DER EIGENTLICHE SIEGER DES EKLATS IM WEISSEN HAUS IST SELENSKYI
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde Selenskyj von den Amerikanern Mitte Februar ein Papier vorgelegt, mit der Aufforderung dieses innerhalb einer Stunde zu unterschreiben. Mit der Unterschrift sollte den Amerikanern die Hälfte aller ukrainischen Rohstoffe und Energiegüter als Bezahlung für die bisher geleistete Militärhilfe übertragen werden. Das Papier enthielt weder eine Zusage weiterer Hilfen noch irgendeine Sicherheitsgarantie und hätte den Ausverkauf des Landes und die totale Abhängigkeit von den USA bedeutet.
Selenskyj als demokratisch gewählter Präsident hätte gar nicht das Recht gehabt, dieses Papier zu unterschreiben, sondern hätte dieses dem ukrainischen Parlament zur Abstimmung vorlegen müssen. Nachdem Selenskyj seine Unterschrift verweigert hatte, begann die amerikanische Regierung damit, massive Zugeständnisse an die Russen zu machen und gleichzeitig den Druck auf Selenskyj zu erhöhen. Während die Russen von den Amerikanern umgarnt wurden, wurde Selenskyj als „Diktator“ beschimpft, die weitere Unterstützung der Ukraine infrage gestellt und eine NATO-Mitgliedschaft ausgeschlossen. Es wurde völlig wahrheitswidrig behauptet, die Amerikaner hätten die Ukraine mit 350 Mrd. $ unterstützt (lediglich 120 Mrd.). Damit sollte der Druck auf die Ukrainer maximal erhöht werden und Selenskyj zu einer Unterschrift gezwungen werden.
Selenskyj legte den Amerikanern Anfang letzter Woche den Gegenentwurf eines Rahmenvertrages vor, der die ukrainischen Rohstoffe im ukrainischen Besitz beließ, aber die Gründung eines Fonds vorsah, mit welchem die Ukraine gemeinsam mit den USA die Rohstoffe in der Ukraine erschließen wollte. Die Erlöse sollten ausschließlich in den Wiederaufbau der Ukraine fließen. Der Rahmenvertrag sollte die Rahmenbedingungen festlegen, die vertraglichen Einzelheiten sollten dann in einem zweiten Schritt ausgehandelt und vertraglich festgelegt werden.
Die Amerikaner signalisierten ihre grundsätzliche Zustimmung zu diesem Rahmenvertrag und unterließen in den letzten Tagen weitere Provokationen in Richtung Selenskyj. Am Donnerstag verlängerten sie sogar die Sanktionen gegen Russland um ein weiteres Jahr. Selenskyi wollte nach Washington reisen, um im persönlichen Gespräch auszuloten, welche Gegenleistungen die USA breit waren, im Gegenzug zu den ukrainischen Rohstoffen zu geben. Hierbei ging es Selenskyi vor allem um umfangreiche Sicherheitsgarantien der USA, die einen Waffenstillstand mit Russland absichern und zu einem dauerhaften Frieden machen sollten. Aber auch um Fragen des Wiederaufbaus, des Gefangenenaustauschs, des Verbleibs der besetzten Gebiete etc. sollte es gehen. Um all jene Fragen also, die immer Teil eines Friedensabkommens sind.
Bei dem Treffen am Freitag im Weißen Haus wurde dann während der ungewöhnlicherweise öffentlich vor laufenden Kameras geführten Debatte mit Donald Trump und JD Vance schnell klar, dass die USA nicht bereit wären, über diese Dinge zu sprechen oder Sicherheitsleistungen geben zu wollen. Selenskyj sollte den Rohstoffdeal unterschreiben und keinerlei Gegenleistungen dafür erhalten. Er sollte einem Waffenstillstand mit Russland zustimmen, ohne dass elementare Fragen geklärt worden wären (Absicherung des Waffenstillstands, Status der von Russland besetzten ukrainischen Gebiete, Reparationsleistungen durch Russland, Wiederaufbau, weitere militärische Unterstützung etc.). Damit wäre ein Waffenstillstand noch längst kein sicherer Frieden gewesen.
Im Laufe des Gespräches wies Selenskyj darauf hin, dass der Entwurf vom ukrainischen Parlament vor einer Unterschrift freigegeben werden müsse. Das ukrainische Parlament würde dem Entwurf jedoch nur zustimmen, wenn die Amerikaner belastbare Sicherheitsgarantien geben würden und man die offenen Fragen geklärt hätte. Trump und Vance weigerten sich, solche Garantien zu geben und meinten, Selenskyj müsse den Deal abschließen, sonst würde es keinen Frieden geben. Selenskyj meinte, dass die Ukraine ohne Sicherheitsgarantien nicht darauf vertrauen könne, dass Putin sich an einen Waffenstillstand halten würde. Ein Waffenstillstand wäre damit kein Frieden. Trump meinte, er würde Putin kennen, und Selenskyj könne auf das Wort Putins vertrauen: Putin würde sich an ein Friedensversprechen halten. Selenskyj versuchte daraufhin zu erklären, dass sich Putin noch nie an ein Versprechen gehalten habe (z.B. Minsk I und Minsk II) und man ihm nicht vertrauen könne. Daraufhin eskalierte das Gespräch mit den bekannten Folgen.
