Technologie-Konzerne gerade eine Hochzeit erleben und drauf und dran sind, mit vielfältigen digitalen Innovationen unser aller Lebens- und Arbeitswelten nachhaltig aufzumischen. Smartphones waren gestern. Mit dem Ausschöpfen ihrer wirtschaftlichen Potentiale wird der Markt schon bald mit allen möglichen Instrumenten zur Schaffung von “Augmented-Reality” überschwemmt werden. Geht es nach dem Wirtschaftsmagazin Brand eins, dann werden Daten-Brillen schon bald aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sein: Beim Kommunizieren, bei Reparaturen, beim Einkaufen, in der Bildung, Gesundheit, Pflege, im Home-Office,….

Und in der Kultur? Kann da irgendjemand noch glauben, eine solche umfassende technologische Entwicklung würde just vor dem Kulturbetrieb haltmachen? Weil dort eine eingeschworene Truppe an Kulturbewahrer*innen nur das als „Kultur“ anerkennt, was zwischen einer begrenzten Anzahl Menschen in repräsentativen Gebäuden des 19. Jahrhunderts, streng geteilt zwischen Vielen im Publikum und Wenigen auf der Bühne verhandelt wird? Das mag für eine kleine Minderheit weiterhin stimmen. Von ihnen gehen aber keinerlei dynamische Impulse zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung mehr aus. Sie sind voll mit der Musealisierung ihrer selbst beschäftigt.

In deren konservativem Verständnis wird „Kultur“ gerne als der beharrende Gegenpol einer modernen, von technologischen Innovationen getriebenen Entwicklung gesehen. Mit einer solchen Sehnsucht nach ewiger Gültigkeit bleibt freilich der Umstand verborgen, dass der Kulturbetrieb, wie wir ihn heute kennen, selbst in weiten Teilen das Ergebnis eines dynamischen gesellschaftlichen Transformationsprozesses darstellt. Einen entscheidenden Hinweis dafür hat mir Alfred Pfosers Rezension eines Bandes des britischen Historikers Orlando Figes „Ein Requiem für Europas Kultur“ geliefert.

Am Beispiel dreier Kunstschaffender die Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts erzählen

Vordergründig geht es in dieser umfassenden Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts um drei zutiefst ineinander verstrickte Künstler*innenbiographien, den russischen Autor Iwan Turgenjew, die Opernsängerin Paulin Viardot und den Kulturmanager Louis Viardot. Nach Figes repräsentiert deren kosmopolitisches Leben den Beginn eines europäischen Kulturbetriebs, der die Grundlagen für ein bis heute gültiges und maßstabsetzendes Geschäftsmodell der kulturellen Produktion, Vermittlung und Rezeption gebildet hat. Möglich wurde das durch eine Reihe bislang beispielloser technologischer Innovationen, vor allem durch den Eisenbahnbau. Pauline Viardot, immer wieder von Turgenjew begleitet, tourte als gefeierte Sängerin permanent durch ganz Europa. Ihrem Beispiel folgten eine Vielzahl von Kolleg*innen, die mit ihrem Repertoire sowohl in London, Paris, Berlin, Budapest oder in St. Petersburg auftraten. Aber auch das Publikum wurde mobiler, reiste ihren Stars nach und schuf damit die Voraussetzung für ein in ganz Europa goutiertes Repertoire. Auf seiner Grundlage entstanden rasch attraktive kulturelle Szenen, die sich in diversen europäischen Hotspots mit ihren neu errichteten, repräsentativen Opern- und Konzertsälen zusammenfanden. Zur Gestaltung unerlässlicher Hausmusik standen für Dilettant*innen spielbare Vereinfachungen der großen Werke zur Verfügung.

