Ungarns Regierung unter Orbán ist bekannt für ihre raue Gangart in der EU, in der sie eigentlich Mitglied ist. Übermäßig transparent agiert sie ebenfalls nicht. So wundert es nicht, das die Kommission in Brüssel wegen mangelnder Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption und der Stärkung der Transparenz in Ungarn weiterhin insgesamt 20 Milliarden Euro zurück hält.
Wie weit Ungarn dabei in Konfrontation geht und wie stark es sich dabei mit globalen Akteuren jenseits des demokratischen Spektrums einlässt, das überrascht immer wieder. Und so waren die europäischen Partner doch erstaunt zu erfahren, dass Ungarns Regierung einen Milliardenkredit aufgenommen hat, ohne seine Partner und die Öffentlichkeit darüber zu informieren.
Dass sie sich das Geld bereits Mitte April von drei chinesischen Staatsbanken lieh, macht die Geschichte noch brisanter. Bekannt wurde sie erst am Donnerstag, als das ungarische Finanzportal Portfolio die Transaktion entdeckte. Der Zins ist gemäss dem Portal variabel, seine Höhe unbekannt. Ungarn begibt sich durch den rasch ansteigenden Geldfluss aus Peking aber auch zunehmend in eine Abhängigkeit. Orbans Projekt einer «illiberalen Demokratie» mit seinem starken staatlichen Einfluss in der Wirtschaft steckt in der Krise. Ungarns Staatsverschuldung liegt mit 73,5 Prozent zwar unter dem EU-Durchschnitt, ist aber deutlich höher als jene anderer ost- und ostmitteleuropäischer Staaten. Da Ungarn ein tiefes Rating hat, zahlt es deutlich mehr Zinsen als die Westeuropäer.
Dazu kommt, dass Ungarns Budgetdefizit seit dem Beginn des Jahrzehnts jedes Jahr über 6 Prozent gelegen hat. 2024 überschritt Budapest laut der Rating-Agentur Fitch bereits im ersten Quartal die Hälfte der geplanten Neuverschuldung. Auch glaubt sein Wirtschaftsminister weiterhin nur an ein schwaches Wirtschaftswachstum – u.a. wegen der unsicheren Marktlage bei elektrischen Autos, wo die EU neue Zölle gegen China erhoben hat. Nicht nur in diesem Wirtschaftssektor ist Ungarn der größte Empfänger chinesischer Direktinvestitionen in Europa. Er ist und bleibt auch der wichtigste politische Partner Pekings in der EU. Mit dem Kredit lehnt sich das Land bewußt noch stärker an China an. Laut BZ hatte die ungarische Regierung bereits Anfang Juli mitgeteilt, dass chinesische Unternehmen rund 16 Milliarden Euro in dem Land investiert und 25.000 Arbeitsplätze geschaffen (haben), die „Ungarn zu einem der Weltklassezentren der globalen Automobilrevolution und technologischen Erneuerung machen“.
Der aktuelle Kredit soll unter anderem zur Finanzierung der Infrastruktur und Energieentwicklung genutzt werden, erklärte die ungarische Schuldenagentur. Bereits ein chinesischer Kredit aus dem Jahr 2022 über 917 Millionen $ sollte das Schnellbahnprojekt Belgrad – Budapest finanzieren - als einen Teil der chinesischen Belt and Road Initiative, in der Ungarn Mitglied ist. Das ist sicher inhaltlich eine legitime Strategie. Vergrößert allerdings auch den Abstand, die Konflikte zu den westlichen Partnern, besonders zur EU. Das eigentliche, strategische Problem für den Westen lauert hier:
Für Ministerpräsident Viktor Orbán stellt die «Politik der östlichen Öffnung» eine zentrale Säule der Neuausrichtung seines Landes dar: Er ist überzeugt, dass die westlich dominierte Weltordnung ein Auslaufmodell ist und bietet sich als Brückenkopf für chinesische Investitionen in Europa an.
Es stellt sich Frage, unterstützt Orbán damit nicht eine chinesisch dominierte Weltordnung? Hält er China für den besseren Hegemon? So naiv ist er m.E. eher nicht. Und so sucht Orbán auch weitere strategische Partner in Europa, die seinen Weg der Konfrontation mitgehen. Trotz der eigenen Finanzprobleme bot er, so die FAZ, der sich seit kurzem neu im Amt befindlichen, rechtsgerichteten Regierung Nordmazedoniens einen Kredit über 500 Millionen Euro zuzugestehen, wie Ministerpräsident Hristijan Mickoski in Skopje kürzlich wissen ließ. Seine nationalistische VMRO-DPMNE, die im Mai die Parlaments- und Präsidentenwahlen gewonnen hatte, unterhält enge Beziehungen zu Orbáns Fidesz-Partei.
Was tun? Warten, bis sich vielleicht in Budapest ein vernünftiger Kurs unter einem neuem Präsidenten durchsetzt?
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