Ich sitze hier und will was über den Klimawandel schreiben. Ich will einen tollen Text produzieren. Über Zerstörung, Konsumfetischismus, Katastrophen und dergleichen. Die meisten, die mich kennen, erwarten bestimmt auch etwas über Tierleid oder zumindest eine Predigt, warum ich es beschissen finde, dass nie über Tierprodukte gesprochen wird, wenn es um den Klimawandel geht. Eigentlich müsste ich eine packende Rede über Artensterben, CO2-Ausstoß und Konsum halten. Dass wir unsere Erde zerstören und aufwachen sollten. Ich sollte mein Projekt „nicht zu fliegen“ fortsetzen und nur mehr zu Fuß, mit dem Rad oder Zug reisen. Eigentlich müsste ich allen vorleben, wie es richtig geht um dann mit dem Finger auf die zu zeigen, die unsere Erde kaputt machen. Weil ich hab so viel darüber gelesen, so viel gesehen. Aber ich kann nicht. Ich hab Angst. Ich sehe das, was vor mir steht und spalte es von meinem täglichen Leben ab. Ich fliege manchmal in den Urlaub und dann hab ich auch noch richtig viel Spaß! Und ich vergesse meine Rolle als Klimaschlumpf.Aber dann stehe ich vor dem Spiegel und die anderen Schlümpfe in meinem Kopf schimpfen mit mir und sagen, ich müsste ein besseres Vorbild sein. Ich blicke sie traurig an und fühle mich machtlos. Machtlos gegenüber den Konzernen und den Pelzträgern, den Schweinshaxenliebhaberinnen und Vielfliegerbonussammelnden. Auf der einen Seite sehe und höre ich das Leid, auf der anderen Seite geht alles weiter wie bisher. Und ich versuche das schlechte Gewissen auszublenden, weil ich im Grunde weiß, dass es mich fertig macht. Aber es bohrt sich in meinen Kopf und dringt langsam zu meinem Herzen vor. Es frisst es auf. Was, du kaufst keine Bio-Produkte? Was, du kaufst bei H&M? Du weißt aber schon, dass du dich damit schuldig machst?! Du bist Konsumentin und du musst dich jeden Tag neu entscheiden, auf welcher Seite der Macht du stehst! Gut oder böse? Du musst dich nun entscheiden, liebe Kundin. So ähnlich peitschen die Stimmen in meinem Kopf mich so oft, dass ich nicht mehr weiß, ob ich einfach alles hinschmeißen soll. Hat die katholische Sozialisierung wohl doch Spuren hinterlassen? Mir ist klar, dass niemand dem genügen kann, was diese tausend „eigentlich müsste ich“-Parolen von einem verlangen. Es geht nur darum, ein schlechtes Gewissen zu HABEN, damit ich mich geißle, beichte und anschließend weitermache. Aber es gibt keinen Planeten B, keinen Himmel, keine Erlösung von der Klimaschuld.Am Boden der Tatsachen überlegte ich mir, ob es nicht besser wäre, so zu sein wie die anderen. Ich meine die, die sich keine Gedanken darüber machen. Einfach mitschwimmen und noch ein großes Stück des Kuchens schnappen, solange es noch Kuchen gibt! Jedenfalls scheinen die Menschen glücklicher, die die Probleme dieser Welt für was Außerirdisches halten. Etwas, das ganz weit weg ist und auf keinen Fall etwas mit mir zu tun haben kann. Klar, das kann ich auch, dachte ich. Nach mir die Sintflut! Verdrängung ist doch so leicht! Und wenn es mal schwerer geht, gibt es unzählige, süße Mittel um trotzdem einzuschlafen, trotzdem aufzuwachen, trotzdem weiterzumachen. Doch der Geschmack in meinem Mund war nicht süß in dieser Seifenblasenwelt. Er war eklig. Wie nach dem kotzen. Und es wurde immer schwerer, mir selbst im Spiegel zu begegnen.Und dann habe ich dich kennengelernt. Du sagtest, es ging dir mal genauso. Su sagtest, du schaust dir die ganzen Katastrophenberichte gar nicht mehr an, weil du die nicht mehr brauchst um zu wissen, wie ungerecht die Welt manchmal ist. Du warst viele Jahre älter als ich und hattest das gleiche durchgemacht. Auch du hattest Gallengeschmack im Mund. Irgendwann hattest du erkannt, dass der erhobene Zeigefinger dir im Hals stecken geblieben war und der Grund für deine Übelkeit war. Und du hast begonnen, wieder zu leben, zu lachen, die Energie floss. Nicht deine Taten hast du geändert. Du wolltest weiterhin Vorbild sein, aber nicht für SelbstmörderInnen. Sondern für Menschen, die das Leben lieben. Und deshalb unsere Erde schützen wollen. Du hast deinen Zeigefinger wieder entspannt und mit den anderen Fingern versöhnt. Und der Selbstzerstörung und dem schlechten Gewissen einen anderen deiner Finger gezeigt, der eher in der Mitte deiner Handfläche zu Hause war. Du sagtest sowas wie: „Wenn du die Umwelt schützen willst und die Tiere retten, dann erkenne, dass du selbst ein Tier bist. Du selbst bist Teil deiner Umwelt. Sei freundlich und gütig zu dir. Behandle dich selbst so, wie du deine Umwelt behandeln möchtest“. Ich sah das Leuchten in deinen Augen. Ich sah die Lust und Energie, die du hattest und die ich bei einer Aktivistin deines Kalibers nicht erwartet hätet. Jede Krise ist auch eine Chance, heute weiß ich das. Und wenn meine Schlümpfe wieder auftauchen, empfange ich sie mit offenen Armen und lache sie an. Gemeinsam mit mir hörten dreißig andere deine Worte und lächelten sich gegenseitig an. Ich dachte: Wir gehören zusammen, ich bin nicht allein. Könnte das mein neues Mantra sein?

