„Die Lektion des Computers ist nicht, dass er uns bald ersetzt. Sie besteht vor allem darin, das zu entdecken, bei dem er uns nicht ersetzen kann.“ (Precht)
Der Bedarf an Home-Schooling in der Corona-Krise hat wohl den letzten Ausschlag dafür gegeben, nach Jahren der bildungspolitischen Diskussion die Ausstattung von Schüler*innen mit digitalen Geräten zu verbessern. Rund 200 Millionen Euro möchte die Bundesregierung dafür in die Hand nehmen, um Bildung auf eine hinreichende digitale Basis zu stellen. Sie reagiert damit nicht nur auf die geänderten Kommunikationsbedürfnisse in einer Zeit, in der einerseits der permanente Gebrauch elektronischer Maschinen für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit geworden ist – und sich andererseits Schüler*innen und Lehrer*innen physisch nicht zu nahe kommen sollen. Dabei kommt sie nicht um die Tatsache herum, dass Tablets, Notebooks und Smartphones mittlerweile schon bei kleinen Kindern attraktiv sind und – mit sozialen Unterschieden – zur Grundausstattung ihrer unmittelbaren Lebenswelt geworden sind.
Anna Goldenberg hat sich in ihrem Falter-Beitrag „Soll man wirklich allen Schülern Tablets geben?“ mit der Frage befasst, welche Auswirkungen der massenhafte Gebrauch digitaler Medien in der Schule haben könnte und wie sich dieser auf die kindliche Entwicklung auswirken würde.
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Ihre Recherchen auf den Punkt gebracht: Wir wissen es nicht. Einzelne Studienergebnisse, die die Zeit vor dem Computer-Bildschirm mit Erschwernissen bei der Sprachentwicklung in Verbindung bringen, bedienen möglicher Weise eher einen generellen Kulturpessimismus, als dass sie verallgemeinerbare Aussagen über Verhaltensänderungen junger Menschen in ihrer neuen Charakteristik als Digital Natives erlauben. Eine solche Kulturkritik begleitete schon immer die Entwicklung moderner Gesellschaften, die im Laufe ihrer Geschichte von immer neuen Wellen medialer Innovationen überrollt wurde: Nach Buch, Radio, Film und Fernsehen feiern zur Zeit eben die digitalen Medien ihren Siegeszug; die Gesellschaften mitsamt ihren Schulen – so ein fortschrittsgläubiger Zugang –werden schon lernen, sie in ihren Alltag zu integrieren und innerhalb eines verbesserten Gemeinwesens ihrer diesbezüglichen Ängste überwinden.
Maschinen sind nicht die Lösung, sondern das Problem
Die Lektüre von Richard David Prechts Essay „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ hat mich zweifeln lassen, ob wir es bei dieser lapidaren Reaktion bewenden lassen sollten. Oder ob mit der massenhaften Einführung digitaler Medien samt ihrer – zunehmend auf Konzepten der Künstlichen Intelligenz basierenden – Programme mit der digitalen Revolution nicht viel mehr am Spiel steht: die Entscheidung darüber, was in Zukunft noch als genuin menschlich verhandelt werden kann und was von dem, was den Menschen bislang ausgemacht hat, künftig besser im Bereich der digitalen Medien aufgehoben erscheint.
Als Mensch, der um seine Verortung in einer Welt ringt, die ihm zunehmend in digital vermittelter Weise entgegen tritt, ist diese Frage eigentlich nicht zu beantworten. Zu „interdependent“ scheint das Verhältnis mittlerweile; die umfassende Verwobenheit zwischen Mensch und Maschine macht es schier unmöglich, sich von dem abzugrenzen, was digitale Medien auf den Menschen projizieren und so Teil seines Selbstbildes geworden sind. Also sind wir bei jeglichem Klärungsversuch auf den einen oder anderen Haltegriff angewiesen, der hinlänglich unterscheidbar macht, welches Bild digitale Medien (bzw. ihre Propagandist*innen) von uns als Zeitgenoss*innen entwerfen und welches Ausmaß an Autonomie uns beim Versuch der Selbstinterpretation noch bleibt.
