Zwischen Schein und Sein – Warum sich Kultur-Vermittler*innen nicht selbst allzu sehr auf den Leim gehen sollten.

In diesen Tagen veranstaltete das Wiener MuseumsQuartier einen Kinder-Kultur-Parcour (https://www.vienna.at/der-kinderkulturparcours-im-wiener-mq-das-programm/6198756). Die hier beheimateten Kunst- und Kultureinrichtungen stellten ihre vielfältigen Angebote für und mit Kindern vor und luden zu Mitmachaktionen ein. All diese Initiativen machten deutlich, dass sich in den letzten Jahren der Stellenwert des künstlerischen Angebotes für Kinder nachhaltig verändert hat. Kinder sind einfach ein wichtiger Faktor im Kulturbetrieb geworden; aus vielen Einrichtungen sind sie nicht mehr wegzudenken.

Und die Kinder haben gezeichnet, gebastelt, gebohrt, gehämmert. Es hat ihnen sichtlich Spaß gemacht – und mit ihnen den Vermittler*innen, die sich bestätigt gefühlt haben in ihrem Anspruch, der Kreativität der Kinder freien Lauf zu lassen.

Damit ist alles gut – ist damit wirklich alles gut?

Den Eindruck eines unbedingten Ja seitens der Szene könnte man beim Diskussionsverlauf eines Open Space gewinnen, der im Rahmen einer Jubiläumsveranstaltung der Assitej gemeinsam mit EDUCULT stattfand. (http://educult.at/veranstaltungen/kunst-und-kultur-fuer-kinder/). Nach der Reihe präsentierten die Vermittler*innen die Erfolgsgeschichten ihrer Häuser, verwiesen auf die Charta der Kinderrechte auf Kultur (https://www.assitej.li/home/charta/) und vermittelten so den Eindruck eines nachhaltigen Transformationsprozesses eines Kulturbetriebs, in dem Kinder und junge Menschen zu ersten Adressat*innen ihre Angebotes geworden sind. In diese Erzählungen reihte sich Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler nahtlos ein, wenn sie von nachhaltig wirksamen Versuchen des steirischen herbstes berichtete, diese Zielgruppe stärker ins Programm miteinzubeziehen und mit diesen Erfahrungen nunmehr auch in Wien aktiv zu werden.

Hellhörig geworden bin ich beim Bericht einer Vermittlerin, die einen Vater zitierte, der sein Kind davon abhalten wollte, an einem Vermittlungsprogramm mitzumachen: „Das ist ja nichts für Dich“, habe er gemeint, um so auf eine ungebrochen wirksame soziale Kluft hinzuweisen, die vor allem sozial Benachteiligte davon abhält, die Angebote des Kulturbetriebs wahrzunehmen.

In diesem Zusammenhang ist jüngste ein Kommentar der Falter-Journalistin und Lehrerin Elisa Erkurt erschienen, der das nach wie vor bestehende „Kunst-Gaps“ eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Sie habe Schüler*innen gefragt, was Kunst für sie bedeutet und völlige Stille geerntet. "Was ist denn Kunst überhaupt?", versuchte sie den Schüler*innen die Antwort zu erleichtern. "So teure Bilder, die Millionen kosten", habe ein Schüler geantwortet. "Die stehen dann im Museum", sagte darauf eine Schülerin. "Wart ihr schon einmal in einem Museum? wollte Erkurt wissen. "Ja, einmal mit der Schule", antworteten die Schüler*innen. Privat mit den Eltern war noch keiner von ihnen im Museum.

Und die Lehrerin kommt zum Schluss: Der Kunstbegriff könnte nicht weiter weg von der Lebensrealität dieser Schüler und Schülerinnen sein: „ Kunst, das sind die Unterrichtsfächer Werken und Bildnerische Erziehung, in denen eh alle Einser bekommen. Kunst, das sind für sie teure Bilder, deren Wert sie nicht nachvollziehen können, und, um einen weiteren Schüler zu zitieren, das ist was für Österreicher".

