Vor etwa zehn Jahren plante mein damaliger Partner, mit dem ich schon länger Tisch und Bett teilte, einen Tauchurlaub mit Freunden in Ägypten. Es war klar, dass ich nicht mitreisen konnte, da wir in der Firma ein mehrtägiges internationales Meeting organisierten. Außerdem war Tauchen nicht mein Sport. Unsere Beziehung war von der Art, dass so ein Arrangement möglich sein sollte.

Womit ich nicht gerechnet hatte, und was ich erst in letzter Minute erfuhr, war, dass eine Frau dabei war, nennen wir sie Anna, die mein Partner, nennen wir ihn Paul, noch aus der Zeit „vor mir“ kannte, und mit der er sich immer gut verstanden hatte. Angeblich wäre nie etwas zwischen ihnen „gewesen“ und wenn sie füreinander bestimmt gewesen wären, hätten sie das ja schon bemerken können, bevor ich in sein Leben getreten war. Aber schließlich war er nun mein Partner und nicht ihrer. Eigentlich kein Grund zur Besorgnis.

Ich kannte Anna nur flüchtig und mochte sie nicht besonders. Sie war ganz anders als ich. Oder sagen wir so: Sie war so, wie ich an meinen besten Tagen sein konnte. Extrovertiert, präsent und wortgewandt, so dass sie bei einer Essenseinladung locker den gesamten Tisch unterhielt. Sie war eine Karrierefrau, kinderlos, ohne feste Beziehung – so wie ich auch einmal durchs Leben gerauscht war. Eigentlich war ich ein bisschen neidisch.

Nun sollte sie also eine ganze Woche mit meinem Freund und 6 weiteren Bekannten im selben Hotel, am selben Strand und in den selben Bars verbringen. Ich fühlte, wie sich mir die Brust zuschnürte.

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In den ersten Tagen seines Urlaubs arbeitete ich viel, ging abends auch mal mit Kollegen was trinken und fiel danach todmüde ins Bett. Wir telefonierten täglich und es schien keinen Anlass zur Beunruhigung zu geben. Am vierten Tag allerdings erzählte er mir beiläufig, dass er eine Motorrad-Tour nur mit Anna allein gemacht hatte. Das gab mir einen Stich.

Abends im Bett ging mein Kopfkino an: Anna schmiegt sich eng an Paul beim Motorradfahren; die beiden in einer verträumten kleinen Strandkneipe, lachend und flirtend, eine verschwiegene Bucht, zwei nackte Körper in den Wellen…? Am liebsten wäre ich in die nächste Maschine nach Hurghada gestiegen und hätte persönlich nach dem Rechten geschaut. Ich fühlte mich elend weit weg, hilflos und allein. Mir wurde klar, dass ich nichts machen konnte. Paul mitten in der Nacht anzurufen – dafür war ich mir zum Glück dann doch zu stolz.

Ganz da unten, an der tiefsten Stelle in meinem Sumpf, erkannte ich plötzlich, dass all die Gedanken und Gefühle, die in mir tobten, rein gar nichts mit Liebe zu tun hatten. Was da vorging, war etwas ganz Anderes. Und ich begann, das Chaos in meinem Inneren aufzudröseln:

Da war ein starkes Gefühl von Angst. Nicht so sehr die Angst, meinen geliebten Partner an eine andere Frau zu verlieren. Wenn ich schonungslos ehrlich zu mir selbst war, dann war es hauptsächlich die Angst, keinen Einfluss mehr auf ihn zu haben, die Kontrolle zu verlieren, und dann vielleicht doch irgendwann verlassen zu werden.

Dann war da auch eine große Portion Neid. Dass er sich seine Freiheiten erlauben konnte, dass er auch mit anderen Frauen locker umgehen konnte, ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben (hätte ich eine Motorrad-Tour mit einem Freund gemacht, und hätte auch noch Spaß dabei gehabt – ich hätte garantiert ein schlechtes Gewissen mit nachhause gebracht!) Dass er viele Dinge nicht so eng sah. Und trotzdem mit seinem Herzen bei mir blieb.

Weiters gab es einen nicht zu unterschätzenden Anteil „Drama“. Ich kann schon eine ziemliche Drama-Queen sein. Mich in Bilder und Vorstellungen hineinsteigern und Monster sehen, wo gar keine sind. Mich stundenlang mit „was wäre wenn“ quälen. Und manchmal ertappe ich mich sogar, dass ich eine gewisse Lust dabei empfinde, mich so zu quälen. Opfer zu spielen. Mir die furchtbarsten Horror-Szenarien auszumalen. Den Schrecken und die Panik so richtig auszukosten.

Nachdem ich meinen Gefühlszustand auf diese Weise analysiert hatte, kam ich auf folgende Lösungsstrategien:

Weiteratmen. Angst macht eng und kurzatmig. Als ich anfing, wieder bewusst und tief in den Bauch zu atmen, fiel es mir auch wieder leichter, klar zu denken.

Loslassen und vertrauen. Ich machte mir klar, dass er mit MIR zusammen sein wollte und diese Beziehung auch nicht leichtfertig aufs Spiel setzen würde. Und dass er sowieso nur freiwillig bei mir sein konnte. Kontrolle und Festhalten wollen sind Illusionen.

Mich offenbaren. Am nächsten Tag rief ich Paul an und sagte ihm ganz ehrlich: „Ich bin verunsichert. Ich kann Anna nicht einschätzen. Ich weiß nicht, was sie will. Ich kann nur darauf vertrauen, dass Du dich auf keine Spielchen einlässt, selbst wenn sie welche spielen sollte.“ Das war ein sehr wichtiger Schritt. Dadurch, dass ich ihm keine Vorwürfe machte, konnte er mich verstehen und auf meine Ängste eingehen.

„Was würde die Liebe tun?“ Diese Frage habe ich einmal irgendwo gelesen und ich finde, dass sie ein gutes Werkzeug für viele Lebenssituationen ist. Die Liebe würde wollen, dass es ihm gut geht, mit mir und ohne mich. Dass er Spaß hat, sich entspannt und gut gelaunt wiederkommt. Die Liebe zu mir selbst würde wollen, dass ich ihn ebenso gut gelaunt wieder in die Arme schließen kann.

Um das zu können, war dieser letzte Punkt wichtig: mir etwas gönnen. Auch ich wollte mich wieder lebendig fühlen, Spaß haben, genießen. Nicht nur arbeiten. Also verabredete ich mich am Abend vor Pauls Rückkehr mit einer Freundin zum Tanzen. Und tanzte auch mit verschiedenen Männern, entspannt und absichtslos. Es tat mir gut. Und ich hatte kein schlechtes Gewissen.

Und wie war es Paul mit Anna ergangen? Als er endlich wieder in meinen Armen lag, gestand er mir, dass sie ihm mit ihrer Omnipräsenz und vereinnahmenden Art schon am zweiten Tag gehörig auf die Nerven gegangen war… Die Motorrad Tour hatte sich ergeben, weil sie einfach als einzige dieses Hobby teilten. Und sie war selbst gefahren! Von wegen an seinen Rücken geschmiegt… Da musste ich dann doch herzlich über die Fantasien meiner inneren Dämonen lachen!

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Philodavid

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