Die Trennung zwischen Mensch und Natur wird ersetzt durch die Trennung zwischen Technologie und (menschlicher) Natur
Einer dieser Haltegriffe besteht im Versuch einer Begriffsklärung. Immerhin ist der Begriff der „Künstlichen Intelligenz“ ziemlich irreführend. Die Rede ist zwar nicht von „Künstlerischer Intelligenz“; offenbar ausgesagt aber werden soll, dass es sich bei dieser Innovation nicht einfach um eine schiere Ausformung der Natur handelt. Sondern um etwas, das zwar von Menschen gemacht ist, darüber hinaus aber einer zunehmenden Eigengesetzlichkeit folgt, die danach strebt, sich von natürlichen, und sei es menschlichen Entwicklungsprozessen abzugrenzen. Auf die Frage, welche Rolle der Kunst als gleichermaßen herausragende genuin menschliche, der Natur enthobenen Ausdrucksform zukommt, spare ich mir auf und komme weiter unten nochmals darauf zurück.
An die „Künstlichkeit“ dieser neuen, von Menschen gemachten und doch von ihm abgrenzbaren Intelligenz knüpfen sich Hoffnungen ebenso wie Befürchtungen: Da ist die eine Fraktion, die „Künstliche Intelligenz“ als nächsten logischen Schritt einer umfassenden Evolutionsstrategie der Natur begreift. Dem Menschen fiele als temporär auftretendes Natur-Phänomen einfach die Aufgabe zu, den nächsten Schritt der Evolution zu ermöglichen und sich bei dieser Gelegenheit gleich selbst zu überwinden. Mit der sukzessiven Überführung menschlicher Existenz in ein auf Algorithmen basierendes Programm ließe man seine spezifisch menschlichen Unzulänglichkeiten (Körperlichkeit, Alterung, Umweltabhängigkeit, Sterblichkeit,….) zurück. In fast religiöser Anmutung beschränkt sich seine Existenz auf ein Durchgangsphänomen, dem die Aufgabe zukommt, die Voraussetzungen für eine höherwertige transhumane Existenz zu schaffen und damit die Evolutionsgeschichte weiter voran zu treiben. All diejenigen, die schon jetzt davon träumen, dass sich früher oder später ihr Bewusstsein auf eine unzerstörbare Festplatte würde übertragen lassen, wissen, wovon die Rede ist.
In dieser Interpretation würden Menschen versuchen, mit der massenhaften Nutzung der digitalen Medien, die mittlerweile in die letzten Nischen unseres Lebens reichen, den von den Maschinen gestellten Anforderungen immer besser zu entsprechen, diesen immer ähnlicher zu werden, um am Ende den Auftrag der Evolution anzunehmen und in ein neues, körperloses aber ewiges Leben einzutreten.
Es gehört zu den Stärken des Philosophen Precht, diese vermeintliche Fortschrittsgeschichte als das zu entlarven, was sie ist: Als eine Form der Ideologie, die ihre Wurzeln in apotheotischen Vorstellungen zunehmender Gottwerdung des Menschen vor allem im Christentum zu haben, ansonsten aber jeglicher Begründung entbehren. Dies betrifft insbesondere ein weitgehendes Unverständnis gegenüber dem, was wir als „Evolution!“ zu bezeichnen gelernt haben. Precht zufolge wohnt der Evolution keinerlei Fortschrittsdynamik inne. Sie findet einfach statt, ohne dass sie mit irgendeinem „Willen“ ausgestattet wäre, der aktuell den Menschen dazu instrumentalisiere, seine Erfindungskräfte im Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ dafür zu nutzen.
Anstatt sich noch einmal auf die Suche nach einer speziellen Naturkraft zu machen, die den Menschen evolutionär notwendig dazu bringen würde, sich einer umfassenden digitalen Transformation auszusetzen, verweist uns Precht zurück auf die Erde, konkret auf die herrschenden Produktions- und Herrschaftsverhältnisse. Diese würden es einigen Wenigen attraktiv machen, die Menschheit mit digitalen Angeboten zu fluten und diese Strategie mit dem Anspruch alternativlosen Fortschritts zu verknüpfen.
