Zum Gründonnerstag pflegt in Franziskaner-Gemeinschaften ein Laienbruder bei Tisch das Wort zu ergreifen, und den Mitbrüdern im Priesteramt zum Fest zu gratulieren. Im Franziskanerkloster Graz hat es heuer mich getroffen. Was ich gemeint habe, sagen zu müssen.... =))
Markus Schlichthärle https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10210673446805025&set=a.1544482124686.2078128.1013993001&type=3&theater
Venerabilis Conventus, aber besonders liebe Mitbrüder im Priesteramt,
es ist ein guter Brauch, daß am Hohen Donnerstag einer der Brüder einen Dank oder auch Glückwünsche an die Priester formuliert. Was aber sagt man als Laie jenen, die sonst das ganze Jahr über zu sprechen gewohnt sind? Was wünschen wir denen, die gewöhnlich jene sind, die uns zu begleiten? Was kann das Schaf dem Hirten sagen?
„Ein alter Dank“, so heißt es in einem Tiroler Sprichwort, „ist eine neue Bitte“. Und es drückt denselben Zusammenhang zwischen Geben und Beschenktwerden aus, der uns allen mehr oder weniger anerzogen wurde: „Danke“ und „Bitte“ sind die Grundpfeiler menschlichen Zusammenseins. Zum Priesterfest fallen mir dazu drei Gedanken ein, die gleichermaßen Dank und neue Bitte sind.
Schauen wir heute in die Kirche oder auch nur in unseren Orden, dann sind Priester Pfarrer und Seelsorger – sie verwalten Sakramente und Pfarrbücher, sie managen einen Pfarrbetrieb und laufen von Sitzung zu Gottesdienst oder von Gespräch zu Gespräch. Andere Priester sind auch Ausbildner und Lehrer, wieder andere sind Begleiter, manch einer ist Wissenschafter, einige sind Krankenseelsorger. Diese Unterschiedlichkeit macht die Faszination des Priesteramtes aus. Hätten wir umgekehrt nur mehr Priester als Pfarrer oder ausschließlich als Ausbildner oder nur mehr als Kategorialseelsorger, dann verlöre der Beruf an Attraktivität.
Alle anders, aber alle Priester
Bei aller Unterschiedlichkeit seid Ihr aber dennoch alle Priester. Es ist, um einen Gedankengang zu leihen, den unser Noviziatsmagister häufig und ausführlich darlegt, grundsätzlich das Sein wichtiger als das Tun. Petrus ist nicht Jakobus, Johannes nicht Andreas, usw. Alle aber sitzen sie am Abendmahlstisch. Und wenn dem so ist, dann ist es auch egal, ob Ihr alt oder jung, kränkelnd oder top fit, ob Ihr erfolgreich, sympathisch oder was auch immer seid: In jedem Fall ist jeder Einzelne eine spezifische Bereicherung für die Gemeinschaft. Das ist das Erste: Wir danken für Euer unterschiedliches Sein.
Der zweite Dank ist noch mehr ein Wunsch. Die Realität lehrt uns, daß in Kirche und Orden, in Gemeinschaften und Gemeinden nicht immer alles optimal läuft; daß manches dringend besser werden könnte. Auch durch Priester. Bei allem Realismus, der gut und geboten ist, laufen wir jedoch allzuhäufig Gefahr, in eine Haltung der Aussichtlosigkeit zu schlittern. Die regelmäßige Wiederholung all dessen, was im Argen liegt, führt gerade auch manche Priester in der Kirche dazu, daß sie die Freude an ihrem Sein, die Freude an ihrem Amt verlieren oder zumindest vergessen.
Sich zwischendurch einfach nur freuen
Bei einem festlichen Zusammensein im Grazer Seminar nach der gestrigen Chrisammesse, saß ich mit Priestern und Nichtpriestern an einem Tisch. Und es ist unweigerlich nach gezählten zehn Sätzen darum gegangen, ob die Liturgie nicht „immer noch zu klerikal“ ausgerichtet war, der Bischof nicht auch noch etwas zu den Ölen predigen hätte können, man sich im Allgemeinen „mehr auf das Volk konzentrieren“ müsse.
Ich habe natürlich nichts gesagt. Mir sind nur ähnliche Diskussionen eingefallen: Unlängst haben in meiner Heimatdiözese Brixen besonders engagierte Mitmenschen eine Debatte darüber vom Zaun gebrochen, wer und wie viel Laien denn eigentlich im Presbyterium zu sitzen hätten. Auch nach Papstmessen kann man bisweilen solche "Grundsätzlichkeiten" eines Glaubenslebens in Medien nachlesen. Zum Glück sind die Plätze im Himmelreich wirklich nicht zu vergeben (Mk 10,40).