Die Entwicklung eines Kanons als Geschäftsgrundlage des neu entstehenden europäischen Kulturbetriebs

Galten zuvor Kompositionen, die in den regionalen Fürstenhöfen zur Aufführung gebracht worden waren, einmal abgespielt, als nicht mehr aufführungsrelevant, so bildete sich in den neuen Strukturen ein Kanon von Werken heraus, die in allen Teilen des Kontinents immer wieder auf die Bühne gebracht werden konnten. Entsprechend den liturgischen Traditionen der Kirchen sollte der Kulturbetrieb künftig von einem fixen Bestand herausragender Werke getragen sein, an dem sich alles Neue zu messen hatte. Das große Geschäft wurde damit vor allem mit „Reduktionen“ gemacht, d.h. mit der Produktion und dem Vertrieb von kammermusikalischem Notenmaterial, das wesentlich dazu beitrug, die Nutzer*innen selbst musikalisch aktiv werden zu lassen und damit ein kundiges Publikum zu schaffen. Mit der Erzeugung elektrischer Lichtquellen eröffneten sich zudem ganz neue Möglichkeiten der Abendgestaltung, was. u.a. die Bereitschaft zu lesen aber auch zu musizieren sprunghaft begünstigte.

Technologische Innovationen veränderten die Aufführungspraxen aber nicht nur der performativen, sondern auch der visuellen Künste in ihren Grundfesten. Neue Drucktechniken und die Photographie stellten Künstler*innen vor ganz neue Herausforderungen. Die neue Mobilität eröffnete den Künstler*innen zudem die Chance, ihre neuen Arbeitsweisen im Rahmen von Weltausstellungen einem Millionenpublikum zugänglich zu machen.

Mit der lebendigen Erzählung einer Vielzahl von konkreten Begebenheiten gelingt es Figes, zumindest zwei zentrale Aspekte des Kulturbetriebs auf den Punkt zu bringen. Da ist zum einen der technologische Wandel als Triebfeder einer kapitalistischen Dynamik, der fundamentale Auswirkungen auf das Kunstgeschehen gehabt hat. Anstatt sich auf ewige Werte zu berufen, veränderten sich künstlerische Produktions- und Rezeptionsbedingungen in einer Weise, wie es zuvor unvorstellbar war. Das betraf auch den Status der Künstler*innen, die als erfolgreiche selbstständige Unternehmer*innen auftraten und sich als solche auf Du und Du mit der herrschenden Aristokratie wussten.

Alles schon da gewesen: Die europäische Idee und ihre nationalistischen Feinde

Der andere Aspekt betrifft den Stand der Europäisierung, der im 19. Jahrhundert seine herausragende Repräsentation gerade im internationalen Kulturbetrieb fand. Wie in keinem anderen Bereich wussten die Viardots zusammen mit Turgenjew die bestehenden Landesgrenzen zu überwinden und in ihren künstlerischen Beziehungen einer europäischen Idee Ausdruck zu geben.

Diese Form der frühen kulturellen Vergemeinschaftung sollte erst mit Bismarcks deutschem Einigungskonzept (inklusive dem deutsch-französischen Krieg 1870/71) einen empfindlichen Dämpfer erhalten und als Reaktion darauf von einer Welle der Nationalisierung abgelöst werden. Die damit verbundene Zerrissenheit kann vor allem anhand von Turgenjew nachvollzogen werden. Als Russe, der auf dem Gut seiner Mutter noch das Ende der russischen Leibeigenschaft (diese wurde offiziell erst 1861 abgeschafft) miterlebt hat, mutierte er in seiner Beziehung zu Pauline Viardot zu einem überzeugten Europäer, der die damit verbundenen kulturellen Errungenschaften in sein Land hineintragen wollte. Er stieß dabei auf ganz handfeste Probleme, etwa im Zusammenhang mit dem noch sehr jungen, heftig umkämpften und schließlich zuerst in Frankreich eingeführten Urheberrecht. Trotz der daraus resultierenden ungleichen Austauschverhältnisse gelang es Turgenjew als einem der ersten, russische Literatur in Europa bekannt zu machen.

Mehr noch als ein rudimentäres Urheberrecht machte ihm der Anspruch eines wahren Russentums (mit seiner Europa-Orientierung mutierte Turgenjew trotz aller Vermittlungsversuche zunehmend zu einem Antipoden von Leo Tolstoi und Fjodor Michailowitsch Dostojewski) zu schaffen, deren Vertreter sich auf der Suche nach dem wahren Glauben vom Rest Europas abzugrenzen versuchten, um damit den Grenzgänger Turgenjew als Verräter zu brandmarken (In diesem Zusammenhang sei noch auf ein anderes Buch „Sibiriens vergessene Klaviere“ von Sophy Roberts verwiesen. Die britische Reisejournalistin macht darin den Versuch, verschollenen Klavieren jenseits des Urals nachzugehen. Dabei macht sie deutlich, dass die von ihr entdeckten Klaviere, die zum Teil äußerst mühevoll in entfernte Gegenden Sibiriens gebracht wurden, bereits im 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle bei der Europäisierung ganz im Sinn Turgenjews gespielt haben. Dass sich die Klavier-Besitzer vor allem aus vom Zaren Verbannte einer kleinen bürgerlich-liberalen Schicht rekrutieren, macht diesen Prozess nur umso verwirrender.)