Von wegen Evolution – Wir erleben die Durchsetzung einer globalen Herrschaftsstrategie
Eigentlich liegt diese Interpretation auf der Hand: Die gerade jetzt unvorstellbaren ökonomischen Erfolge der „Big Five“ in der Zeit der Pandemie könnten immerhin in breiteren Öffentlichkeiten den Verdacht aufkommen lassen, dass wir es hier nicht mit einer Evolution, sondern mit einer gewieften Verkaufsstrategie zu tun haben. Sie schreibt einzelnen Unternehmen einen weithin unwidersprochenen Herrschaftsanspruch zu, von dem politische Repräsentant*innen nur träumen können (der jüngste Beschluss des EU-Gerichtshofs gegenüber Apple sind dafür nur ein kleines Indiz).
Vor unser aller Augen (und doch weitgehend unhinterfragt) haben einige wenige digitale Leitbetriebe des globalen Kapitalismus (ihre aktuellen Erfolge strafen alle diejenigen Lüge, die mit Corona von einem Ende der Globalisierung sprechen) einen transnationalen Markt geschaffen, dem sich keiner zu entziehen vermag. Seine Wirkung beschränkt sich freilich nicht nur auf das Kaufverhalten von potentiellen Konsument*innen. Es zielt auch auf Veränderungen von Mentalitäten, die ihren Ausdruck darin finden, die Welt mit der Brille digitaler Medien wahrzunehmen.
Das Zauberwort hierfür heißt „Rationalität“. Als Leitbegriff des wissenschaftlichen Zeitalters könnte der Begriff nicht positiver aufgeladen sein, verweist er doch auf das Bemühen des modernen Menschen, sich und die Welt zu verstehen, zu erklären und damit mit Seinesgleichen verhandelbar zu machen. In seiner inflationären Verwendung, die auf eine umfassende Algorithmisierung des Menschen und seiner Welt hinausläuft, erfahren wir unvermittelt eine Verengung der Sicht auf die Welt, die jeglichen aufklärerischen Anspruch in ihr Gegenteil verkehrt, da kann auch noch so sehr an eine wissenschaftsgeleitete Vernunft appelliert werden. Als Teil einer Verkaufsstrategie wurde ihr jeglicher Widerspruch ausgetrieben, der bislang die menschliche Existenz ausgezeichnet hatte. Jetzt aber sollen alle Konflikte auf eine rationale Basis gestellt werden, um sie so auch eindeutig lösen zu können. Von Kants aufklärerischem Gedankengut, dass der Mensch aus „krummem Holz“ geschnitzt sei, woraus „sich nichts Gerades machen lasse“, bleibt da nur mehr eine ferne Erinnerung.
Eine Überbetonung einer wissenschaftlichen, auf messbaren Grundlagen beruhenden Weltsicht mag in einer Zeit der Überwindung eines alles bestimmenden Gottglaubens („Säkularisierung“) seine Berechtigung gehabt haben. Als Zuschreibung einer befreiten Souveränität menschlicher Existenz stellt die Behauptung, den Menschen ausschließlich auf seine rationalen Grundlagen zurückführen zu können, eine tiefe Missachtung dessen dar, was menschliche Existenz überhaupt erst ausmacht. Was bleibt ist die Unterordnung unter den Herrschaftsanspruch eines – diesmal rational verbrämten – Herrgotts.
