Die Finanz- und Bankenwelt ist ziemlich kompliziert. Für Outsider. Doch mit einem Film hat Hollywood jetzt gezeigt, dass Storytelling auch komplexe Zusammenhänge für Laien wie mich verständlich erklären kann. Dort sind schließlich die Profis des Storytellings. Dabei tauschen wir Erfahrungen seit zirka 90.000 - 40.000 Jahren mit Geschichten aus. Denn erst seit 5.116 Jahren können wir schreiben. Bis dahin konnten wir mindestens 35.000 Jahre lang - teilweise überlebenswichtige - Informationen nur wörtlich weitergeben. Deshalb haben wir unterschiedliche Techniken erfunden, um uns wichtige Inhalte zu merken. Mit Geschichten, Gedichten oder mit Rhythmus in Liedern, wie dieser Englischlehrer zeigt. Doch laut einer Studie wissen über zwei Drittel der Marketing- und Vertriebsmitarbeiter in deutschen B2B-Unternehmen nichts über Storytelling. Schade, finde ich. Dabei kann Storytelling/Leadertelling® in vielen Bereichen des beruflichen und privaten Lebens erfolgreich eingesetzt werden. Neurologen haben mittlerweile bewiesen, dass wir uns Geschichten besser merken. Sie aktivieren mehr Gehirnregionen wie beispielsweise Fakten. Davon profitieren alle Leaderteller - Menschen, die führen und gestalten. Im beruflichen sowie im privaten Umfeld. In meiner heutigen Bloggeschichte werde ich die Wirkung von Storytelling erklären. Zum besseren Verständnis ist mir Hollywood zur Hilfe geeilt. In einen aktuellen Kinofilm über die Finanzwelt, The big short, sind einige Beispiele für erfolgreiches Storytelling versteckt.

Zur Studie

1. Geschichten geben Wissen weiter

Aus Fehlern lernt man. Alles, was wir selbst erlebt haben, speichern wir. Während wir eine gute Geschichte hören, werden die gleichen Gehirnregionen aktiviert wie beim eigenen Erleben. Die Handlung der Hauptfigur, die man beim Erleben seiner Geschichte verfolgt, wird vom Gehirn als »selbst erlebte« Erfahrung interpretiert. Was das heißt für Leader? Wir können unseren Mitmenschen eine Geschichte über unsere Erfahrungen erzählen, um sie auf den gleichen Wissensstand zu bringen oder sogar vor ähnlichen Fehlern zu bewahren. Enthält unsere Geschichte Emotionen, Erfolge und Niederlagen? Dann kann sie zur Erfahrung unserer Zuhörer werden. Ihr Gehirn speichert die Geschichte wie selbst erlebt ab. Das bedeutet: Aus Nachahmung lernt man. Aus Geschichten ebenso. Sandra Bullock erklärt in Blind side ihrem Ziehsohn, wie er das Team beschützen kann, in dem sie ihm seine Aufgabe mit einer Metapher erklärt.

2. Geschichten würzen Präsentationen

Geschichten beeinflussen die chemischen Reaktionen unseres Gehirns. Am stärksten treibt uns Empathie zur Handlung. Empathie erzeugen wir, wenn wir Zuhörern die Geschichte über einen Menschen erzählen. Seine Situation beschreiben. Mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Schwächen und Stärken. Dann können unsere Zuhörer mitfühlen. Emotionalität schüttet im Gehirn außerdem Dopamin aus. Dadurch erinnern sich Zuhörer später besser an unsere Geschichte. Und somit bleiben auch wir in Erinnerung und animieren die Zuhörer, unserer Aufforderung zu folgen. Abgesehen davon: Eine Geschichte zu erzählen ist auch für den Redner leichter, als Fakten runter zu leiern. Im kürzlich angelaufenen Film »The big short« über die Finanzkrise 2007/08 wurden Begriffe aus der Finanzwelt anschaulich mit Geschichten erklärt. Zum Beispiel mit einem Turm aus Bauklötzchen.

3. Geschichten machen Vorstellungen persönlich

Ich vergesse oft Namen von Menschen. Aber wenn sie mir eine Geschichte über sich erzählen, kann ich mich jahrelang an sie erinnern. Oft weiß ich sogar den Ort, an dem sie mir ihre Geschichte erzählt haben. Das ist erklärbar: Eine der wichtigsten Aufgaben des Großhirns ist es, die verschiedensten Sinneseindrücke in Geschichten und Sinngestalten zusammenzubinden. Das Auge sieht etwas völlig anderes, als das Ohr hört oder die Nase riecht. Und doch erleben wir in unserem Bewusstsein etwas Ganzheitliches. Damit spart das Gehirn Energie und kann trotzdem richtig reagieren. Mit persönlichen Geschichten regen wir mehrere Gehirnregionen beim Gegenüber an und können ihm so ein kompletteres Bild von uns vermitteln. Wir unterscheiden uns von anderen. In »The big Short« wurde jeder Akteur in einem für ihn charakteristischen Zusammenhang vorgestellt, zum Beispiel Mark Baum. So waren sie für uns Zuseher leicht zu merken. Die Verknüpfung der Erzählung mit Einzelschicksalen hat die Tragik im Spielfilm zudem verschärft.

