Eine wunderbare männliche Eigenschaft ist unser Optimismus. Wir trauen uns Dinge zu, die so offensichtlich ausserhalb unserer Fähigkeiten liegen, dass vernünftige Menschen – wie z.B. unsere Ehefrauen - gar nicht auf die Idee kommen würden, dass wir sie versuchen könnten. Gleichzeitig muss man aber auch anerkennen, dass es ohne diesen naiven Optimismus die Konzepte "Ehe" und "Kinder" in  der Praxis gar nicht geben würde. Bei objektiver Betrachtung dieser gesellschaftlichen Ideen und deren Konsequenzen würde sich doch kein Mann darauf einlassen. In diesem Fall also, ist dann die völlige Fehlein- und Überschätzung der eigenen Fähigkeiten durch den Mann an sich, etwas Positives und daran sollten Frauen immer denken, wenn sie mit den Konsequenzen unserer Fehleinschätzungen in viel harmloseren Situation konfrontiert sind.

Zum Beispiel, als meine Frau völlig unvorsichtig zu mir sagt: »Wir müssen die große Birke vor dem Haus umschneiden lassen. Die ist morsch und eine Gefahr bei Wind und Schnee. Die Versicheurung hat gesagt wir müssen sie wegmachen.«

Kurze Erklärung: Wir haben ein kleines Wochenendhaus auf dem Land, ca. 2. Stunden von Wien, direkt auf einer Alm. Rundherum nichts außer Grün und ein paar hundert Meter von uns weg ein Bauer. Als meine Frau sagt „wir“ müssen die Birke fällen, meint sie natürlich den Bauern.

Aber als sie es sagt, melden sich in mir sofort die steinzeitlichen Männergene. Sie brüllen mir ins Ohr: »Motorsäge, Motorsäge, Motorsäge!!!« In meiner Vorstellnung sehe ich mich schon mit einer männlich röhrender Motorsäge, Helm und Schutzbrille. Meine Männergene brüllen weiter: »Du bist ein Mann. Du brauchst keinen Bauern. Du kannst doch wohl einen nicht mal sieben Meter hohen Baum umschneiden.«

Ja, so funktionieren wir eben. Zugegeben. Ich öffne den Kühlschrank, und zwar einen der bis oben hin mit Schinken, Würsten, Obst, Aufstrichen und Gemüse gefüllt ist, mit den Worten: »Haben wir irgendwas zum Essen?« Aber das ist was anderes.

Auch die Tatsache, dass meine Frau mit mir seit Jahren „betreutes Wäscheaufhängen“ betreibt, weil ich das angeblich nicht „richtig“ mache, ist was anderes. Das ist alles nicht männlich. Einen Baum umsägen, das ist männlich.

Und ich bekomme meine Chance.

Es ist Sommer, der Baum muss weg. Meine Frau hat keine Zeit, denn sie muss auf eine Geschäftsreise und schickt mich mit meinem Sohn Severin aufs Land. Ich soll mit dem Bauern sprechen, wann er den Baum fällen könnte? Ha, genau! Wer braucht einen Bauern?

Ein echter Kerl wie ich muss zuerst in den Baumarkt, um das richtige Werkzeug zu besorgen. Ich packe meinen Sohn ein und wir steigen ins Auto. Ab nach Pöchlarn und rein ins Handwerksparadies.

Nach ein paar Stunden im Baumarkt entdecke ich nahe einer Futterstelle endlich ein frei-lebendes Mitarbieter-Exemplar:

»Entschuldigung, arbeiten sie hier?«, frage ich.

»Kaum.«

»Ich meine, ob sie Mitarbeiter dieses Baumarkts sind?«

»Kommt drauf an.«

»Egal, können sie mir viellecht helfen?«

»Das glaube ich nicht.«

So leicht wird man mich nicht los. Ich schneide ihm alle Fluchtwege ab, greife mir eine Axt aus dem Regal neben mir, nehme die Pose von Jack Nicholson ein und sage langsam: »Ich brauche eine Motorsäge.«

Das überzeugt ihn. Er führt mich zu einem Regal mit dutzenden Motorsägemodellen. Ich will es ja nicht übertreiben und verzichte auf eine Säge mit Benzinmotor und zeige auf ein Modell mit Stromantrieb. Es muss ja nicht gleich ein 200 PS-Monster sein. Für so eine kleine Birke.

»Die hätt’ ich gern.«

»Da muss ich mal schauen ob wir noch eine haben.«, bekomme ich als Antwort

Bitte? Wirklich? Aber da liegt sie doch?

Und dann passiert immer das Gleiche in diesen Baumärkten: Der Typ geht durch den langen Gang, haut am Ende des Ganges auf den Knopf für die große Plastiktür. Die fährt hoch, er geht durch, die Tür fährt runter.

Die ganze Zeit stehe ich vor der Kettensäge und mache: »Mmmhhmmm, dadadada.«

Der Baumarktmitarbeiter steht hinter der großen Plastiktür und macht: »Mmmhhmmm, dadadada.«

Nach angemessener Zeit kommt er wieder raus. Zu mir. Er steht vor mir und sagt: »Leider, die haben wir nicht mehr. Aber wir können sie für sie bestellen. Dann ist sie in zwei Wochen da.«

»Na dann nehme ich doch einfach die, die da liegt," sage ich. »Die ist ja jetzt da.«

»Das geht nicht. Das ist ein Ausstellungsstück.«

»Wozu liegt sie dann da, wenn man sie nicht kaufen kann?«

»Die liegt da, damit die Kunden sehen können, dass wir sie haben.«

»Aber ihr habt sie doch nicht.«

»Na ja, äh... Mmmhhmmm, dadadada.«, argumentiert Mr. Baumarkt.

Ich schaue ihn an und sage: »Irgendwie habt ihr das Prinzip eines Baumarkts nicht verstanden. Ein Baumarkt stellt Dinge aus damit sie gekauft werden können. Wenn die ausgestellten Dinge nicht gekauft werden können, dann ist das hier kein Baumarkt. Dann ist das ein Museum.«

Das hat die Synapsen des Mitarbeiters überlastet. Er verdreht die Augen, schnappt nach Luft und flüchtet durch die große Plastiktür mit dem roten Knopf an der Seite.

Ich habe dann ein anderes Modell gefunden, auch mit Stromkabel.

Mit der Motorsäge im Kofferraum und meinem Sohn am Beifahrersitz geht es ab zum Haus.

Kaum bin ich da fühle ich mich auch schon wie der Beherrscher der Natur. Ich, Homo Sapiens, werde jetzt zeigen, warum wir die herrschende Spezies sind. Wir mögen zwar kleiner und schwächer als eine hohe Birke sein, aber wir haben die Motorsäge. Kabeltrommel raus, das Stromkabel der Motorsäge angesteckt, Helm- und Schutzbrille auf, Sicherheitsabdeckung runter und los.

Das Adrenalin beginnt zu fließen. Jetzt bin ich männlich, ich bin stolz, ich bin in diesem Moment der Familienleitwolf, der Klanchef, der der Natur einen Schlag versetzen wird. Ich bin Conan der Barbar mit meinem magisch geformten Schwert. Mit einem grazilen und athletischen Schwung teste ich wie die Kettensäge in der Hand liegt. Oh Mann, die Säge röhrt los. Mit einem grandiosen »IIiiiiiiiihhhh!!« durchtrenne ich mit der Säge sofort das Stromkabel.

Ich schwöre, dass ich die Birke lachen höre. Oder ist es mein Sohn, der gerade das Video via SmartPhone auf Facebook ladet? Aber so schnell gebe ich nicht auf.

Fortsetzung folgt...

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