2012 in Tokyo: beim alljährlichen Treffen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds stand die europäische Schuldenkrise und der Euro als Risiko im Mittelpunkt. EZB-Mitglieder saßen am Podium. Verteidigten die Eurozone, sprachen von der Rettung Griechenlands bei dementsprechend rigidem Sparkurs. Und vorallem: trennt Staaten und Banken!
Als einsamen Rufer in der Wüste erlebte ich damals Klaus Schwab vom Weltwirtschaftsforum: wie bereits die Jahre zuvor warnte er davor, dass sich die Finanzkrise zu einer sozialen Krise verändern könnte (!). Diese würde dann in Folge zu einer politische Krise. Mit dem Ergebnis Populismus und Radikalismus.
2016, 4 Jahre später, in Washington DC: wieder beim IWF- und Weltbanktreffen. Diesmal fanden die meisten Panels des IWF in der neugestalteten Lobby desselben statt. Beeindruckend wie steril und sauber zugleich. Thema diesmal: die Soziale Krise. Das Ungleichgewicht zwischen Reich und Arm.
Digitalisierung: Wirtschaftswachstum plus Arbeitsplätze
Niemand sprach mehr vom Sparkurs („Austerity“). Selbst der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, einer der härtesten Verhandler bei der Schuldenkrise Griechenlands, forderte nicht mehr den Abbau der griechischen Schulden. Schäuble sprach vom Aufbau einer Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands (in Wahrheit die gleiche Forderung, anders formuliert).
„Growth“, „Structural reforms“, „Jobs“ schwirrten als Stichwörter durch die Gegend. „Ja, wir befinden uns in einer Phase des leichten Wirtschaftswachstums“, konstatierte IWF-Chefin Christine Lagarde. „Nur schlägt sich dieser noch nicht in Arbeitsplätzen nieder“.
Das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft und in die Politik müsse wieder hergestellt werden, tönte es von den diversen Panels. Das Zauberwort heisst Digitalisierung und soziales Unternehmertum. Davon profitiert momentan vorallem der afrikanische Kontinent, der beides in einigen Ländern wie Tansania und Kenia vorbildlich (selbst für Europa) vereint. Indien und China laufen Europa beim Thema Innovation bereits jetzt schon den Rang ab.
Das war auch offensichtlich bei der Besetzung der Panels: kein einziger offizieller EU-Vertreter war hier zu sehen, dafür immer wieder Deutschland, das 2017 die G20 Präsidentschaft übernimmt (und beim digitalen Breitbandausbau auch tlw hinter afrikanischen Regionen liegt).
Neue Gesprächspartner
Neue Erkenntnis beim diesjährigen Treffen: die Kooperationspartner für eine nachhaltig globales Wirtschaftswachstum und Frieden sind nicht mehr nur die Staatschefs und Vertreter von internationalen Institutionen. Alibaba, ALFA, Facebook und Apple etc. werden mittlerweile als Partner auf Augenhöhe betrachtet, um gemeinsam zu den oben genannten Zielen zu kommen. Das gilt bei Themen wie dem Bedingungslosen Grundeinkommen (Tenor: warum sollen nicht Facebook& Co ihre Gewinne teilweise in Form dieses Gemeinwohlgedankens in die Gesellschaft zurückspielen). Aber auch bei der politischen Verantwortung. Stichwort: Shitstorm, Hass im Netz.
Radikalisierung
Die politische Weltlage hat sich in den letzten 4 Jahren – wie es Klaus Schwab vorausgesagt hatte – stark popularisiert und radikalisiert. In Europa beherrscht ein starkes Antisystemdenken in weiten Teilen der Bevölkerung. Und das sowohl Links als auch Rechts (Syriza, Front National, AfD, FPÖ– um nur einige zu nennen). Gleichzeitig wird aber auch der nationale, protektionistische Gedanke wieder populärer und dieser auch durch europäische Regierungen durchaus gelebt.
In den USA ist der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf ein antisystemischer und vorallem von einem tiefen Misstrauen in die „Eliten“ geprägt.
Das politische Risiko macht den Verantwortlichen der globalisierten Welt das grösste Kopfzerbrechen. Es sind nicht mehr die Schwellenländer, die politische Instabilität bringen, jedoch durch den Export des politischen Gedankenguts aus gefestigten „westlichen“ Demokratien bis dato stabilisiert wurden. Die Herkunftsländer dieses hohen Exportgutes, also die USA oder auch die EU, drohen ihr Qualitätssiegel zu verlieren. Und damit eine Gefahr für die globalen Errungenschaften seit 1945 – trotz immer wiederkehrender Rückschläge – zu werden: nämlich für Frieden, Wohlstand, Wachstum und Fortschritt. Wir Europäer sollten dazu beitragen, dass es auch in Zukunft so sein wird. Politisches Risiko mit der Europäischen Union zu verbinden, sollten wir uns nicht bieten lassen.
Ich schliesse mit Jean Jacques Rousseau:
Der moralische Zustand eines Volkes ergibt sich weniger aus dem absoluten Zustand seiner Mitglieder als aus ihren Beziehungen untereinander.