Warum schwangere Männer fett werden — Heute: Hilflosigkeit, 1. Teil

Ich bin in meiner ersten Schwangerschaft fett geworden. Ja, auch als Mann. Ich habe schon damals immer gesagt: »Meine Frau und ich sind schwanger.« Es hat mein Leben verändert. Es ist eine dramatische Geschichte, die mich auch als Mann und Mensch verändert hat. Ich habe lange mit mir getrunken, um den Mut zu haben, diese Geschichte der Hilflosigkeit, der Wut und der Angst zu erzählen.

Aber am Ende habe ich eine, für einen Mann ungeheuer schwere Entscheidung getroffen, also den Martini statt dem Wodka-Orange die Ehre gegeben, um mit einem schockierenden und wachrüttelnden Seelenstriptease anderen Männern ein Vorbild und Warnung zu sein. Warnhinweis: Was jetzt folgt ist nichts für schwache Nerven. Und natürlich ist eine seichte Melange aus männlichen Klischees, die natürlich genau deswegen Klischees sind, weil sie so wahr sind.

Ich habe, als ich zum ersten mal schwanger war, aus Frustration zu fressen begonnen. Die erste Stufe des seelischen Abstiegs und des gewichtigen Anstiegs war eine tiefe Hilflosigkeit der neuen Situation gegenüber. Einer Situation, die jedes Gespräch mit meiner hoch emotionalisierten Frau zu einem Mienenfeld werden ließen. Fettnäpfchen, so groß wie der legendäre Mondkrater „Meer der Stille“ warten auf Männer (wenn sie auch nur so still wären), die das Wunder „Schwangerschaft“ durchleben dürfen. Leider ohne Mission Control, um bei einer Kollision verzweifelt mit »Houston wir haben eine Problem!« um Hilfe rufen zu können.

»Warum willst du nicht mit mir schlafen?«, verhört mich meine hochschwangere Frau. »Bin ich dir so nicht attraktiv genug?«

Ha, ich kann dieses „so“ einordnen. Ich kenn’ mich aus. Ich spüre die Gefahr, die von diesem „so“ ausgeht. Ich darf nicht in die Falle tappen.

»Nein, wie kommst du auf diese absurde Idee?,« stammle ich, während ich bewundernd auf den Basketball starre, den meine Frau offenbar völlig intakt verschluckt hat. »Ich finde dich sexy wie eh und je. Und die offensichtliche Nähe zu einer professionellen Ballsportart macht dich nur noch aufregender.«

Zugegeben, der letzte Satz war nicht optimal.

»Ach hör doch auf. Sei doch mal ehrlich. Warum könnt ihr Männer nie einfach ehrlich sein?«

Weil wir noch ein wenig länger leben wollen, denke ich. Würde ich nie laut sagen. Und überhaupt ist der Vorwurf in dem Moment einfach nicht gerecht. Es ist wirklich nicht so wie sie glaubt. Das Aussehen hat nichts damit zu tun.

»Das ist es nicht. Allein deine neue Oberweite bringt mich in erotische Verzückung. Wirklich.«, versuche ich überzeugend zu wirken.

»Ah geh. Was könnte es dann sein, Mr. Erotik?«, gibt meine Frau nicht auf.

»Willst du wirklich die Wahrheit?«

»Ja, sag es einfach. Ich halte das aus.«

Ich bin schwerstens verunsichert. Alle meine männlichen Ehe-Instinkte haben höchste Alarmstufe ausgerufen. Historisch gesehen sind in auffallend vielen Ehen nach unachtsam ausgesprochen Wahrheiten die meisten Todesurteile gefällt worden. Jeder kennt die Klischees:

Bin ich zu dick?

Sehe ich in dem Kleid sexy aus?

Was denkst du gerade?

Alles Fragen, die Männer unweigerlich in die Sümpfe der tödlichen Argumentationswälder ziehen. Soll ich jetzt also ehrlich sein? Es hat wirklich nichts mit dem Klischee der „etwas stärker gewordenen Weiblichkeit“ zu tun.

Ich habe ein ganz anderes Problem. Es lässt mich hilflos stottern und hält mich von spontanen Erotikabenteuern mit meiner inzwischen hochschwangeren Frau ab. Aber was soll’s. Es gibt im Leben Situationen in denen Mann Mut beweisen muss. Wenn sie die Wahrheit unbedingt hören will, dann sage ich sie ihr halt.

»Ehrlich gesagt, habe ich mir unseren ersten Dreier so nicht vorgestellt.«

Autsch. Tja, so klingt das, wenn ein Mann seine Gedanken ohne Filter einfach raushaut. Sie wollte es ja. Klar, auch meine Frau war im ersten Moment so sprachlos wie jetzt Eure innere Lesestimme. Eine Art Schreckstille, mit der sie diese niederschmetternde Offenbarung männlicher Hirnlosigkeit quittiert.