Nationalisierung als Konsequenz künstlerischer Zurückweisung

Nicht allzu gut weg kommen bei Figes diejenigen, die sich im Zuge der Renationalisierung auf die Suche nach ihrem ethnisch reinen Kulturgut machen sollten. In den meisten Fällen handelt es sich nicht um originale Manifestationen einer sozialen Gruppe, sondern um Neuschöpfungen einer jungen Komponistengeneration wie Antonin Dvorak oder Friedrich Smetana, in der Hoffnung, damit den Nationalisierungsbestrebungen einer aufstrebenden politischen Elite kulturelle Munition liefern zu können. Wie sehr bei diesen Renationalisierungsbemühungen auch Zufälle eine Rolle spielen können, beweist der Fall Richard Wagner, der sich als junger Komponist mit großer Begeisterung am gerade im Entstehen begriffenen europäischen Kulturbetrieb beteiligen wollte. Erst die Zurückweisung seiner frühen Oper an der Grande Opéra in Paris ließ ihn zum herausragenden Apologeten eines Deutschtums werden, dessen historischer Auftrag darin bestehen sollte, sich kulturell und damit auch politisch über alle anderen Völker zu erheben.

Wenn Pfoser seine Besprechung von Figes Studie mit „Ein Requiem für Europas Kultur“ betitelt, dann macht er damit wohl auch aufmerksam, wie europäisch der Kulturbetrieb schon einmal angelegt war. In der Welt der Viardots hätte man wenig Verständnis für einen kulturellen Suprematieanspruch einer sozialen bzw. ethnischen Gruppe gehabt. Sie waren eingebunden in permanente Austauschverhältnisse, um sich trotz der zum Teil heftigen Konkurrenz gegenseitig zu stützen, zu bereichern und zu stärken. Dass sich in ihrer „Menage a droit“ über die herrschenden Moralvorstellungen hinweg gesetzt habe, um sich den ehernen Familienstrukturen samt allen Vereinnahmungsversuchen durch die in Europa dominierenden christlichen Kirchen zu verweigern, verleiht dieser Kulturgeschichte anhand dreier wichtiger Akteur*innen einen besonderen Reiz.

Viele Errungenschaften dieser ersten Welle der Europäisierung haben den Ersten Weltkrieg nicht überlebt. Daran ändert auch der Umstand nur wenig, dass Teile des Kulturbetriebs nach 1945 mit der Etablierung eines internationalen Kunstmarkts noch einmal einen beträchtlichen Internationalisierungsschub erfahren haben. Ihm entgegen stehen freilich die ungebrochenen Versuchungen einer rechtpopulistischen Politik, die nicht müde werden, die Nationalisierungsoffensiven des 19. Jahrhunderts wieder aufzugreifen. Sie sprechen ungebrochen von der angeblichen Unversöhnlichkeit unterschiedlicher kultureller Zugänge, um die daraus resultierenden Haltungen auf ihre politischen Mühlen zu lenken.

Spätestens hier rächt sich die kulturelle Ignoranz des europäischen Einigungsprozesses, wie er in den 1950er Jahren aufgesetzt wurde. Die Gründungsväter konnten oder wollten nicht dort anschließen, was für die Viardots und Turgenjew bereits eine Selbstverständlichkeit war. In der Konsequenz verfügt die EU bis heute über keinerlei originäre kulturpolitische Zuständigkeit. Stattdessen begnügt sie sich mit Verweisen einer nationalen kulturellen Souveränität, die im Kontext des längst international gerichteten Kulturbetriebs porös geworden ist. Die daraus resultierende Leerstelle dient vor allem rechten Kräften zur Profilierung, die – siehe Polen oder Ungarn – den Kulturbetrieb dazu missbrauchen, die europäische Idee zu desavouieren (Die Europäischen Union könnte sich in diesem Zusammenhang durchaus ein Beispiel an der Erfolgsgeschichte der österreichischen Kulturpolitik nach 1945 nehmen, die wesentlich zur Rekonstruktion eines nationalen Selbstverständnisses beigetragen hat).