Als Lösung schlägt sie vor, „den Kunstbegriff von oben runter zu holen und ihn alltagstauglich zu machen…. Wir müssen den Kunstbegriff an unsere Schüler anpassen und nicht umgekehrt, denn so bleibt die Kunst nur einer kleinen elitären Blase borbehalten.“

Kunst für Kinder – Kunst mit Kindern

Eine Reihe von Diskutant*innen des Open Space war da ganz auf Linie mit Erkurt, wenn diese auf Zugänge weg von „Kunst für Kinder“ hin zu „Kunst mit Kindern“ verwiesen, um so das angedeutete soziale Gefälle zu verringern. Fehlen durfte freilich nicht das obligate Schul-Bashing, um sich so positiv gegen traditionelle – als zwanghaft eingeschätzte - schulische Zugänge zu abzugrenzen und sich auf die Seite der unmittelbaren kreativen Kraft der jungen Menschen zu schlagen. Es blieb dem EDUCULT-Geschäftsführer Aron Weigl, der sich selbst in seiner Dissertation intensiv mit Fragen einer Kulturpolitik für Kinder beschäftigt hat (https://link.springer.com/content/pdf/bfm%3A978-3-658-13251-4%2F1.pdf) vorbehalten, dafür zu plädieren, sich institutionell nicht nur Image bildend voneinander abzugrenzen sondern sich intensiver als bisher um neue Formen der Kooperation zwischen Schulen und Kultureinrichtungen zu bemühen. Grundlagen dafür könnten einschlägige Erfahrungen bieten, die EDUCULT im Rahmen des Projektes „Kunst und Spiele“ (http://educult.at/forschungsprojekte/kunst-und-spiele/) gesammelt hat. In den mehrjährigen Kooperationen von großen deutschen Kunst- und Kultureinrichtungen und Kindergärten bzw. Primarschulen zeigt sich unschwer, wie sehr beide Seiten aufeinander angewiesen sind, wenn es nicht nur um die Schaffung einmaliger Sondersituationen geht sondern um die Stimulierung eines nachhaltig wirksamen Interesses bei den jungen Menschen.

Vom „Was“ zum „Wie“ – eine zweischneidige Entwicklung

In diesem Milieu der Zelebration eines unmittelbaren kindlichen Ausdruckswillens fühlte ich mich an die Abschlussdiskussion des europäischen Kongresses zu den „Spezialisten der Entspezialisierung“ (http://educult.at/veranstaltungen/auf-der-suche-nach-spezialisten-der-entspezialisierung/) erinnert. Die Leiterin der Schulverwaltung von Helsinki Marjo Kyllonen verwies dabei auf die aktuelle Schulreform in ihrem Land, die die Frage nach dem „Was“ im Unterricht zunehmend habe obsolet werden lassen während das „Wie“ an Bedeutung gewinnen würde. Den Hintergrund hierfür bilde die scheinbare Allverfügbarkeit von Information. Damit würde es immer wichtiger, die Art und Weise des Umgangs – eben das „Wie“ – in den Mittelpunkt zu rücken. Ich wollte damals mit dem Argument dagegen halten, dass mit Information noch nicht automatisch Wissen generiert würde und es ohne elementare Wissensstände wenig Sinn mache, sich darüber zu verständigen, wie damit umzugehen sei. Stattdessen fürchte ich, dass hiermit einem im wahrsten Sinn „sinnlosen“ Aktionismus Tür und Tor geöffnet wird, der das schiere Tun – ungeachtet seiner Intension – zum Maß aller Dinge erklärt.