Beim Schreiben begleitet mich diese Erfahrung. Es ist wichtig, Ermutigung zu erfahren. Manchmal kann es nämlich passieren, dass man alleine in einem Strudel der Selbstkritik gefangen ist, der keine Kraft zum Schreiben lässt. Bei mir sind es oft Gedanken wie: „Das bringt doch nichts. Tu lieber was sinnvolles. Niemand will das lesen“. Für eine gute Schreiblehre braucht es aber eben nicht nur Mut, sondern auch Ermutigung. Synonyme von ermutigen sind u.a. anspornen, unterstützen, anfeuern, begünstigen und befördern. Und das kann ich nur begrenzt alleine. Natürlich, ich kann mir sagen: „Es muss doch nichts bringen. Und wenn es niemand lesen will, dann ist das auch ok“. Selbstermutigungsprozesse sind essentiell. Dennoch ist es etwas anderes, wenn ich mit positiver Kritik von anderen konfrontiert bin. Begünstigen und befördern, anfeuern, anspornen und unterstützen sind Dinge, die am besten zwischenmenschlich funktionieren. Räume, in denen sich Menschen gegenseitig die Augen öffnen, ehrlich und wertschätzend zueinander sind können die Basis für einen positiven Zugang zum Schreiben und letztendlich zu sich selbst sein. Schreiben ist eine Offenbarung der eigenen Phantasie. Nicht alle Menschen wollen schreiben. Aber die, die Lust daran haben, sollten diese auch ausleben dürfen. Und sie sollten nicht auf ihre Fehler hingewiesen werden, sondern auf die Stärken des Texts. Denn Fehler finden wir alle genug. Einmal war ich bei einem Theaterworkshop, wo wir fünf Minuten lang nette Dinge über uns erzählen sollten. Es ist schockierend, wie wenig den meisten einfällt. T.C. Boyle ist das beste Beispiel dafür. Ein „Popstar der Belletristik“ der sagt, ohne die Ermutigung und Förderung einiger seiner Lehrenden, hätte er nie entdeckt, „zumindest eine Sache gut zu können: Schreiben“. Daher ist es wichtig, eine Kultur der Ermutigung zu fördern, beim Schreiben und auch bei jeder Art von Aktivismus, die per se immer ein Kämpfen gegen Windmühlen zu sein scheint, so lange, bis er nicht mehr nötig ist. Die eigene Phantasie fließen zu lassen sollte Spaß machen und befriedigend sein. JedeR sollte lachen oder auch weinen können über das, was er/sie schreibt oder tut. Aber kein Verlegenheitslachen, weil einem die eigenen Fehler peinlich sind. Keine verzweifelten Tränen, weil der Text nicht perfekt zu sein scheint. Emotionen, die ermutigen, weiterzumachen. Echte Emotionen von einem respektvollen Gegenüber, das ermutigt weiter zu gehen, über sich hinauszuwachsen. Das ist der Nährboden für Glück. Seit ich das begriffen habe, nehme ich meinen Weltschmerz und alles was dazugehört als Geschenk an. Ein Geschenk, das mich antreibt und mir hilft, über mich hinauszuwachsen. Und das mich motiviert, Texte wie diesen zu schreiben und zu teilen.

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Johanna Vedral

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Nadine Mittempergher

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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