Zugegeben, mein erster Versuch die alte, morsche Birke vor dem Haus umzulegen, ist erbärmlich schief gegangen (Mehr Informationen dazu gibt es hier). Ein wahrer Mann lässt sich von kleinen Rückschlägen aber keinesfalls beirren. Vor allem wenn es darum geht, einer widerspenstigen Flora seine zivilisierte Überlegenheit zu beweisen. Die Motorsäge mit dem durchtrennten Stromkabel entsorge ich ganz hinten in der Garage. Unter all den Sachen die erst dann wieder auftauchen werden, wenn ein paar Archäologen in ein paar Tausend Jahren unser Haus wieder ausgraben. Natürlich lasse ich das Kabel nicht reparieren. Diese Blöße gebe ich mir nicht, dass ich irgendeinem „Experten“ erklären muss wie das Kabel durchtrennt wurde? Nein, ich hole mir gleich eine neue Säge. Und diesmal eine richtige Motorsäge. Eine, die noch viel lauter ist, die raucht und stinkt und die man mit leicht entflammbaren Treibstoff befüllen muss. Ich bin fest entschlossen.

Mein Bub und ich fahren natürlich nicht zum gleichen Baumarkt, bei dem ich die erste Kettensäge mit dem Stromkabel gekauft habe. Das wäre wirklich zu peinlich. Diesmal fahre ich nach Waidhofen an der Ybss. Inzwischen bin ich ja ein erfahrener Motorsägen-Einkäufer und weiß was ich will. Schnell habe ich mich im Baumarkt orientiert und steuere auch ohne „Hilfe“ eines Mitarbeiters auf das richtige Regal zu. Selbstsicher und voller Elan greife ich mir eine benzinbetriebene Motorsäge aus dem Regal. Natürlich eine verpackte und kein Ausstellungsstück (siehe den erste Teil dieser Geschichte).

Mit einem lässigen: „Motorsägen mit Stromkabel sind doch was für Warmduscher!“, knalle ich das Ding männlich, handwerklich überzeugend auf das Laufband an der Kasse. Die Kassiererin gibt sich höflich beeindruckt und antwortet: „Da haben sie recht. Sie glauben mir nie, wie viele Möchtegern-Holzfäller aus der Stadt bei kabelgebundenen Motorsägen das Kabel gleich einmal durchschneiden!“

Ich drehe mich zu meinem Sohn: »Severin, lösch sofort das Scheißvideo wieder aus Facebook und YouTube.«

Die neue Säge ist einfach nur geil. Keine 30 Minuten später stehe ich mit laufender Säge vor dem Haus und der Birke. Auf dem Weg habe ich noch Benzin besorgt, damit ich für alle möglichen Holzfäller-Abenteuer gewappnet bin. Endlich richtiger Klang: »Rennnnnn….ennnn….nnnnnn.«

Fachmännisch und überlegt beginne ich den Baum umzusägen. Immerhin habe ich in den letzten Jahrzehnten genug Folgen von „Hör mal wer da hämmert“ gesehen, um mit den technischen Abläufen komplexer Handwerks- und Gartenarbeiten vertraut zu sein. Ich erkläre meinem Sohn wie man einen Baum richtig umsägt. Was dabei zu beachten ist und wann der Baum in welche Richtung umfallen wird.

Ich lasse die Motorsäge noch einmal aufröhren, setze sie am Baum an und fühle ein wenig Stolz. Der sich sofort in Panik wandelt.

Die Säge wird irgendwie in den Baum gezogen. Ich versuche tolpatschig dagegenzuhalten. Dabei werde ich von der Kraft der Säge einmal quasi um den Baum herumgezogen. Ich reiße wie verrückt an der Säge. Völlig unmotiviert gibt der Baum die Säge frei. Die plötzlich freigwordenen Zentrifugalkräfte bewirken, dass ich die Säge in einer Bewegung durch die Luft schwinge — ungefähr so wie ein Hammerwerfer bei den olympischen Spielen. Vielleicht nicht ganz so grazil.

Die eigenwillige Säge rutscht mir aus der Hand und fliegt in einem eleganten Bogen mit beeindruckendem Luftstand in Richtung Haus, wo sie die Glasveranda durchschlägt und mit einem eleganten Telemark über den Parkettboden unseres Hobyraums schlittert. Nicht ohne beeindruckende Spuren im Holzboden zu hinterlassen.

