Die Überflüssigkeit der Kategorisierung

Als ich zuletzt im Tierheim war, bemerkte ich die Komik der Abgabe-Gründe welche in den Katzen-Steckbriefen angeführt wurden: „war zweimal aggressiv“, „hat Familienmitglieder angegriffen“ oder „zeigt aggressive Stimmungsschwankungen“. Alle beinhalten Begründungen, welche Abweichungen im „Normalverhalten“ beschreiben. Manche Katzen wurden auch nach 5 Jahren Besitz abgegeben, als wäre die Beziehung zwischen Mensch und Tier irgendwann unwichtig und irreparabel geworden. Es wäre spannend, wenn die Menschen auch solche Steckbriefe hätten, womöglich auch im Hinblick auf die Beziehungssuche. Viele Leute lassen ja bereits beim Online-Dating solche Dinge über sich anfertigen, um dann das passende Gegenstück aus dem Meer an Steckbriefen finden zu können. Sowas kann aber auch – je nach Sichtweise – etwas Entwürdigendes und Negatives an sich haben.

Wenn in einem Steckbrief beispielsweise steht: hatte 3 Beziehungen und ist seit 2 Jahren Single, was sagt das dann über einen? Ist das jetzt negativ oder positiv? Denkt man sich wie beim Autokauf: „Baujahr 89, 3 Besitzer, 267.000 km“- das gibt ne schlechte Bilanz? Wieso benötigen Menschen immer noch solche Dinge um andere in ihr Schachtelsystem einzuordnen, wenn den meisten mittlerweile bewusst sein sollte, dass man sich oft in jemanden verliebt, den man gar nicht erwartet hätte? Im Zwischenmenschlichen spielt sich das Ganze ähnlich ab. Vielleicht findet man in jemandem einen Freund, der eigentlich aus dem eigenen Freunde-Schachtelsystem rausgefallen wäre. Die Meinungen, die sich Menschen durch Steckbriefe bilden können allesamt nicht ansatzweise Realität entsprechen. Denn durch die Diversität der (meisten) Menschen ist jegliche Verallgemeinerung der Charaktereigenschaften und Handlungen eigentlich für die Katz‘. Die beschriebenen Eigenschaften in den Steckbriefen sind nämlich im Zusammenspiel mit einer bestimmten Person passiert und für die Beziehung zu einer anderen komplett irrelevant.

Dennoch muss vielleicht eingeschoben werden, dass viele Menschen gar nicht auf der Suche nach etwas Echtem sind. Daher helfen ihnen die Steckbriefe, die sich oft aus Social-Media-Profilen ergeben, jemanden zu finden, der zumindest eine ähnliche Rangordnung/Klasse hat wie man selbst. Oft stellt das die Menschen ja auch vollends zufrieden in ihrer Anspruchslosigkeit. Vielleicht ist es auch zu utopisch zu glauben, Menschen könnten ohne ihre Kategorisierungen leben. Irgendwo gehört das zur Menschheit dazu und ist so tief verankert, wie die Suche nach einer höheren, erlösenden Macht oder dem Drang nach Zugehörigkeit. Dabei hat sich der Mensch damit eine ziemlich große Bürde auferlegt, weil Schachtelsysteme nicht zuverlässig sind und oft nur Komplikationen schüren. Agiert man nämlich außerhalb dieser Systeme findet man eine Losgelöstheit von der zwanghaften Einordnung und unterstützt dadurch seine innere Ausgeglichenheit. Ganz nebenbei hat man vielleicht auch mehr glückliche Momente in den Begegnungen mit unkategorisierten Menschen.

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Persephone

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vera.schmidt

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Markus Andel

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