Für einen Schweinsbraten würde ich töten

Ich esse gerne Fleisch. Beim Gedanken an einen Tafelspitz mit Semmelkren und Blaukraut könnte ich poetisch werden. Ein Rindercarpaccio war das Erste, was nach 9 Monaten Verbot nach der Geburt meiner Kinder auf dem Speisplan stand. In den letzten Tagen habe ich mir dank einiger sehr lesenswerter Beiträge hier auf Fisch und Fleisch sehr viel Gedanken zum Fleischessen gemacht. Seltsamerweise haben mich einige persönliche Gedanken mehr zum Nachdenken angeregt als eine Doku im Fernsehen. Das mit der negativen Energie die das Fleisch aufnimmt, wenn das Tier schlecht behandelt wird ist sehr logisch.

Trotzdem könnte ich auf den Genuß von Fleisch nicht verzichten. Ja, ich würde töten dafür. Nämlich das Tier selbst. Vielleicht nicht eine Kuh und auch kein Schwein. In neu-archaischen Zeiten, wenn beispielsweise unser gesamtes Versorgungssystem zusammenbrechen würde und der Biofleischer meines Vertrauens in den Krieg ziehen müsste, würde ich möglicherweise, wenn das Leben meiner Kinder und mir auf dem Spiel stehen würde, ein Huhn köpfen oder ein Kaninchen. Ich kann mir auch vorstellen Beihilfe zu leisten bei einem Schwein. Das heißt nicht, dass ich scharf darauf wäre, aber es liegt in meiner Natur als Mensch zu essen was ich brauche.

Da wo ich herkomme, vom Land, haben alle meine Vorfahren mütterlich- und väterlicherseits soweit ich zurückverfolgen kann, Bauerhöfe bewirtschaftet oder dort gedient. Dort wurde naturgemäß Fleisch gegessen und Milch getrunken - von den eigenen Tieren. Ich denke man kann die kulinarischen Vorlieben und Verträglichkeiten auch auf die genetische Schiene bringen. Manche Menschen brauchen womöglich das tierische Eiweiß mehr.

Bis Mitte der 90er Jahre waren meine Eltern Nebenerwerbsbauern. Damals hörten alle gleichzeitig auf. Mit dem Beitritt zur EU hat sich für die Kleinen die Situation so verschlechtert dass es nichts mehr brachte. In meiner Kindheit hatten wir immer ein Schwein, eine kleine Herde Schafe und Hühner, meine Oma züchtete Kaninchen. Wir mussten nur Hartkäse kaufen, alles andere hatten wir selbst. Damals träumte ich von Extrawurstsemmeln aus dem Supermarkt. Ich tauschte meine Schafskäse- und Lammwurstjausenbrote in der Schule gegen genannte. Heute träume ich oft vom Käse meiner Mutter. Keiner war so gut wie der von ihr. Oma erledigte die Hühner- und Hasenschlachtung. Für das Schwein kam mein Onkel-Fleischer. Wir Kinder durften beim Schlachten nicht zusehen. Als Jugendliche war ich mal bei einem Huhn dabei. Es war nicht schön, aber es hatte doch etwas feierliches. Es musste halt sein. Punkt.

Nun ziehen immer mehr Leute in die Stadt, die Bauernhöfe die es noch gibt werden zu Recht (die EU gibt es vor) mehr oder weniger Fließbandmäßig bewirtschaftet, wie soll man sonst überleben. Es gibt einfach zu wenig Höfe auf Mäuler die gefüttert werden müssen, aber jeder will zurück zum Ursprung und ja.natürlich essen. Es gibt sicherlich Vorzeigebetriebe in denen alles stimmt, aber meine Meinung ist, dass viele Bioprodukte - nicht nur beim Fleisch -  gepimpt sind. Ich selber fülle einmal jährlich meine Gefriereinheit mit einem halben Schwein zerlegt in Einzelteile. Dieses Schwein kommt von einem Biobauern. Die Schweinderln hüpfen aber nicht vergnügt auf einer Wiese herum, sondern in einem halb überdachten Fahrsilo. Pro Schwein sind 2,3 m² Fläche vorgesehen. Es ist dort auch nicht so sauber wie man sich das vorstellt und unsere Sau in der Kindheit hatte es gewiß schöner. Trotzdem ist es besser als in Discountern Abgepacktes zu kaufen. Meine Meinung ist aber, dass auch Gemüse, Obst und überhaupt alles was wir zu kaufen bekommen, nicht so erzeugt wird, wie wir das gerne hätten. Es ist ein Problem unserer Gesellschaft, in der nichts mehr produziert wird. Wir kaufen zu und daher müssen wir nehmen was der Markt bietet. Oder aussteigen.

Nächstes Jahr bekomme ich meinen Hühnerstall, von dem ich schon lange träume. Vielleicht hüpfen bei mir auch mal Ferkel auf der Wiese. Das töten werde ich hoffentlich jemand anderem zuschieben können. So kommt jeder mal wieder zurück zu seinem persönlichen Ursprung.

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