»Oh mein Gott, das ist jetzt nicht wirklich passiert!«, schießt es mir durch den Kopf. Vorsichtig bewege ich mich in Richtung Verandatür und Hobbyraum. »Vielleicht ist es ja nicht so schlimm wie es aussieht?«

An den Baum denke ich gar nicht mehr. Also, bis zu dem Moment, in dem ich so ein verdächtiges Knacken höre. Ganz ehrlich, warum ich wirklich geglaubt habe zu wissen, wie und in welche Richtung der Baum fallen würde, kann ich heute nicht erklären. Auf jeden Fall hatte es sich der Baum gut überlegt. Nach dem Motto: »Dafür wirst du bezahlen, du Zwerg.«

Der Baum kracht plötzlich um - mit „plötzlich“ meine ich, dass er laut meiner fachmännischen Berechnungen noch nicht fallen hätte dürfen - und erlegt im Umfallen rund drei Meter Gartenzaun, den rechten Außenspiegel und erhebliche Lackbestände des rechten Kotflügels des — von SIXT gemieteten — Mini-Country, den ich offenichtlich nicht so intelligent vor dem Haus geparkt habe.

In einer Art finalem dramatischen Zucken prallt die Birke vom Beton der Einfahrt noch einmal hoch und knallt dann auf den Telefonmast vor dem Haus. Der wiederum auch gleich aus Holzsolidarität umfällt und sich mit der Präzision einer lasergesteuerten US-Lenkwaffe in unser Garagendach bohrt.

Mein Sohn reagiert vorhersehbar: „Voll geil, Alter!“ und drückt „Uploaden“ auf seinem iPhone. Ha, Pech gehabt. Nachdem ich den Telefonmast gefällt habe, hat der kleine Drecksack wenigstens keinen schnellen Internetzugang mehr.

Aber auch ich stehe vor einem Problem. Wie bekomme ich den Telefonmast aus dem Garagendach?

Ich bin ein Mann. Wir haben immer einen Trumpf im Ärmel. Was würde meine Frau machen? Wozu nachdenken? Ich rufe sie an. Sie ist auch auf Dienstreisen erreichbar.

»Hallo Schatz, wie geht’s? Steht Berlin noch?… Alles gut hier… Nein, den Bauern habe ich noch nicht gesehen. Ja, wegen dem Baum rede ich noch mit ihm… Du, kannst du mir, also besser gesagt dem Christian, helfen? (Anm.: der Christian ist mein bester Freund) Du glaubst nicht was dem passiert ist. Bei ihm in Podersdorf war so ein Wind, dass ein Telefonmast auf seine Garage gefallen ist… Wirklich… Echt… Der hat jetzt mich, also ausgerechnet mich, gefragt, wen er da holen soll um den Mast aus der Garage zu bekommen?… Am Wochenende… Was?… Ich auf YouTube… Nein, das kann nicht sein. Echt nicht.«

Ich drehe mich vom Telefon weg und brülle: »Severin!!«

Zurück zu meiner Frau: »Schatz, vergiß’ jetzt einmal YouTube. Wen soll ich, äh Christian, holen?… Die freiwillige Feuerwehr. Na klar. Super Schatz. Mache ich. Bussi. Ich liebe dich auch.«

Die ist dann auch gekommen. Die freiwillige Feuerwehr von Göstling an der Ybbs.

Die waren noch nicht einmal aus ihrem blöden Feuerwehrauto ausgestiegen, da haben sie schon mit ihren SmartPhones gefilmt. Der Typ kommt grinsend auf mich zu: »Oh je, oh je, oh je. Na, was ist denn hier passiert?«

Ich denke mir: »Du blöder Sack. Das weißt du doch ganz genau.« Er denkt sich: »Hat wieder ein Depp aus der Stadt mit einer Motorsäge gespielt.«

Ich schaue ihn herausfordernd an. Ich muss mich nicht verstecken. Ich stehe zu dem, was ich mache. Es ist Zeit die Verantwortung zu übernehmen, so wie das schon die größten Helden der Geschichte gemacht haben. Mit fester Stimme sage ich: »… … Ähh… Mhh… Also, meine Frau… schauen sie, was die angerichtet hat.«

Er schaut mich an. »Wirklich? Weil wir haben gerade ihre Frau am Telefon gehabt.«

Er hält mir sein SmartPhone hin. Zu sehen ist ein YouTube-Video mit dem Titel: »Motorsägen-Dad killt Gartenzaun, Leihwagen, Internet und Garage mit einem Baum!«

Ich nehme die Motorsäge. »Wrennnn…..ennnnn…..ennnnne.«

Ich zische: »Severin, Severin komm mal kurz her. Borg mir dein Handy.«

4
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

fishfan

fishfan bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

Kristallfrau

Kristallfrau bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

15 Kommentare

Mehr von NikoFormanek