Wie krank ist dieser Mann? Tja, und das ist das Problem. Schwangerschaft ist für uns Männer — trotz aller Literatur, Seminare und gut gemeinter Hilfe — eine Mysterium. Ein Mysterium, das uns zutiefst verunsichert und mit unseren einfachem Synapsenaufbau und Weltbild nicht verstehbar ist. Und bevor ihr mich jetzt, so wie meine Frau damals, im ersten Moment verurteilt, mit Häme überzieht oder gar verachtet, möchte ich es euch, so wie meiner Frau damals, erklären.

Wir Männer sind grundsätzlich paranoid. Vor allem wenn es um Sex geht. Und wir kennen ja die Kinder von Freunden und Verwandten, unsere Nichten und Neffen, etc. und wissen, wie brutal Kinder in ihren Urteilen und Beurteilungen sein können. Wenn ich jetzt mit meiner hochschwangeren Frau den Akt vollziehe, kann ich in meinem männlich-paranoiden Hirn das werdende Kind schon hören.

»Mein Gott. Jetzt kommt der schon wieder…..Na geh, schau wie ung’schickt sich der bewegt…der ist wirklich kein Ricky Martin…das ist doch ein mega Fail, du Opfer!…Wie hat der mich je zusammengebracht?….Geh bitte, wie des jetzt alles wieder wackelt hier drinnen….Na Gott sei Dank bin ich ang’schnallt.«

Ich will mein Kind nicht traumatisierten. Ich will auch nicht schon jetzt belächelt und als „peinlich“ eingestuft werden. Dazu haben die Kids doch dann in der Pubertät lang genug Zeit. Diese paranoide Angst ist der Grund, warum ich bei der Erotik mit meiner schwangeren Frau so zurückhaltend bin. So blöd das auch für Euch klingen mag.

Das Gespräch mit meiner Frau hat mich damals so aufgewühlt, dass ich gleich eine Burenwurst mit Semmel, Pfefferoni und scharfen Senf gebraucht hab. Ja, auch um 0:30 Uhr noch. Ja, und das war nicht gut für meine Figur. Aber so handelt Mann wenn Mann frustriert ist.

Und ein schwangerer Mann stolpert von einem Frust-Moment zu nächsten. Egal wie sehr er versucht sich vorzubereiten und mitzudenken.

Meine hochschwangere Frau und ich sitzen bei der Frauenärztin. Klar, ich bin dabei. Ich bin ein moderner werdender Vater. Ich habe mir auch vorher Gedanken gemacht und möchte dies auch zeigen. Selbstsicher stelle ich meine vorbereitete Frage.

»Frau Doktor, wenn ich mich jetzt meiner hochschwangeren Frau erotisch annähere, könnte es nicht sein, dass ich — aufgrund meiner doch recht beeindruckenden Männlichkeit — das werdende Kind beschädige?«

Auch die Ärztin und meine Frau haben so reagiert. So wie Du jetzt.

Nachdem ich mich von dem unerwarteten Comedy-Erfolg meiner Frage erholt habe, tröste ich mich diesmal in der Nacht mit einem Whopper mit Käse-Menü, Pommes und Zwiebelringen. Wieder zwei Kilo zugenommen.

Aber am Ende kann ich mit dem Lachen der beiden Damen dann doch leben. Denn die Pointe kommt zum Schluss. Und sie gibt mir schlussendlich recht. Inzwischen habe ich aus Erfahrung gelernt, dass diese meine Frage nicht so unberechtigt und lächerlich war, wie der Heiterkeitsausbruch meiner Gattin und der Fr. Doktor vermuten lassen. Leider nicht weil sich auf wundersame Weise herausgestellt hätte, dass ich doch über eine überaus beindruckende und überdurchschnittlich Männlichkeit verfüge.

Aber, wer selbst Kinder hat wird mir jetzt etwas bestätigen müssen: Fast alle Kinder, wenn sie zur Welt kommen, haben direkt nach der Geburt da oben am Kopf so eine Delle. Stimmt doch, oder?

»Keine Sorge Herr Formanek. Das ist ganz normal. Das ist die sogenannten Fontanelle.«, sagt der Arzt.

»Nein Herr Doktor,« sage ich überlegen und selbstsicher. »Das ist die Schnackseldelle.«

Der Spruch und der Blick des Arztes waren fast so befriedigend wie eine Käsegriller mit Scherzl und scharfen Pfefferoni. Auch wenn ich ihn erst nach der Geburt anbringen konnte.

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