Ich habe in meinen letzten Bloggeschichten die Einsatzgebiete und Wirkung von Geschichten beschrieben. In dieser Bloggeschichte möchte ich das Herz jeder Geschichte beleuchten: den Helden. Seine Entwicklung ist wie das Salz im Essen: ohne schmeckt alles fad. Wer der Held Ihrer Geschichte ist, bestimmen Sie. Doch egal, wen Sie wählen: bestimmte Voraussetzungen muss jeder Held erfüllen. Mit diesen Tipps »tunen« Sie Ihre Erzählungen.

1. Niemand wird als Held geboren

2. Helden brauchen ordentliche Hürden

3. Helden kämpfen selten alleine

4. Schwarz braucht weiß

5. Zögern ist menschlich

6. Der größte Sieg: sich selbst besiegen

1. Niemand wird als Held geboren

Als die US-Amerikanerin Aimee Mullins zur Welt kam, rief der Arzt nicht entzückt: »Oh, ich durfte Aimee Mullins auf die Welt bringen.« Im Gegenteil. Er hatte die grauenvolle Aufgabe, ihre Eltern auf das schwere Leben ihrer Tochter vorzubereiten. »Sie kam ohne Wadenbeine zur Welt. Wegen dieser Fehlbildung konnten ihre Beine das Körpergewicht nicht tragen, sodass ihr bereits im Säuglingsalter beide Unterschenkel unterhalb der Knie amputiert wurden. Deswegen war sie seit dem Kindesalter auf Prothesen angewiesen.« (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Aimee_Mullins, 14.09.2015)

Doch von ihrer Geburt an strafte Aimee Mullins diesen Arzt konsequent einen Lügner. Sie wurde erfolgreiche Leichtathletin, ist heute Schauspielerin und Model. Doch wer weiß, was aus ihr geworden wäre, wenn sie nicht von Geburt an so hart für ihren Erfolg hätte kämpfen müssen? Erfolgreiche Menschen unterscheiden sich von weniger Erfolgreichen, indem sie früh lernen, Niederlagen einzustecken. Wie zur Erinnerung steckt Superman im Körper eines schusseligen Reporters. Lediglich wenn es um Leben und Tod geht, wird Clark Kent zum Superman. Genauso ist es, wenn wir vor einem Problem stehen. Erzählen Sie Ihrem Publikum von Ihren Ecken und Kanten.

2. Helden brauchen ordentliche Hürden

In jedem von uns steckt ein Held. Doch dieser Held wird meist erst geweckt, wenn wir Hürden überwinden müssen. Denn am liebsten würden wir unser gewohntes Leben beibehalten. Das ist menschlich. Neues schreckt uns ab, weil unser Gehirn so programmiert ist. Für Routine braucht es weniger Energie. Und da unser Gehirn den höchsten Energieaufwand im Körper hat, ist die Haushaltung mit dieser Energie entscheidend fürs Überleben. Die Kraft zur Veränderung ist am stärksten, wenn der Druck/Schmerz am höchsten ist. Um uns aus unserem Alltag zu bewegen, brauchen wir eine Hürde, die unsere Superkräfte weckt. Es sind keine Märchen, dass Menschen Autos aufheben, um Verletzte darunter hervorzuholen. Es sind Erzählungen von Menschen, die über sich hinaus gewachsen sind (siehe http://www.occultcenter.com/2008/02/mother_lifts_car_to_save_child/ oder http://abcnews.go.com/US/superhero-woman-lifts-car-off-dad/story?id=16907591). Doch meistens sind die Herausforderungen des Lebens weniger aufregend als in Romanen und Filmen. Im Film »Das Streben nach Glück« durchlebt Will Smith eine Abfolge von Missgeschicken. Ein einziges Problem kann uns zwingen, ums Eck zu denken. Wünsche, vermeintliche Charakterschwächen, plötzliche Verantwortung kann einen Held aus uns machen. Welche Hürden haben den Menschen geformt, der Sie heute sind? Das interessiert Ihr Publikum!

3. Helden kämpfen selten alleine

Helden brauchen Helfer. Sei es nur in Form eines Misserfolges, der die »Jetzt-erst-Recht«-Einstellung weckt. Denn Helden werden nicht geboren - außer in Romanen. Doch selbst Romanfiguren sind mit Unzulänglichkeiten, Zweifeln und Charakterschwächen ausgestattet. Das macht sie menschlich, identifizierbar als Vorbilder. Wenn sie Fehler haben, steigert das den Wert des späteren Erfolges. Außerdem kann sich das Publikum mit ihnen identifizieren. Auch der größte Held zögert, schreckt vor einer übermächtigen Aufgabe zurück. Der Helfer an seiner Seite gibt ihm einen Hinweis, motiviert, regt zum Nachdenken an, bestärkt ihn. Was hat Ihnen geholfen, aus Ihrer gewohnten Umgebung auszubrechen? Was war der entscheidende Hinweis? Ihre innere Stimme, ein Buch, ein Gespräch mit einem Freund, der Bedarf eines Kunden? Die Provozierung eines Konkurrenten?