Ich gebe zu, so geht es mir auch oft in der Beobachtung von Vermittlungsprogramme, die sich längst „emanzipiert“ haben vom jeweiligen inhaltlichen Programm der Institution und statt dessen einen Aktionismus pflegen, der die Kinder das tun lässt, was sie vorgeblich schon immer tun wollten. Wenn sie dann noch mit Spaß bei der Sache sind, dann meinen die Vermittler*innen ihre Aufgabe erfüllt zu haben: Die Kinder sind glücklich und so können auch sie glücklich sein.

Wir dringen hier tiefer ein in eine alte Kontroverse, die bereits vor einigen Jahren der Kulturjournalist Holger Noltze mit seinen Überlegungen zur „Leichtigkeitslüge“ (https://www.spiegel.de/kultur/literatur/leichtigkeitsluege-autor-noltze-kultur-muss-wehtun-duerfen-a-732208.html) zugespitzt hat. Mit seinem Sager „Kultur muss auch wehtun dürfen“ rief er 2010 viel Widerstand in der Szene hervor. Und doch stellt sein Vorwurf, das Leichte und vordergründig Schöne setzte sich im Bereich der Kulturellen Bildung und der Vermittlung immer mehr gegen das Schwere und Anstrengende durch bis heute eine wichtige Denkanleitung bei der Einschätzung dessen, „was wir da eigentlich tun“ dar.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube, der jüngst ein Buch mit dem reißerischen Titel „Ist die Schule zu blöd für unsere Kinder“ (https://www.perlentaucher.de/buch/juergen-kaube/ist-die-schule-zu-bloed-fuer-unsere-kinder.html) herausgebracht hat. In seinen zugegeben kulturpessimistisch gefärbten Überlegungen befragt „einer von außen“ einige Grundannahmen moderner Schulentwicklung im Wunsch, hinter die Kulissen der aktuellen bildungspolitischen Rhetorik zu blicken. Suspekt ist ihm dabei eine stillschweigend als alternativlos verhandelte Allianz zwischen idealistischen Ansprüchen und einer Ausprägung erziehungswissenschaftlicher Forschung, die in ihrer Modernisierungswut jede kritische Distanz zu ihrem Gegenstand weitgehend verloren hat:„ Bei den Didaktikern, Lerntheoretikern, Methodenerfindern und ihren erziehungswissenschaftlichen Begleitforschern. Sie haben – unterstützt durch reformfreudige Bildungsbürokratien und eine mit Reformen ihre Geschäfte machenden Weiterbildungs- und Lehrmittelindustrie, die Schule zu einem Experimentierfeld von angeblichen Modernisierungen gemacht.“ Dass ein solcher Bildungskomplex seine eigenen Losungen Lügen straft, wenn er – dem spätkapitalistischen Zeitgeist folgend Individualisierung ganz oben auf der Agenda führt, seine Entscheidungen aber mit scheinbar objektiven, weil anonym geschaffenen statistischen Durchschnittsdaten begründet, gehört in diese Einschätzung.

Nun lässt sich über das, was Modernisierung von Schule in einer kapitalistischwn Verwertungszwängen unterworfenen Gesellschaft leisten soll, trefflich streiten. Das gilt vor allem für die Frage, ob Schulen zugemutet werde kann, Versäumnisse der Politik auszugleichen, etwa wenn es um den Anspruch geht, Chancengleichheit bei den Kindern herzustellen, die es sonst in der Gesellschaft nirgends gibt. Wenn also die nationalen Schulsysteme die sich zuspitzenden sozialen Ungleichheiten nicht zu kompensieren vermögen, lässt Kaube immerhin die Frage zu, ob das ihre zentrale Aufgabe darstellt – oder ob (falsche) Entscheidungen in anderen Politikfeldern (Soziales, Wohnen, Arbeitsmarkt, Integration,…) nicht wesentlich wirkmächtigere Faktoren zur Förderung von sozialer Integration (oder Desintegration) darstellen (Vielleicht hilft in diesem Zusammenhang eine Erinnerung an die vielgepriesene Bildungspolitik der Ära Kreisky/Sinowatz, die damals vielen den sozialen Aufstieg ermöglicht hat. Sie konnte nur gelingen, weil auch in anderen Politikfeldern mutige Reformen zur Erhöhung der sozialen Durchlässigkeit durchgesetzt werden konnten, von denen heute viele rückgängig gemacht werden (Stichwort: Erosion des Wohlfahrtstaates)). Geht es nach Kaube so sei so ein umfassendes Gefühl der Überforderung in den Schulen entstanden, deren Akteur*innen vor der unlösbaren Entscheidung stehen, was sie eigentlich wollen sollen: Ungleichheit bekämpfen oder Unwissenheit?