Insgesamt ist zu sagen, dass all das Teil der Verhandlungen ist und den üblichen Verhandlungsmethoden Trumps entspricht. Trump schafft immer erst einmal Verwirrung, stellt unerfüllbare Maximal-Forderungen und baut erheblichen Druck auf. Sowohl bei den Handelszöllen, als auch seinem Vorgehen gegen Panama, Mexico und Kanada hat sich gezeigt, dass er aber gar nicht so hart ist, wie er tut, sondern ziemlich schnell einknickt, wenn man ihm die Stirn bietet. In diesen Fällen war Trump schnell von seinen Forderungen abgerückt, hat die Angebote der Gegenseite ohne große Nachverhandlung übernommen und seiner MAGA-Basis als eigenen Erfolg verkauft.
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Trump ist gegenüber Selenskyi dem selben Muster gefolgt. Im Vorfeld hat Trump eine gefährliche Nähe zu Russland aufgebaut und die Forderungen der Ukraine nach Sicherheiten vom Tisch gewischt. Selenskyi sollte klein gemacht und eingeschüchtert werden, damit er aus einer schwachen Position heraus den Rohstoffdeal unterschreibt und einem Waffenstillstand zustimmt, der nichts anderes als ein Diktatfrieden gewesen wäre, der die Ukraine wehrlos der russischen Bedrohung ausliefern würde. Selenskyj aber ist hart geblieben. Ihm war bereits im Vorfeld des Treffens völlig klar, dass er vorgeführt werden würde und es zu einer harten Auseinandersetzung kommen würde. Deswegen hat er sich in den Tagen vor der Begegnung mit Trump auch in vielen persönlichen Gesprächen der Unterstützung der europäischen Regierungschefs versichert.
Trump hat nun gelernt, dass er mit seinen Mafiaboss-Methoden bei Selenskyj nicht weiterkommt. Er muss mehr und mehr erkennen, dass sich weder die Russen noch die Ukrainer einfach so in einen Waffenstillstand zwingen lassen und er sein törichtes Friedensversprechen (“innerhalb 24 Stunden“) nicht einhalten kann. Selenskyi hat diesen ersten großen Test bestanden.
Die Gemüter werden sich auf beiden Seiten jetzt beruhigen und die Diplomatie im Hintergrund versuchen, weiter an dem Rohstoffdeal zu arbeiten. Trump braucht diesen Deal, denn er muss seiner MAGA-Meute irgendetwas vorweisen und sich aus der Rohstoffabhängigkeit der seltenen Erden von China befreien. Die Ukraine jedoch braucht diesen Rohstoffdeal und auch die amerikanischen Sicherheitsgarantien nicht um jeden Preis. Das gibt Selenskyi eine gewisse Unabhängigkeit bei den Verhandlungen. Trump begreift erst langsam, dass die Ukraine nicht so abhängig von den USA ist, wie er glaubt.
Die militärische Lage der Ukraine hat sich deutlich verbessert und die Ukraine wird immer stärker. Die russischen Vorstöße an der Front sind weitestgehend zum Erliegen gekommen. Das Problem der Gleitbomben wurde durch elektronische Gegenmittel gelöst. Die russischen Infanterie-Angriffe werden durch die Dominanz ukrainischer Drohnen unterbunden. Die russische Artillerieüberlegenheit konnte durch den massenhaften Einsatz von Drohnen gebrochen werden. 40% der eingesetzten Waffen der Ukrainer werden mittlerweile in der Ukraine hergestellt. Die Ukraine wird bei der Versorgung mit Waffen und Munition immer unabhängiger. Die Europäer machen sich bereit, die Amerikaner bei den Waffenlieferungen zu ersetzen. Die Ukraine wird dadurch mehr und mehr in die Lage versetzt, Russland nicht nur widerstehen zu können, sondern auch in naher Zukunft wieder offensiv agieren zu können. Gleichzeitig wachsen die russischen Probleme mit der eigenen Wirtschaft und dem Unvermögen, die Front mit Material und Menschen weiter ausreichend versorgen zu können.
Das versetzt die Ukraine immer mehr in die Lage, aus einer Position der Stärke heraus mit den Amerikanern verhandeln zu können. Trump wird mehr und mehr merken, dass Selenskyj ein ernstzunehmender Verhandlungspartner ist. Selenskyj ist im Gegensatz zu Trump erfahren in harten Verhandlungen. Er hat in der Vergangenheit bereits mehrmals mit Putin verhandelt, aber auch mit Merkel und Macron. Selenskyi kommt mit dem durchsichtigen Immobilien-Dealer ohne weiteres zurecht und wird die Interessen seines Landes bestmöglich vertreten.
Auch wenn sich Trump als der Sieger des Eklats im Weißen Haus sieht, ist der eigentliche Sieger jedoch Selenskyj. Trump wird das demnächst schmerzlich lernen…