Das Bücherregal in einer Wohnung, die ich das erste Mal betrete, kann mich regelrecht in seinen Bann ziehen. Manchmal mache ich es eher heimlich, dass ich checke was die Person so liest, wenn ich mich aber wohlfühle und ich weiß dass mir die Freundin oder Bekannte nicht böse sind wenn ich so offensichtlich neugierig bin, kann es vorkommen, dass ich erstmal für eine Viertelstunde herumstöbere. Es interessiert mich total was andere Leute interessiert. Die besten Buchtipps und Anregungen findet man auf diesem Weg und man lernt auf diesem Weg sein Gegenüber ein Stück weit besser kennen.

Das beste Terrain zum Buch-Voyeurismus ist ein Wellnessbereich eines Hotels oder eine Therme. Als Landei fällt für mich das Öffi weg - Schade. Bei wildfremden Leuten festzustellen was sie lesen, ist ein regelrechtes Hobby (zu meiner Verteidigung - ich mach das nur wenn ich fortkomme, d. h. zweimal im Jahr) Da läuft dann in meinem Kopf ein Film, wenn ich zB. ein Paar sehe, wo er irgendeinen Simon Beckett Thriller verschlingt und sie einen romantischen Frauenroman, naja irgendwie ist das lustig und wenn die dann am Abend händchenhaltend am Nebentisch sitzen, fühlt es sich fast so an, als ob man die beiden kennt.

Letztens bei unserem jährlichen kinderfreien Paarwochenende im nahen Hotel, fiel mir zum ersten Mal auf, wie anonym unsere Zeiten doch geworden sind. Ein Drittel der Wellnessbereichbenutzer versteckte sich hinter einem schrecklich gesichtslosen schwarzen Kastl genannt E-Reader. Das andere Drittel las die in allen Zimmern aufliegende "Freundin" oder eine andere Zeitung und ein schwaches weiteres Drittel stand noch offen zu seinem Buch. Jetzt wird mir klar, warum die erotische Literatur so boomt, na klar, kann man jetzt ungestört überall konsumieren. Nix mehr mit, sag mir was du liest und ich sag dir wer du bist. Mmmh und ich sitz da und weiß nicht was ich davon halten soll.

Fad, fad, fad und total uniformiert. Weiße Bademäntel, davor ein schwarzes Kastl - was ein Außerirdischer wohl denkt wenn er das sieht? Soll ich in die Sauna gehen, mal sehen ob sich dort mehr tut?

Seufzend krame ich in meiner Tasche und fische MEIN schwarzes Kastl heraus. Was ich lese? Verrate ich nicht.