4. Schwarz braucht weiß

Der Held in spe bricht auf. Mutig lässt er die gewohnte Welt hinter sich, sein Ziel im Visier. Er hat sich entschieden. Spätestens jetzt betritt der Antagonist die Bühne. In Form von finsteren Mächten oder Naturgewalten. Verhaltensmuster, Sucht oder alte Ängste können den Suchenden herausfordern. Feinde können das Böse darstellen oder einfach nur den Gegenpol bilden. In jedem Fall stellen sie die Kräfte des zukünftigen Helden auf die Probe. Wir haben Schachcomputer erfunden, um einen virtuellen Gegner zu haben. Druck erzeugt Gegendruck. Dem Abenteurer wird, im Gegensatz zum Antihelden, allerdings nie böse Absicht unterstellt. Das Publikum versteht ihn. Die kleinen Prüfungen am Weg zum Ziel meistert der Suchende bravurös. Wer oder was hat Sie herausgefordert? Erzählen Sie davon. Beschreiben Sie Ihre Gefühle. Lassen Sie Ihr Publikum mitzittern.

5. Zögern ist menschlich

Doch kurz vor dem endgültigen Sieg überfallen den Abenteurer Zweifel. Soll er, soll er nicht? Kann er, kann er nicht? Er möchte sich drücken, das alte, gewohnte und »komfortable« Leben wieder aufnehmen. Babies müssen sich mit dem Krabbeln auch erstmals von Mama weg trauen. Dieses »Trauen« fordert uns immer wieder. Der Suchende muss an seine Fähigkeiten und Instinkte glauben, dem Leben trauen. Denn er gibt sein Leben für dieses Ziel, stellt etwas Höheres über sein persönliches Wohlbefinden. An diesem Punkt bestärkt ihn oft noch einmal ein Helfer. Er kann auch abstrakt in Form einer Erinnerung auftreten. Wie oft stehen wir in unserem Leben an diesem Punkt? Müssen uns entscheiden, Brücken hinter uns zum Einstürzen bringen. Beschreiben Sie eine Wahl, die Sie treffen mussten. Dann fühlt das Publikum, wie schwierig die Situation war.

6. Der größte Sieg: sich selbst besiegen*

Und was tut der zukünftige Held? Er zieht es durch. Er überschreitet alle Hürden, innere wie äußere. Er wandelt sich vom Suchenden zum Helden. Wird vom Außenseiter zum Führer der Gruppe. Mit dem Sieg im finalen Konflikt überwindet er jede Grenze. In Märchen bekommt der Prinz die Prinzessin. In Science-Fiction Romanen rettet der Held die Welt. Im Berufsleben findet er die Lösung für ein (Kunden-)Problem. Doch vor allem bringt ihm der Sieg die Entfesselung seiner Ängste. Er durchbricht alte Muster. Was war Ihr größter Lohn für die Überwindung einer Angst? Lassen Sie Ihr Publikum teilhaben. Es wird nicht neidisch sein. Es wird Sie feiern!

*Zitat von Pedro Calderón, ein spanischer Dramatiker, geb. 17.01.1600

Das sind die wesentlichen Stationen in der Entwicklung zum Helden. Wenn sie beleuchtet werden, wirken Geschichten. Denn auch unser Publikum durchläuft in seinem Leben immer wieder ähnliche Situationen. Wir bieten ihm mit unseren Geschichten einen Helden, mit dem es sich identifizieren kann. Sie sehen im Helden ein Vorbild, einen Kämpfer für ihre Werte. Er überbrückt Widerstände gegenüber Neuem. Durch das Verständnis des Publikums für die Entwicklung des Helden werden seine Entscheidungen nicht hinterfragt. Fehler werden ihm verziehen. Seine Wirklichkeit wird zur Wahrheit für das Publikum.

Haben Sie beim Lesen der Bloggeschichte einige Parallelen zu Ihrem Leben entdeckt? Gut. Denn sie helfen Ihnen, spannende und authentische Geschichten zu erzählen. Vielleicht möchten Sie auch die ein oder andere »Heldenreise« Ihres Lebens teilen? Ich freue mich über jedes Signal.

Alles Liebe sendet

Nina Karner

Danke für das Foto @SplitShire - man with light umbrella

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

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