Überdeutlich wird dies in gegenwärtigen Versuchen, Programmen der Künstlichen Intelligenz auch ethnische und damit bislang genuin menschliche Kompetenzen einzuschreiben. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass sich Menschen bei ihren ethnischen Entscheidungen in aller Regel nicht auf ihre Vernunft (und damit auf eine rationale Entscheidungsgrundlage) beziehen, sondern auf ihre Intuition bzw. ihr eigenes Einfühlungsvermögen. Als herausragende Emanation menschlicher Existenz aber entziehen sich diese Qualitäten intersubjektiver Messbarkeit und können auch nicht in eine programmierbare Form gebracht werden. Precht sagt: „Was kein Programm ist, kann auch nicht programmiert werden. Die Maschinenethik verlangt, Maschinen nicht selbst „ethisch“ zu programmieren, also Entscheidungen treffen zu lassen, die über Menschen richten. Ethisch mit Maschinen umzugehen ist das Gegenteil davon, sie „ethisch“ zu programmieren.“
Algorithmisierung als Enteignung
Folgt man diesem Gedankengang, dann wird unmittelbar evident, dass alle Versuche, möglichst viel von dem, was als genuin menschlich erachtet wird, auf die Maschine zu übertragen, das Gegenteil von dem bewirkt, was es vorgibt: Es führt zu einem Verlust dessen, was sich als der Rationalisierung entzieht und doch die längste Zeit als unentbehrlich für das Menschsein erachtet wurde. Immerhin sind es zuallererst die emotionalen, sinnlichen und damit irrationalen, in ihren Wirkungen unauslotbaren Anteile, die uns bislang als konstitutiv für die Verortung des Menschen in der Welt erschienen sind. Mehr: Mit dieser neuen Rationalisierungsgläubigkeit sind wir drauf und dran zu verdrängen, was David Hume und seine Zeitgenossen im 18. Jahrhundert noch für selbstverständlich gehalten haben: Dass das Gefühl dem menschlichen Verstand in der Regel vorausgeht. Frei nach dem Bild, wonach „der emotionale Hund mit seinem rationalen Schwanz wedelt“ (Jonathan Haidt), seien es die Unmittelbarkeit von Gefühlen, die darauf begründeten moralischen Überzeugungen, Haltungen und Weltanschauungen, die sich in Entscheidungssituationen auf die Suche nach vernünftigen Argumenten machen würden – und nicht umgekehrt.
Mit diesen Überlegungen spricht vieles für die Annahme, bei der digitalen Innovation handle es sich nicht um einen evolutionären Quantensprung, sondern um die Durchsetzung eines umfassenden Herrschaftsanspruches mit einem Set neuer technischer Mittel im Rahmen der kapitalistischen Produktions- und Konsumtionslogik, die drauf und dran ist, in eine „Erziehungsdiktatur“ zu münden, in der uns die Maschine sagt, wie das Leben geht.
Man muss hierfür nicht die aktuellen Belege der sozialen Kontrolle – die mit Corona-Abwehr-Maßnahmen nochmals einen ungeahnten Aufschwung nehmen – anführen. Viel tiefgehender erscheint da eine technologie-kompatible Sicht auf die Welt, die den Menschen in umfassender Weise anschlussfähig an die Maschine machen soll.
Die Kunst als Erinnerung an ein „ganzes Leben“ in einer digital verarmten Welt
Die Kunst – so meine These – ist das Gegenkonzept gegen diese Form der menschlichen Zurichtung aus dem Geist der Gewinnmaximierung. In ihr wohnt ein Befreiungsaspekt, der bei den – zugegeben – zunehmend mühsamen Versuchen zu helfen vermag, ein „ganzes Leben“ in einer umfassend algorithmisierten Welt frei von Zwängen zu denken. Beispielhaft hat dazu die Literaturwissenschafterin Katja Gasser dazu zuletzt in einem Essay gemeint, Literatur sei eine „komplexe Angelegenheit, wie das Leben selbst. Außerdem: Frei von Zwecken, frei von Nutzen – wie der Mensch“. In dieser Bestimmung ist die Kunst – im Vergleich zu ihren digitalen Verkürzungen – das Medium, das den Menschen an seine Verantwortung erinnert, ein freies, zweckfreies Leben zu führen“.
Das mag fürs Erste abstrakt klingen, verweist aber doch auf eine Notwendigkeit, zumindest mit, nein nicht „künstlichen“, sondern „künstlerischen“ Mitteln zu versuchen, der scheinbaren Alternativlosigkeit der gegenwärtigen technologischen Offensive der Abschaffung des Menschen in seinem Vollsinn entgegen zu wirken und auf seine Eigensinnigkeit zu bestehen.