A propos: Kaube erwähnt im Zusammenhang mit Bemühungen um Verringerung der sozialen Chancenungleichheit das Perry-Preschool-Project (https://highscope.org/perry-preschool-project/), das noch vor dem Eintritt in die Schule im Zusammenwirken mit den Eltern die Eingangsvoraussetzungen nachhaltig zu verbessern vermag.

Das große Schulversagen – Mittlerweile verlassen rund ein Drittel der Schüler*innen die Schule ohne ausreichende Kenntnisse in den elementaren Kulturtechniken. Und keiner redet darüber.

Persönlich neige ich der These zu, dass diese unauflösliche Dichotomie den eigentlichen Skandal von Schule zunehmend in den Hintergrund hat rücken lassen, der darin besteht, dass mittlerweile bis zu einem Drittel – die Zahlen variieren - der Schulabgänger*innen die grundlegenden Kulturtechniken nicht hinreichend beherrschen, um eine hinreichende Lebensperspektive zu entwickeln. Dass hiermit ein riesiges Reservoir für eine rechtspopulistische Gegenrevolution geschaffen wird, kann an dieser Stelle nur angedeutet werden.

Auf der Grundlage dieses Versagens äußert Kaube eine grundsätzliche Kritik an der aktuellen reformpädagogischen Hausse, die – siehe oben – auch weite Teile der Kunst- und Kulturvermittler*innen-Szene dominiert. Entgegen den momentan gehypten Didaktiken hält er an ein einem traditionellen Lehrer*innen-Bild fest. Ihre Aufgabe als Vermittler*innen elementarer Wissensstände bleibt ihm unhintergehbar, wenn Schüler*innen erst dann ein Problembewusstsein entwickeln können, wenn sie mit bestimmten Sachverhalten vertraut sind und diese verstanden haben. Die Neigung, es den Schüler*innen leicht zu machen, ihnen Souveränität bei der Verfolgung von schulischen Lernzielen selbst dort zuzusprechen, wo sie Neuland betreten, vermeide es, auf der zentralen Aufgabe von Lehrer*innen zu bestehen, die Schüler*innen instand setzt unbekannte Welten zu betreten und sich darin zurecht zu finden. Wenn dafür aber - mangels zum Teil mühsamer Einübung – die elementaren methodischen Voraussetzungen dafür fehlen, würde damit – Spaß am Lernen hin oder her – nur eines erreicht: die Weigerung der Erkenntnis, dass die Überwindung von Schwierigkeiten beim Wissenserwerb die Voraussetzung dafür bilden, hinreichende Perspektiven für die eigene Lebensgestaltung zu entwickeln. In diesem Bemühen sollten die Schüler*innen im Sinne eines möglichst engen Lebensbezugs gerade nicht „dort abgeholt werden, wo sie sind“ sondern ihnen Mut machen, sich auf Unbekanntes einzulassen und ihnen den Sinn dafür zu vermitteln, dass Routinen, Wiederholen und Umgang mit Widerständen die notwendige Voraussetzung für die Gewinnung von Sicherheit in einer zunehmend unbegreiflichen Welt darstellen.