Ist es möglich, daß nach Chrisammesse in Graz, Seligsprechung in Bozen oder Pontifikalamt in Rom immer und immer wieder ein angeblicher Gegensatz Priester-Gläubige durchdekliniert werden muß? Daß es in europäischen Kirchen fast nur mehr darum geht, ob wir alle genügend eingebaut sind und jeder sich wohl fühlt? Können wir nicht einmal im Jahr (oder zwischendurch öfter im Jahr) einfach Freude haben, an dem, was Priester sind? Daß Kirche so ist wie sie gerade ist?
Auch Beginn der Kirche war realistisch gesehen eine Katastrophe
Das Letzte Abendmahl ist noch vor der pfingstlichen Aussendung der Moment, in dem Kirche entsteht. Es ist jener Moment, in dem Christus seine Apostel als Gemeinschaft formt. Und die ersten Stunden dieser Gemeinschaft waren – realistisch betrachtet - auch in der Urkirche eine Katastrophe: Der eine verrät ihn, der andere verleugnet ihn, alle oder so gut wie alle anderen flüchten auf und davon. Nur die am Ostermorgen eintretende Freude ist es, die jene Dinge, die nicht gehen oder die zu verbessern wären, verblassen lässt. Ich wünsche Euch und allen Priestern, ich wünsche uns Gläubigen, daß wir die Freude an diesem Amt niemals verlieren.
Daß Ihr die Freundlichkeit des Herrn schaut und diese Freundlichkeit allen anderen weitergeben könnt. Das ist das zweite.
Den dritten und letzten Dank hat Bischof Wilhelm (Krautwaschl) während der heurigen Chrisammesse auf beeindruckende Weise herausgestrichen, in dem er ein langes Zitat von Papst Johannes Paul II. an die, wie ich finde, genau richtige Stelle gesetzt hat. Der Priester lebe in Gemeinschaft, er lebe Gemeinschaft, sagte Bischof Wilhelm zu seinen Priestern.
Gemeinschaft meint "Du gehörst zu mir"
Papst Johannes Paul II. fordert eine „Spiritualität der Gemeinschaft“. Ohne eine solche Spiritualität „würden die äußeren Mittel der Gemeinschaft (..) zu seelenlosen Apparaten (..) zu Masken der Gemeinschaft werden“, hat Johannes Paul im Jahr 2000 (Novo millenio ineunte) geschrieben. Zum Glück, denn äußere Mittel der Gemeinschaft sind, wenn sie nur mehr bedeuten, daß immer alle alles gemeinsam machen müssen, längst etwas, das generationenübergreifend niemanden mehr hinter dem Ofen hervorbringt. Nur geregelte Abläufe allein lassen noch keine Gemeinschaft entstehen.
Aber Bischof Wilhelm strich mit dem Zitat des heiligen Papstes auch hervor, wie denn diese Gemeinschaft zu verstehen ist. Nach Johannes Paul geht es um die „Fähigkeit, den Bruder und die Schwester im Glauben in der tiefen Einheit des mystischen Leibes zu erkennen, d.h. es geht um ‚einen, der zu mir gehört‘, damit ich seine Freuden und seine Leiden teilen, seine Wünsche erahnen und mich seiner Bedürfnisse annehmen und ihm schließlich echte, tiefe Freundschaft anbieten kann. Spiritualität der Gemeinschaft ist auch die Fähigkeit, vor allem das Positive im anderen zu sehen, um es als Gottesgeschenk anzunehmen“.
Der Gedankengang erscheint wohl nicht nur dem Bischof, sondern ganz allgemein auf jeder gesellschaftlichen Ebene von beinahe erdrückender Aktualität: Den anderen wahrnehmen als einen, der zu mir gehört! Das ist der dritte Dank, den wir an Euch richten. Und auch er ist zugleich eine Bitte.
Sein vor Tun, die Freude angesichts aller reellen Widrigkeiten und die Freundschaft zueinander. Das erscheint mir wirklich das zu sein, was Kirche in ihrem Ursprung gewesen ist. Und was sie in ihrem Wesen immer noch ist. Dafür möchten wir uns bei Euch bedanken. Das möchten wir Euch wünschen. Das ist Euer und deswegen auch unser Fest. Das. Ist. Heute.
ofmGraz 13. April 2017
(mtz)