Die gegenwärtigen Versuche, auch den Kulturbetrieb mit digitalen Mitteln zu unterwandern, sind vielzählig. Allein der Lockdown hat die digitale Übertragbarkeit von Kulturprogrammen sprunghaft erweitert. Dazu werden neue Programme wie „Comuter Generated Imagery“ früher oder später dazu führen, dass sich die Grenzen zwischen digitaler und analoger Wahrnehmung auflösen (Gealterte Schauspieler wie Will Smith werden in Filmen wie “Gemini Man” wieder jung und plötzlich verstorbene Leinwandhelden wie Carrie Fisher alias Prinzessin Leia fürs Kino wieder zum Leben erweckt. Im Filmprojekt „Finding Jack“ soll kein Geringerer als der vor 65 Jahren verstorbene James Dean in einer Hauptrolle sein Leinwand-Comeback geben. Die Gefahr ist also groß, dass sich – verstärkt durch die aktuellen Einschränkungen der physischen Begegnung zwischen Künstler*innen und ihrem Publikum – auch der Kulturbetrieb zunehmend in die digitale Sphäre verlagern wird, um dort seiner „Eigentlichkeit“ als Repräsentanz humaner Existenz in all ihrer Widersprüchlichkeit verlustig zu gehen (Die Verflachung des kulturpolitischen Diskurses zusammen mit der wachsenden Bedeutung des Kunstmarktes mit seinen auf unmittelbare Messbarkeit gerichteten Erfolgskriterien haben dafür leider beträchtliche Vorleistungen erbracht).
Die Widersprüchlichkeit menschlicher Existenz als zentrale Ressource der Kunst
Und doch: Die alles durchdringende Dominanz einer digitalen Weltsicht könnte auch zu einer neuen Qualität der Widersprüchlichkeit künstlerischer Produktion und Rezeption führen. Natürlich kann auch der Kulturbetrieb an der Vielfalt digitaler Innovationen nicht vorbei, will er sich nicht hoffnungslos der Gefahr der Musealisierung aussetzen. Zu groß sind die Möglichkeiten, sein Ausdrucksrepertoire auszuweiten, aber auch mit „neuen“ Menschen in einen interaktiven Kontakt zu treten. Und doch kommen Künstler*innen um den Auftrag nicht herum, nicht nur auf der Welle der neuen, digital vermittelten Marktverhältnisse zu surfen, sondern sich der Logik digitaler Medien auf immer wieder neue und kreative Weise zu verweigern bzw. diese zu unterlaufen. Für die Bereitschaft, die Idee von der Unauslotbarkeit menschlicher Existenz offen zu halten, nehmen viele Künstler*innen persönlich existentielle Nachteile in Kauf und halten doch das Bewusstsein dafür wach, um was es in der Kunst „wirklich“ geht.
Ein solch widersprüchlicher Zugang wäre auch der Gegebene im Bereich der Bildung: Natürlich sollen junge Menschen mit der gesamten Bandbreite technologischer Entwicklungen vertraut gemacht werden. In gleicher Weise aber steigt der Anspruch, dem Leben abseits seiner technologischen Implikationen einen Sinn abzugewinnen, der sich nicht in der Erfüllung von digital aufbereiteten Handlungsanleitungen erschöpft. „Kulturelle Bildung“ wäre in einem solchen Setting ein herausragender Ort, sich einerseits zweckhaft mit den Wirkungen der digitalen Medien auf künstlerische Verfahren zu beschäftigen. Und andererseits noch einmal die Bedeutung der Zweckfreiheit künstlerischen Tuns zu erfahren. Nicht der aktuelle Hype um die Suche nach dem momentanen Glück sondern nach einem erfüllten Leben (Eudaimonia) könnte hierfür die Richtschnur sein.
Gerade in einer Zeit, in der das Ende der uns bekannten Arbeitsgesellschaft eingeläutet wird, könnte sich die Fähigkeit, das Leben nochmals selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht zum Anhängsel einer Universalmaschine degradieren zu lassen, als eine entscheidende und überlebenswichtige Sinnfindung für jene erweisen, die die Idee eines menschlichen Souveränitätsanspruchs noch nicht aufgegeben haben.