Technologie als neues (falsches) Heilsversprechen

Ein besonderes Anliegen ist Kaube die Dämpfung des gegenwärtigen Hypes um die Digitalisierung von Schule (siehe dazu etwa den aktuellen Masterplan Digitalisierung des bmbwf: https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/schule40/index.html). Wie Konrad Paul Liessmann (https://derstandard.at/2000086554297/Wie-digital-soll-das-Bildungssystem-der-Zukunft-sein) warnt auch er davor, in der massenhaften Implementierung der digitalen Medien den Heilsbringer für eine „überstandige“ Schule zu sehen. Für ihn bedeutet Schule ein letzter Schonraum, um nicht permanent den digitalen Überforderungen ausgesetzt zu sein, um sich auf die Suche nach dem wirklich Wichtigen im Leben zu machen. Dafür scheint ihm die personale Beziehung der Schüler*innen und Lehrer*innen essentiell. Der Lehrer/die Lehrerin ist ihm bei all seinen Überlegungen ein zentrales Role Model, das darüber entscheidet, ob überhaupt und wenn ja in welcher Weise junge Menschen ihr wissensbasiertes Verhältnis zu sich und zur Welt gestalten (Kaube gibt in dem Zusammenhang eine vertiefte Begründung zur Erfolgsgeschichte der finnischen Schule, in der die Lehrkräfte mit einem besonders hohen Prestige ausgestattet sind; seiner Interpretation zufolge ergibt sich dieses u.a. aus dem historischen Spannungsverhältnis zwischen Finnland und der früheren Sowjetunion. Als hochangesehene Funktionsträger*innen sei es Lehrkräften zugefallen, den Anspruch auf finnische Eigenständigkeit an die nächsten Generationen weiter zu geben. In Anerkennung dafür wurden seitens des Staates hohe Privilegien vergeben).

Man muss nicht mit allen Positionen Kaubes einverstanden sind. Und doch eignen sie sich nochmals dafür, eigene, sich schon einmal verselbständigt habende Positionen zu hinterfragen und damit nochmals auf den Punkt zu bringen, was Schule in der aktuellen gesellschaftlichen Transformationsphase zu leisten vermag – und was nicht.

Creative Learning in Zeiten der Alternativlosigkeit - „Fusion Skills“ als Antwort derer, die wollen, dass es so weiter geht wie bisher?

Ähnliche Ansprüche verfolgt eine jüngst ins Leben gerufene Initiative Anne Bamfords, zur Zeit City of London Corporation’s Strategic Director of Education, Skills, and Culture. Sie lud Vertreter*innen von sechs europäischen Städten nach London, um im Rahmen einer Veranstaltung „Cities of the Future: Thriving and surviving with Fusion Skills“ Erfahrungen auszutauschen. Geht es nach Bamford, dann soll mit diesem Event nicht mehr und nicht weniger als ein Startschuss für eine andere Art von Schule gegeben werden, in denen sogenannte „fusion skills“ (von der Britischen Innovationsstiftung NESTA (www.nesta.org.uk) wurden insgesamt 12 Fähigkeiten definiert: Oral communication / presentation skills, Collaboration and teamwork, Initiative, Problem Solving, Organisational skills, Adaptability / flexibility, Written communication, Independent working / autonomy, Critical thinking, Resilience, Creativity, Analysis and evaluation skills) die künftige Grundlage schulischen Lernens bilden sollen. Eigensinnigkeit oder gar Widerständigkeit gehören ganz offensichtlich nicht dazu.

Für mich wurde bei der Veranstaltung (wie bereits bei der Intervention von Paul Collard von CCE (https://www.creativitycultureeducation.org/)bei der bereits erwähnten Veranstaltung „Spezialisten der Entspezialisierung“) zweierlei deutlich: Da ist zum einen die schon erwähnte Priorisierung des „Wie“ über das „Was“, die alle bisherig als gemeinsam für wichtig eingeschätzten Wissensbestände zur Disposition stellt. Und da ist um anderen der breit akzeptierte Diskurs um „Creative Learning“, der mittlerweile im anglo-sächsischen Raum die Debatte um Schulentwicklung nachhaltig bestimmt. Wie auch die Zusammensetzung der Veranstaltung anschaulich vor Augen führt, zeigen hier Vertreter*innen aus dem Technologie-Bereich, Unternehmer, Künstler, Politiker und und Administratoren wenig Berührungsängste, wenn es darum geht, Schule entlang der herrschenden Vorgaben spätkapitalistischer Produktions- und Rezeptionsweisen „neu zu denken“.

