In letzter Zeit bekommen wir Balkankenner durchaus gute Nachrichten aus unterschiedlichen EU-Ländern, in denen überdurchschnittlich viele Zuwanderinnen und Zuwanderer aus Südosteuropa leben. Immer mehr balkanstämmige Personen bekleiden dort hohe politische Ämter. In Schweden hat der bosnischstämmige Jasenko Selimović den Posten des Staatssekretärs für Integration innegehabt. Kürzlich wurde seine Landesgenossin Aida Hadžialić als jüngste Ministerin in der neuen schwedischen Regierung angelobt. Der im kroatischen Koprivnica geborene Josip Juratović ist seit fast zehn Jahren Bundestagsabgeordneter in Deutschland. Gestern kam eine weitere Nachricht: Die aus Bosnien-Herzegowina stammende britische Baronin und konservative Politikerin Arminka Helić zieht ins House of Lords, das Oberhaus des britischen Parlaments, ein.
Dies sind lauter Beispiele, die jede Anerkennung und Lob verdienen. Zuwanderer aus Ex-Jugoslawien, einige von ihnen ehemalige Flüchtlinge aus dem Bosnienkrieg, haben es in ihren neuen Heimatländern auch politisch geschafft! Für mich als bosnischstämmigen Österreicher und jemanden, der die politische Szene in Österreich und die Partizipation von ex-jugoslawischen Zuwanderern in diesem Land intensiv verfolgt, werfen diese Ernennungen aus anderen EU-Ländern nur eine Frage auf: Warum ist so etwas in Österreich nicht möglich? Oft habe ich hochrangigen österreichischen Politikern dieselbe Frage gestellt: Die Antworten waren fast immer gleich: Es fehle am politischen Nachwuchs, die Parteistrukturen seien ja immer noch sehr starr. Nach einigen Jahren der intensiven Integrationsdiskussion in Österreich haben wir im Nationalrat vier Zuwanderinnen und Zuwanderer – jedoch keinen aus der zahlenstärksten Balkancommunity.
Nun darf man aber lautstark sagen: Ausreden dürfte es keine mehr geben. Die politischen Parteien in diesem Land können und sollen nicht mehr behaupten, dass es am politischen Nachwuchs aus den Migrantenreihen mangelt. Junge und politisch engagierte Zuwanderer aus Ex-Jugoslawien in Österreich dürfen aber auch nicht mehr der österreichischen Gesellschaft und dem teilweise verkrusteten politischen System alle Schuld in die Schuhe schieben. Beide Seiten müssen endlich kapieren, dass der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in den österreichischen politischen Strukturen unbedingt steigen muss. Nur in Wien haben wir mittlerweile 49 % der Bewohner, die Migrationshintergrund aufweisen! Solange diese Mitbürgerinnen und Mitbürger im politischen Leben nicht ausreichend repräsentiert sind, werden alle Botschaften über eine gelungene Integration und die Bedeutung des Zusammenlebens nicht besonders glaubwürdig klingen. Nicht zuletzt wegen des heutigen SPÖ-Bundesparteitags: Wir benötigen dringend Zuwanderer, deren Stimmen man in der einheimischen Politik hört!