Wahl der inneren Stimme: Leckt's mi am Oarsch!

Gestern radelte ich wieder einmal ganz alleine mit dem Mountainbike durch die großteils völlig unberührte Natur der Donau- und Marchauen. Dabei hatte ich oft Tränen in den Augen. Nicht vom Fahrtwind, nicht vom Schweiß. Wie in der Kindheit war ich eins mit der Natur. Ihre unfassbare Schönheit, Wildheit, Ruhe und Kraft ließen mich in rund fünf Stunden durchgehender Fahrt knapp 125 Kilometer vom Wiener Handelskai über die Donauinsel zur Lobau, von dort durch die Donauauen bis Stopfenroith, dann bis Schloss Hof, über die March in die Slowakei, von Devin Richtung Norden entlang überwiegend irrer "Wege" mit tiefen Schlaglöchern, langen Rissen, Wurzelerhebungen und "Brückchen" für Abenteurer entlang der March bis Hohenau strampeln. Gehalten wurde nur zum Nachfüllen der Trinkflaschen und zum Bildermachen. Begegnet ist mir so gut wie niemand. Paradiesisch. Meditativ.

Physisch ausgepowert und schweißgetränkt, aber seelisch-geistig immer noch im Paradies, saß ich schon im Zug von Hohenau nach Wien Meidling, als mich über Facebook die für den Absender offenbar dringende Anfrage erreichte, wen ich wohl zum Bundespräsidenten wählen würde. Im ersten Moment war ich stark belustigt und antwortete schnippisch, mich würde jetzt keine Wahl, sondern nur das nächste Mahl interessieren. Doch dann, vielleicht weil ohnehin schon mit dem Thema befasst, antwortete ich intuitiv, ich würde wahrscheinlich Sigi Maron wählen, jenen gar nicht zur Wahl stehenden Künstler, der uns einst mit seinem Lied "Leckt's mi am Oarsch!" erfreute.

Darf/soll man das, wo doch angeblich jede Nichtwahl oder mutwillig ungültige Wahl, also die Nichtinanspruchnahme des Stimmrechts, der Demokratie schaden würde? Dazu sei gesagt, dass wir mangels echter direkter Demokratie und aufgrund permanenter Politkorruption meines Erachtens ohnehin nur eine Scheindemokratie haben. Außerdem möchte ich meine Stimme behalten, sie also nicht an jemand anderen abgeben - schon gar nicht in einer Urne zu Grabe tragen. Sollte ich sie einem Grünen geben, der meinem Empfinden nach gar kein Grüner ist, weil seine Partei nicht der Natur und dem Volk, sondern dem Großkapital verpflichtet zu sein scheint? Oder einem Freiheitlichen, dessen Partei meines Erachtens nicht kapiert hat, was Freiheit eigentlich ist und dass sie das höchste Gut ist? Soll ich etwa jemanden wählen, den ich menschlich und politisch als nicht authentisch, quasi als letztlich für Banken und Konzerne stimmensammelnden Schauspieler erlebe?

Nein, ich werde keinen der beiden Kandidaten wählen. Ich werde überhaupt nicht mehr wählen und bleibe dabei, wie im Fall der Massenmigration, indirekten Einfluss auf die Politik zu nehmen. Dabei durfte und darf ich erleben, dass derzeit keine Partei jenen Anforderungen entspricht, die ich an echte Politik stelle: Verbindung von Herz und Hirn, Wille zur Kooperation mit Andersdenkenden, Lösungsorientiertheit, mitmenschliche Nähe, Weitblick. Zum gegenwärtigen politdarstellerischen Wahlangebot sei daher gesagt: Leckt's mi am Oarsch!

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