Als großer Elefant im Raum erwiesen sich freilich die aktuellen sozialen und politischen Verhältnisse, die etwa davon erzählen, dass mittlerweile – Schulreform hin oder her - rund ein Drittel

der jungen Menschen in England armutsgefährdet sind oder dass das demokratische politische System immer tiefer in die Krise gerät. Geht es nach Bamford und ihren Kolleg*nnen in der City of London (die als nur ein Londoner Bezirk rund 20% am BIP von ganz Großbritannien beisteuert) dann bedeutet eine auf „Fusion Skills“ basierende neue Schule eine weitere Radikalisierung globaler Modernisierung, die hofft, mit der Vermittlung universell einsetzbarer Kompetenzen mehr Menschen mit den entsprechenden Tools zur Mitwirkung an der Weiterentwicklung einer technologisch getriebenen zunehmend universellen Konkurrenzgesellschaft ausstatten zu können. In einem Beitrag zu „Future of Cities“ versuchte eine koreanische Kollegin nachzuweisen, dass sich die technologische Entwicklung und das menschliche Verhalten immer weiter auseinander entwickeln würden. Ihre Antwort: Beschleunigung von, auf Fusion Skills basierenden Lernprozessen, um den technologischen Anforderungen besser gewachsen zu sein.

Der politische und kulturelle Back-Lash und die Verfechter*innen eines More-of-the-same

Da bin ich stutzig geworden. Und bin auf Cornelia Koppetsch gestoßen. Sie hat in ihrer jüngst veröffentlichten Studie „Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopulismus im globalen

Zeitalter“ (https://www.perlentaucher.de/buch/cornelia-koppetsch/die-gesellschaft-des-zorns.html) deutlich gemacht, dass sich gegen diese Form der Affirmation der herrschenden Verhältnisse gerade eine umfassende Konterrevolution anbahnt, die bei aller politischen Gefährlichkeit auch uns – und

damit meine ich die von Rechtspopulisten ins bevorzugte Visier genommenen liberalen und demokratischen Eliten – die Voraussetzungen unseres eigenen Denkens und Handels noch einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. Dafür kann u.a. die Lektüre von Kaube hilfreich sein.

Wir müssen nicht alle zu demokratieskeptischen und illiberalen Rechtspopulist*innen werden, um das, was da an (kulturellen) Zurichtungen im kapitalistischen Mainstream abgeht, in Frage zu stellen. Ein erster Schritt könnte aber sein, ein gerütteltes Maß an Skepsis gegen – in der eigenen Community liebgewordene - Selbstverständnisse zu entwickeln. Dazu gehört wohl auch die Einsicht, dass man im Leben nichts geschenkt bekommt, auch nicht die Kultur, die heute drauf und dran ist, wieder zu einer gefährlichen Konfliktzone zu mutieren.

Zurück also zum Kinder-Kultur-Parcour des MQ: Die leuchtenden Augen der Kinder beim Spiel sind das eine, die Mühen der Auseinandersetzung mit Kultur, die gerade einer umfassenden politischen Neuinterpretatiion unterworfen wird und sich daher nicht per se erschließt, ist das andere.

Dazwischen sind wir mehr denn je gefordert, eine, auf Wissen und Anstrengung beruhende eigensinnige Haltung zu entwickeln. Bei den Kindern und bei uns selbst.

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berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 12.06.2019 11:18:19

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