Gestern haben mich überraschend zwei alte Freundinnen besucht. Just in dem Augenblick als meine Kühltruhe den Geist aufgegeben hat. Ganz versteckt zwischen Erbsen, Fischstäbchen und Eisbrocken haben sie scheinbar nur darauf gewartet, wieder in mein Leben zu treten. Sie waren gefüllt mit Spaghettisauce und Moussaka – glaube ich zumindest. Die Rede ist von Tupperware-Dosen oder einfach »Plastikgschirrl’n«, wenn man – wie ich - in Wien zu Hause ist.
Diese beiden Freundinnen sind aber mehr als nur die Aufbewahrungsstätte diverser Zuviels: Sie sind Basis für so manchen Familienkrieg, Schutzmaßnahme vor Zerstörung noch billigerer IKEA-Teller, manchmal Retter in der Überflussnot und letztendlich unzerstörbare Begleiterinnen für schlechte Zeiten.
»Warum haben wir ungefähr vierzig Plastikbehälter, auf die noch dazu nie ein Deckel passt?«, hat mich das männliche Familienoberhaupt früher oft erzürnt gefragt, wenn ihm bei der Suche nach seinem heißgeliebten Toaster ebendiese regelmäßig entgegengeeilt sind. »Die brauche ich dringend«, war stets meine einfältige Antwort, wissend was da kommt. »Wofür, bitte?« Die Zeitspanne zwischen diesen beiden Sätzen dauerte stets nur drei Sekunden, es hieß also schnell und überlegt zu antworten. (Ich gebe zu, in so manch stiller Stunde hatte ich mir für diese Augenblicke vorab passende Worte überlegt.) »So muss ich nichts wegwerfen, wenn ich zu viel gekocht habe« antwortete ich blitzartig. Zu blitzartig, denn er warf mir zumeist einen scharfen Blick zu und sagte »Vielleicht kochst du in Zukunft einfach weniger? Ein bisschen mehr Augenmaß würde dir und dem Budget nicht schaden.« Und schon waren wir in einer Beziehungs-Grundsatzdiskussion, ausgelöst durch nicht mehr ganz durchsichtige Plastikdosen, die sich im falschen Moment den Weg ins Freie gesucht hatten.
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Als die Kinder noch klein waren, war alles großartig. Wenn es wieder zur Behälterdiskussion kam, konnte ich erwidern »Schau, das unterste Fach ist zum Spielen da. Es kann nichts kaputt gehen und die Kinder sind glücklich.« Ob er mir das jemals geglaubt hat, weiß ich bis heute nicht. Für einige Jahre aber hatten wir ein halbwegs friedliches Zusammenleben – die Tupperware-Dosen, der Mann und ich.
Irgendwann ist er dann ausgezogen. Und mit ihm – im Rausch der Feng-Shui-Trennungs-Ausmistung – erstaunlicherweise auch die Plastikware. Ich hatte plötzlich Raum und Platz, und habe ihn mit einem neuen Toaster gefüllt.
Dennoch gab es in den letzten Jahren immer wieder Momente, in denen ich mir diese Situationen zurück gewünscht habe: Es waren doch irgendwie schöne Zeiten... Das Gefühl für Notfälle gerüstet zu sein und der Versuch, in die heile Welt der Teekannen-Werbung einzutauchen. Das war es, wonach ich mich sehnte. Oft, wenn ich in den letzten Jahren mit zu viel Suppe oder Grillsauce hysterisch zumindest leere Marmeladengläser gesucht hatte, wünschte ich mich inständig ins Damals zurück.
Und plötzlich waren sie gestern wieder da, diese alten Freundinnen. Und haben mich – ehrlich gesagt - in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Zu jung für »Oma gibt dir was von der Hühnersuppe mit!« und zu alt für »Schau mal, hier hast du einen Kochlöffel. Damit kannst du Schlagzeug darauf spielen. Und lass bitte die Teller in Ruhe...«
Kein Mann, den ich mit schlauen Erklärungen austricksen kann. Und zumeist auch kein Zuviel mehr.
Tupperware-Dosen sind also mehr als nur Aufbewahrungsstätten. Das weiß ich heute.
Sie sind Teufelswerk und Lebensratgeber zugleich. Ich habe meinen alten Freundinnen samt unergründbarem Inhalt nun die Freundschaft gekündigt, und weiß, dass jetzt endlich ein neuer Lebensabschnitt beginnen kann.
Spätestens, wenn am Mittwoch die Müllabfuhr kommt...