Sie waren vier Frauen und sie waren schon relativ alt, doch was ist schon alt? Sie waren nicht zu alt um das Leben zu genießen, ja vielleicht sollte man sogar sagen sie waren endlich so alt, zu erkennen, dass man Prioritäten setzen muss.
Als sie endlich alle vier verwitwet waren und ich sage bewusst endlich, obwohl sie gute Männer hatten, hatten sie die Freiheit alle Dinge zu tun, ohne dass der jeweilige Mann seine Befindlichkeiten gestört sah. Bei Nachkriegsfrauen die am Land lebten, war und ist es völlig normal das Leben ein wenig dem Ehemann unterzuordnen. Nachsichtig waren sie, die Frauen. Sie hatten schnell verstanden, dass die Männer die im Krieg waren, nicht mehr als dieselben zurückkehrten. Unleidig waren sie manchmal und cholerisch und dann wieder sentimental und auch unberechbar. Heute gibt es für diese Symptome einen Namen und ein Behandlungskonzept. Diese Frauen waren sicherlich die bessere Medizin.
Kartenspielen kann süchtig machen. Zumindest ein klein wenig. Dieses Vergnügen teilten die vier Frauen also. Viererschnapsen heißt das Spiel. Jede Woche trafen sie sich bei einer der Vieren zuhause. Am Anfang war die Logistik eine Einfache. Peppi hatte ein Auto und einen Führerschein. Keine Selbstverständlichkeit. Sie sammelte die Damen ein und fuhr nach der Sitzung alle wieder heim. Lustig hatten sie es immer. Das Leben hatte sie gelehrt, dass alles leichter läuft wenn man lachen kann. Mit Sicherheit kann man sagen, dass bei jeder einzelnen zwischen den Lachern manchmal auch Tränen durchsickerten. Wenn man ein Leben mit einigen Kindern und einem Mann teilt, der den Krieg von Innen gesehen hat, sind leidvolle Erfahrungen oftmals vorprogrammiert. Eigentlich sind in jedem anständigen Leben solche Erfahrungen vorprogrammiert. Entscheidend ist, was man daraus macht. Suhlt man sich im Schmerz oder klopft man sich ab und geht weiter und findet bald das Lächeln auf den Lippen wieder. Diese vier waren so klug Lachen zu lernen und sie hatten einen unerschütterlichen Glauben an das Gute. Und wie! Man spürte förmlich den Geist und den Lebenswillen durch das Zimmer fluten wenn man diese vier Golden Girls beobachtete. Neidvoll dachte ein junger Mensch, dass er auch gerne so locker genießen können würde. "Misch noch einmal" lautete die Parole, oftmals bis in die Nacht.
Die Jahre zogen ins Land und die Wehwehchen die eine Jede plagte, wuchsen sich teilweise zu ausgewachsenen Wehs aus. Keine hörte man lang jammern, jammern verdirbt die Laune. Irgendwann fuhr Peppi nicht mehr mit dem Auto. Nun mussten Schwiegertöchter und Enkelsöhne als Taxi einspringen. Kein Problem, aber irgendwie wurde den Damen immer klarer, dass die Zeit kostbarer wird, je älter man ist. In die Freude mischte sich immer öfter eine kleine Wehmut, die schnell mit dem nächsten Scherz abgetan wurde. Peppi wurde immer kränker aber sie ließ sich nicht von den wöchentlichen Treffen abhalten.
Man weiß nie wann es das letzte Mal ist. Das weiß man immer erst nachher. Diese Gewissheit ist verstörend, wenn etwas Schlimmes erwartet wird. Einmal, letzten September, wollte Peppi gar nicht aufhören. Misch noch einmal Mitzi, sagte sie immer wieder. Ungern ging die Gruppe auseinander, wie ein Gummiband das immer wieder zuzieht.
Seit Oktober sind sie nur noch zu dritt. Sie wissen, dass dort wo Geist und Freude ist, das Leben zuhause ist. Peppi fehlt.