Der verlorene Geist der Weihnacht...

Die Nächte werden wieder länger. Mit Blick auf unsere Supermärkte könnte es nicht früher sein. Es war einmal vor langer, langer Zeit... So begannen die alten Geschichten, die sich von den Volksmärchen über die Gebrüder Grimm bis in die plastische und von künstlicher Intelligenz durchdrungene Neuzeit erhalten haben. Ohne dabei den Zauber zu verlieren, der in ihren Worten mitschwingt, und den märchenhaften Glanz, der unsere Herzen erhellt. Wenn wir diesen Geschichten zuhören, egal wie alt wir sind und wie müde unser Rücken ist, werden wir wieder zu Kindern, und nur unser Herz lässt uns innehalten, und sei es nur für einen Augenblick, um diesen Zauber zu spüren...

Wer kennt nicht die traurige und bewegende Geschichte von Charles Dickens über den hartherzigen Geizhals Scrooge und den Besuch der drei Geister, die ihn wieder auf den rechten Weg brachten - nämlich ein warmherziger Mensch zu werden. So lässt uns das Märchen vom Geist der Weihnacht, vom Winter, von Schneeflocken, Schlittenfahrten, Schneemannbauen, vom zugefrorenen See, von Bratäpfeln und Zimtduft, von Eisblumen an den Fenstern und Räucherstäbchen auf den schneebedeckten Häusern der Stadt sagen, nein vielmehr spüren, dass die heilige Weihnacht vor der Tür steht.

Aber, und das soll nicht verschwiegen werden. Bitter genug, aber seht selbst. Die Geschichte vom verlorenen Geist der Weihnacht ist eine ganz andere Geschichte, die uns unsere prüden Eltern nie und nimmer erzählen wollten. Was auch immer sie dazu bewogen haben mag, uns als Kinder, als wir noch kaum Schamhaare im Schritt trugen, anzulügen, es lässt sich nur rechtfertigen, wenn man versucht, sie als völlig verkorkste Erziehungsberechtigte zu sehen, als jene, die in die Irre geführt wurden - der absoluten Wahrheit von Weihnachten - nie auf die Spur kamen.

Und so geriet die Geschichte von der wahren Weihnacht in Vergessenheit, weil die Menschen so schwach sind und sich so leicht täuschen lassen. Allzu leicht lässt sich ihr Geist vernebeln, hilflos ergibt sie sich der Täuschung und dem Verrat und glaubt, Gutes zu tun. Euch die Geschichte vorzuenthalten. Im Glauben, euch zu beschützen, nicht erkennend, welchem verhängnisvollen Irrtum sie erlegen sind.

Und so lebt diese unerzählte Geschichte weiter, ausgelöscht aus dem Kanon aller Erzählungen, gehütet wie ein verschlossenes Geheimnis, wie eine drohende Gefahr, verbannt in alle Ewigkeit. Weil damit keine irdische Macht zu gewinnen war. Und doch war da eine Stimme - wie ein Flüstern in der Nacht. Wie ein Schatten im Wind. Kaum zu berühren, kaum zu spüren und doch mit den ersten Schneeflocken - erbebte ihr Gefüge. Als würde sie erwachen und mit jedem Tag, an dem die Raunächte näher rückten - konnte ihre ungeheure Gewalt - und Offenbarung - nicht mehr verschwiegen werden.

Also hört zu, rückt näher zusammen, denn ihr werdet eure gegenseitige Wärme brauchen. Spürt eure Restwärme, wenn ihr alt werdet. Die Kälte um euch, um eure Mitmenschen, um eure Herzen. Weihnachten, das war einmal. Es begann damit, dass alles Helle, alles Gute, alles Reine aus dem Dunklen, aus dem Düsteren, aus dem Unreinen entstand. In der Welt der Gegensätze, die wie in einem ewigen Kampf aufeinander prallen, braucht das eine das andere und kann ohne das andere nicht befreit werden - in einem unaufhörlichen Prozess des Werdens und Vergehens.

So auch Weihnachten, eine immer wiederkehrende Zeit, in der uns die Dunkelheit umarmt und nur die bittere Hoffnung auf das Licht uns erlaubt, auch etwas Schönes - in dieser Zeit - zu erblicken. Die Wahrheit aber ist viel schlimmer, kaum zu ertragen und an Bestialität nicht zu überbieten. Denn die Wahrheit über Weihnachten dreht sich nicht um den dummen Weihnachtsmann, nicht um stinkende Rentiere oder gar dumme Geschenke, die darauf warten, von dummen Kindern dumm ausgepackt zu werden. Nein, es geht um den Geist von Weihnachten. Und der teilt keine Fröhlichkeit, keine Frömmigkeit - mit niemandem. Und er hat einen Begleiter - nein, keine Elfen, kein Schnickschnack, glaubt das nie. Es ist ein Schatten, so dunkel und finster, dass selbst die Nacht dagegen - hell erscheint. Das Besondere an diesem Schatten ist - er ist der Schatten von allem - was ist. Alles, was existiert - hat einen Schatten - ihn. Er ist aus allem entstanden und älter als die Zeit selbst, denn auch die Zeit wirft diesen Schatten voraus.

Der Geist der Weihnacht, ist die Stimmung, die uns ergreift, und sein Begleiter, jenes dunkle Wesen - das uns erschauern lässt - ist die Bestimmung von allem, was aus ihm hervorgeht. So muss man es verstehen: Was immer wir uns wünschen in dieser dunklen Zeit - der Schatten ist es - der es ermöglicht oder es uns bringt. Darum nehmt euch in Acht, was ihr euch wünscht! Oder, arglos verlorene Worte, gesprochen in der Meinung, man habe es nicht gehört - er schon. Nichts entgeht seinen Ohren, die selbst das leise Flüstern des Windes auf der anderen Seite der Erdhalbkugel vernehmen. Gedanken sind für ihn Posaunen der Freude, denn sie treiben ihn an, und ehe ihr euch verseht, ist er an euch dran und liest euch jeden noch so stummen Wunsch von den Lippen ab. Auch die, von denen man nie gedacht hätte, sie laut zu träumen. Jene stillen Erfüllungen, die euch sogar ein wenig Angst machen, weil ihr nie gelernt habt - mit Wünschen fröhlich umzugehen.

Keine Sorge - es gibt auch Hoffnung in dieser dunklen Zeit. Atmet auf. Es folgen die Raunächte und sie nehmen all das Leid, all die Sorgen und den Kummer der Menschen mit - auf eine Reise durch die Zeit. Und wenn die Sonne ihre frühen Stunden mit mehr Licht zu erhellen beginnt, dann sind es diese ausklingenden Nächte - die dir Trost bringen werden, denn nach ihnen beginnt sich das Rad der Zeit von neuem zu drehen - und der Schatten - verschwindet mehr und mehr.

Bald ist es wieder soweit - Weihnachten und der Winter naht. Überlege dir deine Wünsche gut und wähle sie mit Bedacht - auch die, die du nie aussprichst...

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