Kommentar/Meinung

"Jeder Mensch ist ein Künstler!" - diese Aussage von Joseph Beuys erweist sich im Alltag oft als formidables Eigentor. Dann nämlich, wenn dieses respektvolle Postulat vor den Fähigkeiten jedes Menschen, sein Leben und seinen Beruf zu gestalten, auf beinharte "Alleskönner" trifft. Die drehen Meister Beuys dann das Wort im Mund herum. "Des kunnt i a" (das könnte ich auch) ist ihr Lieblingsspruch. Oft gefolgt von einem lapidaren "... oba i hob koa Zeit dafir" (aber ich habe keine Zeit dafür). Egal ob es sich um ein avantgardistisches Gemälde, das die Lebens- und Schaffens-Essenz eines Meisters/einer Meisterin repräsentiert handelt oder um eine genial reduzierte Installation oder Performance eines neuen "jungen Wilden". Die "Röhrender Hirsch"- und "Bastel“-Fraktion" lässt grüßen.

Wenn dann in Galerien noch ein vier-, fünf- oder noch mehrstelliger Betrag darunter steht ist die Empörung am größten. Nun ist wohl klar, dass der Marktwert eines Kunstwerkes längst nicht mehr "normalen" Gesetzen folgt. Manche Künstler/innen werden gehypt und gepusht und ihre Werke werden als "Wertanlage" vermarktet. Kapitalismus eben. Sehr wenige haben dieses (oft zweifelhafte) "Glück". Den anderen bleibt, die (typisch kleinbürgerliche?) Erwartungshaltung zu erfüllen, hart zu arbeiten, mutig an ihrem Weg festzuhalten und ... von der Hand in den Mund zu leben. Und: ... sich auf das zweifelhafte Erfolgserlebnis zu freuen, NACH Lebzeiten vielleicht einmal berühmt zu werden. "Der arme Poet" von Carl Spitzweg als Blaupause für den Respekt, den wir Künstler/innen entgegenbringen? Neoliberales BIEDERMEIER ... HEUTE, im Jahr 2015?

Ist es fair, wenn (reales! Beispiel) ein Bildhauer für ein zig-Millionenprojekt eine tonnenschwere Steinskulptur als Brunnen entwirft, diese dann für drei Monate harter Arbeit inklusive aller Zusatzkosten für einen mittleren fünfstelligen Betrag anbietet (bei einem Materialwert der ebenfalls schon im niedrigen fünfstelligen Bereich liegt) und sich dann anhören muss, dass diese Preisvorstellung "bei Weitem" die Vorstellung der Bauherren übersteigt?

Sollen Künstler von der "Ehre" allein leben, für solche Projekte arbeiten zu "dürfen"? Majestäten lassen gnädigst grüßen? Ist "Kunst" nur noch soviel wert, wie viel reiche Leute dafür zahlen wollen - bzw. was deren "Stil"- oder Anlageberater ihnen empfehlen zu "investieren"? Leonardo (nein! Nicht "di Caprio", sondern "da Vinci"!) würde sich im Grabe umdrehen (oder ein besonders perfides Folterinstrument für diese "Zeitgenossen" aus dem Handgelenk zeichnen ...).

Hat "man" sich schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn jegliche Kunst aus dem Alltag verschwinden würde, einfach nicht mehr da wäre? Keine Gemälde, keine Skulpturen, keine Musik, kein Design, keine Gedichte, keine Romane, keine Filme ... Nein, nicht nur die "großen", "bekannten", sondern auch die "kleinen" Pointen und Anekdoten, mit denen die "unbekannten“ KünstlerInnen buntes, manchmal "verrücktes", überraschendes LEBEN in den grauen Alltag bringen. Und uns damit zum Lächeln, Fühlen oder (um Himmels Willen!) zum Innenhalten und Nachdenken bringen ....  Wieviel ist uns Kunst wert? Ideell, emotional, materiell? Wollen wir wirklich nur noch „Röhrende Hirsche“? Dann wahrscheinlich bald wieder am Steinzeitlagerfeuer.  Wäre das die vollkommene (verkommene?) "künstlerische Freiheit".

© Klaus Heinz Dörre 2015. Alle Rechte vorbehalten. Verwendung

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Andy McQueen

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fischundfleisch

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