4. Geschichten nehmen Veränderungen den Schrecken

Weil ich seit einiger Zeit immer wieder Schmerzen in der rechten Schulter habe, besonders dann, wenn ich viel arbeite, habe ich mich entschieden, meine Computermaus mit der linken Hand zu bedienen. Doch immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich mit der rechten Hand über die linke Hand greife (!), um damit die Maus zu bewegen. Und das nach vielen Wochen. Unser Gehirn liebt unterbewusst gespeicherte Gewohnheiten. Auch wenn sie noch so unbequem sind. Denn Bewusstsein ist ein energetisch extrem teurer Prozess – unser Gehirn hat nur 2 % des Körpergewichtes. Es verbraucht aber, wenn es bewusst und stark denkt, 20 % der gesamten Körperenergie. Da energetische Sparsamkeit ein zentraler, evolutionsbiologischer Imperativ ist, bedeutet das für unser Gehirn: Nur denken, wenn es unbedingt notwendig ist. Lieber auf energiesparsamere, unbewusste und automatisierte Prozesse umschalten. Deshalb ist es auch schwierig, Veränderungen umzusetzen. Doch mit der Rolle des Helden kann es gelingen. Identifiziert sich der Zuhörer mit der Hauptfigur, fällt es ihm schwer, dessen Handlung zu hinterfragen. Er ist geneigt, ihn zum Vorbild zu nehmen und seine Einstellungen und Handlungen zu übernehmen. Der Zuhörer lernt anhand des Vorbilds. Die Identifikation kann so tief wirken, dass der Zuhörer die Hauptfigur als Bekannten wahrnimmt und ihm keine negative, manipulative Absicht unterstellt. (Dieses Wissen verdanke ich Hans-Georg Häusel und Petra Sammer)

In »The Big Short« freuen sich zwei jungen Helden über das gemachte Vermögen. Als Zuschauer freut man sich mit ihnen. Obwohl ihr Vermögen auf dem Schicksal vieler Menschen aufbaut.

5. Geschichten inspirieren Mitmenschen

Die Frage nach dem Warum, nach der Vision, ist der Kern jeder Geschichte. Sie ist die »Rechtfertigung«, warum/wofür/für wen sich jemand auf den Weg macht. Wir können diese Antriebskraft für mitunter gefährliche Abenteuer dann verstehen. Neurowissenschaftlich betrachtet spricht die Vision die unbewussten Emotionen an. Wir können niemanden zwingen, seine Arbeit zu lieben. Aber wir können Menschen mit Geschichten - zum Beispiel über Kunden - inspirieren, Leidenschaft für ihre Arbeit zu finden.

Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufträge zu vergeben und Arbeit zu verteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer. Antoine de Saint-Exupéry

Nach der Errichtung unseres Holzrahmen-Hauses wollte ich mir meine Wohnung ansehen. Meine Eingangstüre ist mir jedoch recht schmal erschienen. Ich habe knapp durchgepasst. Im Telefonat mit dem Architekten hat sich herausgestellt, dass das gar nicht meine Eingangstüre war, sondern lediglich der Kaminschacht. Die Eingangstüre hatten sie vergessen. Aufgrund der Bauweise konnten die Arbeiter schnell eine Türe hineinsägen. Leider an der falschen Stelle... Das wäre nicht passiert, wenn die Zimmerer die Pläne des Hauses gekannt hätten. Ich mutmaße, dass sie angenommen haben eine meiner Balkontüren wäre die Eingangstüre.

6. Geschichten be-leben Werte und Regeln

Spiegelneuronen sind unter anderem für die Einschätzung von Handlungsabläufen und Empathie zuständig. Sie spiegeln die Erlebnisse des Erzählers und helfen uns, sich in andere hineinzuversetzen, deren Gefühle und somit Geschichten zu verstehen. Damit ersparen sie uns so manche gefährliche oder schmerzhafte Lernerfahrungen. Sie sorgen dafür, dass wir auf Worte und Taten anderer reagieren, weil wir uns mit ihnen identifizieren können. Kinder lernen hauptsächlich durch Nachahmung. Mit Geschichten über Taten und Erlebnisse können wir diesen Effekt auch bei Erwachsenen nutzen.

Ein schwarzer Footballtrainer, der nach Abschaffung der Rassentrennung ein Team aus weißen und schwarzen Spielern zusammenstellen muss, darf nicht in Farben denken. Er muss alle Spieler gleich behandeln. Wie Denzel Washington in Gegen jede Regel.

Sehr viel von meinem angelesen Wissen über das komplexe Zusammenspiel des Gehirns habe ich aus den Büchern von Diplom-Psychologe Hans-Georg Häusel. Er versteht es, diese Materie sehr klar und leicht verständlich darzustellen. Danke.

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MrKummer

MrKummer bewertete diesen Eintrag 15.02.2016 11:29:45

Cossberger

Cossberger bewertete diesen Eintrag 15.02.2016 10:31:22

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