Versuch einer (Selbst?)Kritik
Die Erfolge rechtspopulistischer Parteien machen viele betroffen, manche wütend. Gerade bei letzteren etabliert sich gegenüber den WählerInnen dieser Parteien eine Haltung, die alles andere als positiv und produktiv ist. Was sollen Äußerungen wie zum Beispiel: "Sind die doof! Können nicht einmal selber richtig Deutsch schreiben, verlangen aber von Ausländern, dass diese perfekt Deutsch beherrschen ..."?
Was bewirken solche – und drastischere – Bemerkungen denn außer, dass die Adressaten noch wütender werden, noch verbissener zusammenhalten, noch fanatischer werden und sich noch mehr unter den "Schutzwall" und die trügerische "Solidarität" ideologischer, populistischer und extremistischer "Wagenburgen" begeben?
Egal, wie intellektuell „brillant“ solche Kritik an den Anhängern und Wählern dieser Parteien und "Bewegungen" formuliert sein mag: Oft drängt sich der Verdacht auf, dass es sicher eher um (ängstliche?) intellektuelle Selbstversicherung, ja Selbstbefriedigung, handelt, als um das ernsthafte Bemühen mit anderen ins Gespräch zu kommen, ernsthaft zu diskutieren, wirklich etwas zu bewirken. Und mit der Haltung "wir sind besser, wir wissen es besser" gewinnt man/frau keine Freunde, geschweige denn dass man/frau jemand zum selber Nachdenken bringt oder gar überzeugt.
Das ist zynisch und hochmütig. Mit solch arroganter Attitüde besteht oft wenig Unterschied zur der Haltung der Drahtzieher, die hinter der Propaganda populistischer und extremistischer "Bewegungen" stecken. Mir fehlt – egal wie drastisch sich zum Beispiel "rechte" Fans äußern mögen, und egal wie menschenfeindlich sie dabei sein mögen – der Grundrespekt gegenüber diesen Menschen. Gerade diesen gegenüber muss er Basis für jede Argumentation, für jede Auseinandersetzung sein. Auch und gerade, wenn man/frau selbst „unter der Gürtellinie“ angegriffen wird.
Wer etwas nicht weiß, ist deshalb nicht "doof". Wer die Rechtschreibung nicht beherrscht, dessen Meinung ist deshalb noch lange nicht weniger wert, nicht weniger zu respektieren. In solchen Fällen hatte man/frau oft vielleicht einfach nicht das Privileg, eine umfassende Bildung zu genießen, z.B. um sich "gewählter" auszudrücken, "eleganter" zu formulieren. Und allein die Tatsache, dass Bildung immer noch das Privileg Angehöriger so genannter „höherer Schichten“ ist (was für eine unzeitgemäße, entlarvende Phrase!), sollte zu denken geben. Hier sollte man/frau ansetzen ...
Allgemeinwissen ist Allgemeingut
Wer etwas nicht weiß, ist deshalb nicht "dumm". Ihm/ihr fehlen einfach Informationen, zu denen er/sie bisher vielleicht keinen Zugang hatte oder haben konnte. Also: runter mit den Emotionen, runter von "hohen Ross" und nüchtern und sachlich Informationen weiter geben, Wissen teilen. Am besten so objektiv wie möglich, so umfassend, klar und unparteiisch wie möglich. Allgemeinwissen ist Allgemeingut (wie schön wäre es, wenn dies für Geld auch gelten würde!), der freie Zugang dazu ist Menschenrecht. Auf Allgemeingut haben also alle Anspruch.
Kein Grund also für die, die mehr Allgemeinwissen haben, sich herablassend und überlegen zu fühlen. Teilen und mit-teilen ist die Devise und die Verpflichtung. Die einzige Hoffnung, die man/frau sich dabei erlauben kann ist, dass dies anderen hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden. Mehr darf man/frau nicht erwarten ...!
Was "man" allerdings erwarten darf, fordern muss, von denen die "mehr wissen" – oder meinen "mehr" zu wissen – ist: Sachlichkeit, Nüchternheit, Empathie, Solidarität und ... Bescheidenheit! Und Entschiedenheit gegenüber der Ignoranz – dem Nicht-Wissen-Wollen, dem Gegensatz zur „Dummheit“ – dem Nicht-Wissen-Können.
Was es meiner Meinung nach zu bekämpfen gilt, sind: Ignoranz, Zynismus und Manipulation. Also die Haltungen, die – wider besseres Wissen – Unwahrheiten verbreiten oder wichtige Informationen bewusst verschweigen. Arbeit (!) gegen die Propaganda, die Menschen, die über weniger Wissen verfügen, emotional manipuliert, nur um Macht zu gewinnen – um ganz andere Ziele zu erreichen, als sie vorgibt. Gegen Propaganda, die das Nichtwissen oder die Existenzängste von Menschen ausnutzt. Dieser Manipulation gilt es entgegen zu treten. In aller Nüchternheit, in aller Klarheit und Entschiedenheit, mit allem Wissen – egal zu welcher "Partei" oder "Bewegung" die Manipulierer gehören.
P.S.: Intelligenz hat nichts damit zu tun, über wieviel "Wissen" man/frau verfügt. Anders ausgedrückt: Auch der "gelehrteste" Professor kann – mit Verlaub – furzdumm sein ... Intelligenz ist u.a. die Fähigkeit sich Wissen anzueignen, es zu verknüpfen, sich daraus eine eigene Meinung zu bilden und damit sein/ihr eigenes Leben selbst-bewusst, selbstständig und unabhängig zu gestalten. Die Chance sich das Wissen anzueignen um die eigenen Fähigkeiten, die ureigene Intelligenz, voll ausschöpfen zu können muss für alle uneingeschränkt, kostenlos und unabhängig von der Herkunft zur Verfügung stehen.
Der Autor stammt aus einer Arbeiterfamilie in Deutschland. Die Eltern waren Flüchtlinge aus dem Sudetenland (Tschechien) und der (frühen) DDR. Ohne die harte Arbeit seiner Eltern, Eigenleistung und eine (damals Willy-Brandt-sozialdemokratische) Bildungsoffensive in Deutschland hätte er nie die Chance gehabt ein Gymnasium zu besuchen oder gar ein Studium abzuschließen. Er lebt seit 24 Jahren in Tirol.
© Klaus Heinz Dörre 2015.