Was der Rechten fehlt

Die politische Rechte wird in Westeuropa mit Argwohn beäugt. Sie befindet sich im medialen Schmuddeleck, wenngleich ihr Einfluss - siehe Österreich - im Steigen begriffen ist. Die FPÖ eilt von Triumph zu Triumph und peilt im Bund den ersten Platz an. Der Front National ist bei der letzten EU-Wahl zur stärksten Kraft Frankreichs avanciert. Doch: kann die Rechte wirklich etwas ändern? Was fehlt ihr? Wo liegen die Chancen?

Wir leben in einer individualisierten Gesellschaft, die Freiwilligkeit und der Organisationsgrad der Bevölkerung in diversen Vereinen und Parteien sinken seit Jahrzehnten. Das bejammere ich nicht zwangsläufig und überall. Ich nehme es als gegeben hin. Darauf aufbauend müssten (meta-) politische Strömungen im weiteren Sinne ihr Konzept entwickeln. Mich stimmt Tagespolitik freudlos, sie ist trist und eigentlich vergebens. Wer glaubt, Veränderungen herbeiwählen zu können, irrt einfach. Wer glaubt - und hiermit spreche ich die aktuelle Rechte, also die FPÖ -, alte Zeiten (das meint leider auch: "alte" Tugenden) wiederzubeleben, geht fehl. Den Invididualismus, den viele auch an der Basis implizit beklagen, den kriegen die Blauen nicht weg. Aber das ist auch nicht schlimm.

Mir schwant eine "Struktur ohne Struktur", ein individueller, individualisierter Aktionsrahmen, schwer fassbar (positiv wie negativ), höchstens in lose Zusammenhänge personeller und organisatorischer Natur stehend. Ich will keine Kollektivierung mehr, weder eine Schuluniform noch beschränkte Pflichttreffen oder lächerliche Phantom-Aufmärsche wie am 1. Mai. Und ich weiß viele hinter mir, die so oder ähnlich denken. Es muss Spontaneität beinhalten und aus tiefer Überzeugung und Eigenantrieb erfolgen. Kein Kommerz, kein monetäres Interesse, mithin: keine Posten und Amterl.

Wer Burschenschaften von innen kennt, weiß, dass die Organisation starr ist, vieles ergibt sich aus der bewahrten, alten Tradition. Mediales Schmierentheater und das ziemlich peinliche DÖW hin oder her, trotz Studentenhöchstzahlen haben die Burschenschaften keinen Zulauf - und das beschäftigt sie auch. Der Grund liegt für mich in der bürgerlichen Attitüde und dem bürgerlichen, stocksteifen Selbstbild. Ehre, Freiheit, Vaterland, die burschenschaftliche Trias, wird nach wie vor in großen Ehren gehalten. Vor allem der Freiheitsbegriff hat es mir angetan, den gelte es, viel mehr und tiefer zu diskutieren - doch leider leisten die Verbindungen keine außenwirksamen Dienste. Von ihnen geht auch keinerlei revolutionäres Potential aus, die Situation ist in meinen Augen seit Jahrzehnten verfahren. Sie stellen das Personalreservoir der FPÖ dar. Und ja, da sind ehrenwerte, kluge Männer drinnen. Bürgerliche durch und durch: Ärzte und Anwälte, Steuerzahler der besten Sorte. Das ist aber gleichzeitig das Problem: Sie dürfen/sollen nicht "negativ" in der Öffentlichkeit auffallen. Das lernt man als Fux. Doch: was ist "gut" und "schlecht"? Vor allem in Anbetracht politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen, die wir erleben? In Wahrheit gehen sie, weil sie Teil des aktuellen Systems sind, mit ihm unter. Und damit auch die gesamte Parteienlandschaft. Sie ändert nichts, sie verwaltet (und färbt um).

Was die Rechte braucht, ist meines Erachtens eine Neubestellung des ideologischen, philosophischen vorpolitischen Feldes. Der "freie" Mensch (ob und inwieweit das wirklich Freiheit ist, sei einmal dahingestellt), im Prinzip also der verwöhnte Mitteleuropäer, kann sich relativ frei entwickeln. Diese Potentiale gilt es, zu heben und zu nützen. Uniformierung dagegen planiert sie. Parteijugendverbände, egal welcher Coleur, sind - nicht nur deshalb - sinnlos. Es müsste auf verschiedenen Ebenen in sprichwörtlich kreativer Weise das System von unten verändert, am besten gar neu gedacht und konzipiert werden. Und das kann höchst unterschiedlich erfolgen, eben jeder nach seiner persönlichen Fasson (dass es geteilte ideologisch-weltanschauliche Merkmale gibt, ist logisch) und Möglichkeit. Dies meint auch, in allen Bereichen des kulturellen-gesellschaftlichen Lebens einzudringen. Warum keine "rechten" Musiker, keine "rechten" Maler (ob das dann noch "rechts" heißt/ist, ist eine andere Frage)? Wohlgemerkt: keine Parteisoldaten. Keine finanziell Herangezüchteten a la Menasse oder Jelinek.

Martin Lichtmesz, Journalist u.a. bei der Sezession und Autor mehrerer Bücher ("Kann nur ein Gott uns retten?" lese ich gerade mit Spannung; siehe da, es wurde sogar in einer Mainstreamzeitung rezensiert: http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/buecher_aktuell/773129_Klagelied-ueber-Europa.html, sprach mir aus den Tiefen meiner Seele, als er bei einem von mir heute gelesenen Interview davon sprach, dass Widerspenstigkeit verschiedentlich gelebt werden kann, vor allem aber persönlich.

"Die “Neue Rechte”, wie ich sie verstehe, ist eben keine Partei, und es sind eben nicht die Volksredner und Marktschreier und Plakatekleber, die sich davon angezogen fühlen. Die “Neue Rechte” besteht aus Leuten, die einen individuellen Weg suchen, ihr Leben widerständig zu leben."

Ob die "Neue Rechte", als die sich natürlich vornehmlich die Identitären sehen, das bietet, sollte gesondert diskutiert werden. Jedenfalls sind sie besser als das bisher Dagewesene. Sie treten mitunter aber wieder in gewisse Bahnen, die nicht dem entsprechen, was ich hier skizzierte und für mich essentiell ist. Wiewohl ihr Handeln begrüßenswert ist und ich sie gut verstehe. Wir sind schließlich Teil derselben Generation und Alterklasse.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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