Es gibt keine künstlerische Erfahrung ohne technische Implikationen

Wenn mein Freund aus dem Filmgeschäft in den Tagen der Pandemie nochmals seiner Sehnsucht nach einem vermeintlich authentischen, weil technisch-unverstellten Kulturerlebnis Ausdruck verleiht, dann negiert er, dass dieses selbst Ergebnis eines umfassenden technologischen Transformationsprozesses ist. Das beginnt bei der Architektur als Ausdruck eines spezifischen Herrschaftsgefüges und endet bei der Einsicht, dass es diejenige, die in vermeintlich authentischer Weise an einem Kunstgeschehen teilnehmen, gar nicht gibt. Stattdessen sind wir in unseren Wahrnehmungen immer schon das Ergebnis technisch-vermittelter Einflüsse, die unser kulturelles Verhalten nachhaltig bestimmen. Und so kommen wir um den Umstand nicht herum, dass die digitale Revolution, die wir gerade erfahren, unser kulturelles Verhalten nachhaltig beeinflusst. Egal, ob wir bereits zehn Stunden vor der Kunsterfahrung vor dem Bildschirm gesessen sind oder nicht.

Eine entscheidende soziologische Dimension soll freilich in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. All das, was Figes berichtet, bezieht sich auf eine vergleichsweise kleine Gruppe eines aufstrebenden und zu Wohlstand gekommenen europäischen Bürgertums. Für deren Mitglieder war die aktive und passive Teilnahme am kulturellen Leben (nach Figes stand in zumindest jedem zehnten bürgerlichen Wiener Haushalt ein Klavier) unmittelbarer Ausdruck ihrer neuen, sich sukzessive von allmächtigen Herrschaftsansprüchen der Aristokratie emanzipierenden Stellung. Entsprechend groß war ihr Bedarf, sich gegenüber allen anderen abzugrenzen, die es nicht geschafft haben, in ihrer Gesellschaftsschicht aufzusteigen.

Damit aber fand innerhalb des Kulturbetriebs ein soziales Gefälle einen dauerhaften Ausdruck, den Figes nicht thematisiert. Dies ist umso verwunderlicher, als ein solcher trotz aller soziologischen Veränderungen im Laufe des 20. Jahrhunderts bis heute besteht. So zeigen alle verfügbaren Datenlagen, dass der von Figes beschriebene auf uns gekommene Kulturbetrieb trotz einer Reihe von kulturpolitischen Maßnahmen bis heute bloß eine kleine Minderheit von 5 – 8% der nationalen Bevölkerungen anspricht, während der große Rest daraus keinen nennenswerten Nutzen zu ziehen vermag.

Entsprechend groß erscheint heute eine neue kulturpolitische Prioritätensetzung. Dabei könnten sich die digitalen Medien als entscheidender Hebel erweisen. Immerhin setzen diese die bestehenden quantitativen Beschränkungen (in der gegebenen kulturellen Infrastruktur können Produktionen immer nur von einer kleinen Minderheit wahrgenommen werden) außer Kraft.

„Kultur für alle“ – Was die Politik vor 50 Jahren nicht geschafft hat, macht Technik heute möglich

Erstmals kann digital vermitteltes Kulturgeschehen im wahrsten Sinn „von allen“ erfahren werden. Damit ermöglicht die technologische Entwicklung nicht nur – wie im 19. Jahrhundert – einer Elite ein höheres Ausmaß an Mobilität und damit die Anteilnahme an einem vielfältigen Kulturangebot. Erstmals eröffnet sie allen (bzw. allen Nutzer*innen digitaler Geräte) neue kulturelle Räume, in dem alle weitgehend barrierefrei einzutreten vermögen, nicht nur, um bestehende Kulturangebote wahrzunehmen, sondern an „Kultur“ in seinen verschiedensten Erscheinungsformen ungeachtet der sozialen, ethnischen oder sonstigen Hintergründe mitzuwirken.

Wenn das keine Kulturrevolution ist, von der wir in den 1970er Jahren immer geträumt, aber nie eingelöst haben, dann weiß ich auch nicht.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Noch keine Kommentare

Mehr von Michael Wimmer