Claudia Gamon, gleicher Jahrgang wie ich, ist mir seit dem ÖH-Wahlkampf, als sie für die JuLis (die ja in den Junos aufgingen) antrat, ein Begriff. Unkonventionell, da sie mir in ihren Worten mehr Freigeist als typischer 0815-Parteisoldat erschien. Da schimmerte mit Elan vorgetragen Leistungsbereitschaft, Freiheit und eine Pragmatik in Sachen ÖH-(Gesellschafts-)Politik durch, die man sonst kaum vernimmt. Interessant war auch die inhaltliche Nähe zum RFS. Gut, so weit die Retrospektion.
Gamon rückte diese Woche für Reinl-Meisinger (c. Tesarek, ORF) im Parlament nach. In ihrer ersten Rede vorgestern im "Hohen Haus" sprach sie etwas eminent Wichtiges an: Die Ignoranz der Jugend in der österreichischen Volkskammer. "Wir alle wissen, dass die Jungen in der österreichischen Politik nicht nur unterrepräsentiert sind, sondern - und das tut mir persönlich besonders weh - sie haben für diese Bundesregierung schlichtweg keine Priorität". Bezeichnenderweise klatschten nur ein paar müde Hände, was Gamon offenbar erwartete - ihr entfuhr ein vielsagendes Lächeln.
Die Parlamentsstatistik (http://www.parlament.gv.at/SERV/STAT/PERSSTAT/ALTER/index.shtml) bestätigt dies eindeutig, und zwar über Jahrzehnte hinweg: Das Parlament ist und war immer schon älter als der Bevölkerungsdurchschnitt. 2015 liegt das Durchschnittsalter der Mandatare bei knapp über 50 Jahre. Dieser Wert hat sich über die Jahrzehnte kaum geändert. Laut Statistik Austria ist der Durchschnittsösterreicher 42 Jahre alt (soweit ich weiß, sind hier Migrationshintergründe inbegriffen, die den Schnitt durchaus drücken). Einen Quell der Jugendlichkeit stelle ich mir anders vor. Warum spricht man in den Medien und auch im Hohen Haus selbst immer wieder von Frauenquoten, aber nicht von Jugendquoten? (ich bin generell gegen Quoten, ich meine nur)
Mit Leuten wie Gamon sind zwar in den letzten Jahren einige wenige Junge nachgerückt, dennoch sprach sie mir in ihrer Antrittsrede aus dem Herzen: Wo sind sie, die 18 bis 30-Jährigen dieses Landes? ÖVP und SPÖ sind regiert von Alten (ich respektiere alte Menschen sehr, sie haben viel für mein Land getan), ihnen fehlt der Blick für das aktuelle Hier und Jetzt, aber auch die damit verbundene Zukunft. Wie sieht es aus mit meiner zu erwartenden 500 Euro Volkspension? Wie sieht es aus mit dem Nachwuchs? Wo sind sie, die Berechnungen über die Existenz unserer Gesellschaft in, sagen wir, 50-100 Jahren?
Ich fühle mich seit Jahren weder in den unzähligen Medien des Landes noch in der Politik vertreten, von einer Priorität ganz zu schweigen. Wird über Jugend gesprochen, geht es zumeist um Integration und Zuwanderung. Einhörner wie ich, ein Menscherl "ohne Migrationshintergrund", sind vielleicht gar keine. Es soll noch mehrere meiner Art in meiner Heimat geben. Wo kommen wir vor? Und hier würde ich Gamon mit Sicherheit widersprechen (bzw. sie mir): Die Internationalität der Neos ist es, die mich hindert, sie zu wählen. Die Partei spricht immer wieder richtige Themen mutig an. In den Lösungen gehe ich jedoch häufig nicht konform. Den Mensch als Individuum zu akzeptieren und zu verstehen, daran liegt auch mir viel. Jedoch sehe ich mich tief eingewoben in meine angestammte Kultur, in mein Volk und meine Heimat - das ist für mich Romantik pur. Nicht in einer stocksteifen, krampfhaften Attitüde, sondern mit dem Hang zur persönlichen, "freigeistigen" Entfaltung. Kollektivismen stehe ich argwöhnisch gegenüber.
Öfters frage ich mich, ob sich hier einmal etwas ändern wird, zumindest im österreichischen Parlament. Die Themenlage ist eher trist, schon alleine, wenn man an die Budgetdebatten dieser Woche denkt.
Nichtsdestoweniger: Ist eine gemeinsame Arbeit an dieser (an der, es gibt nur die eine) Zukunft unseres Landes über Parteigrenzen möglich?