"Wie geht es dir?"

Ich habe sehr lange überlegt, diesen Text zu veröffentlichen. Nach langem Hin und Her habe ich mich dafür entschieden, obwohl es zumindest im ersten Absatz um ein sehr persönliches Thema geht, das ich ursprünglich nie öffentlich diskutieren wollte. Aber Bloggen lebt von Authentizität, und um selbige geht es mir auch in diesem Text.

Boah, bin ich in letzter Zeit manchmal genervt. Gut, es war noch nie so, dass mein Leben eintönig wäre und ich emotional abgestumpft, aber innerhalb der letzten Monate hat es mich doch ein paarmal ziemlich heftig die Gefühlshochschaubahn rauf- und runtergejodelt. So wie das halt ist nach Trennungen. Es gab Tage, an denen ich die ganze Welt umarmen wollte, weil ich endlich frei war von dieser belastenden Situation, die sich Beziehung nannte. Tage, an denen ich am liebsten gar nicht aufstehen wollte, weil der Gedanke daran, dass ich kein geteiltes Nest mehr habe, mir die Luft zum Atmen nahm. Tage, an denen innerlich jubelte und äußerlich strahlte, weil einfach so viele gute Momente passierten in meinem Leben. Tage, an denen ich an seine guten Seiten dachte und innerlich komplett zerfloss beim Gedanken an die Dinge, die ich nie wieder erleben würde. Tage, an denen ich nur seine schlechten Seiten sah und mir dachte, nie, nie nie nie nie nie wieder lass ich mich auf sowas ein. Tage, an denen ich dachte, ogottogott, nie nie nie nie nie wieder wird sich jemand mit mir auf sowas einlassen. Und viele, viele Tage, an denen ich einfach nur sauwütend durch die Gegend stapfte, Tränen auf Anschlag, wütend auf die Welt, die mich hat scheitern lassen, wütend auf ihn, der uns hat scheitern lassen, wütend auf mich, weils leider eh so sonnenklar war, wütend auf die Leute, die da einfach so neben mir lebten, lachten und das Dasein genossen.

All das wurde, ja, liebe Freunde, ich weeeeeeiß, mit der Zeit schwächer. Alles wurde besser. Und inzwischen ist auch alles gut, ok fast alles, aber das ist wirklich meine persönliche Baustelle (und für das Zitat: "Hin und wieder muss man halt einfach den FI-Schalter umlegen, ist ganz normal" könnte ich meinen Freund G. immer noch knutschen). Aber ich denke, das kennt man, diese Zeiten, in denen man mal einen Strich unter die Rechnung macht und neu beginnt, mit anderen Voraussetzungen, einem neuen Alltag. Vieles davon ist gut, manches davon sogar viel besser, und hin und wieder gibts halt doch noch einen Stich im Magen.

Doch eines fiel mir in dieser Zeit auf: Warum erwarten Menschen eigentlich, dass du "eh gut" sagst, wenn sie dich fragen, wie es Dir geht? Warum können so viele nicht damit umgehen, wenn man auf das klassische "Wie gehts dir?" EHRLICH antwortest? Ja, da war einmal ein "beschissen" dabei, und am nächsten Tag dann ein "fantastisch".  Warum schmeißen wir mit Floskeln um uns? Und warum ist es uns so wichtig, andere nicht merken zu lassen, wenn es uns schlecht geht? Ich bin da ja leider gar nicht gut drin. Gehts mir schlecht, wissen das meine Freunde, gehts mir gut, ebenso. Fragt mich wer, wie es mir geht, kriegt er/sie es authentisch reingesagt. Und ich erwarte mir das auch von meinen Freunden (übrigens liebe Freunde, ihr wisst eh, dass ihr die leiwandsten überhaupt seids, gell?). Gut, das ist jetzt vielleicht eine Charaktersache, manche knallen dir ihre komplette Persönlichkeit mit Schwung beim ersten Treffen auf den Tisch, sodass das Bier daneben überschwappt, und manche sind so in sich gefangen, dass du nach fünf Jahren noch nicht weißt, wer dir da eigentlich gegenüber sitzt. Ich gehöre zu ersterer Gruppe, und ich weiß, das überfordert manchmal andere.

Aber wirklich, kann mir bitte jemand erklären, wieso es anscheinend so wichtig ist, anderen oder in der Öffentlichkeit jederzeit ein Bild zu vermitteln, dass es einem doch eh blendend geht und alles in Ordnung? Wem ist denn dabei bitte geholfen? Einem selbst, weil man seine Trauer/Wut/ähnliches weiter verstecken und somit verdrängen kann, oder den anderen, weil sie sich damit nicht auseinandersetzen müssen? Läuft ein gelogenes "Mir gehts gut" auf die Floskelfrage unter "Höflichkeit"?  Je besser man sich kennt, desto ehrlicher sollte man doch miteinander umgehen können, oder?

Und auch aus der Perspektive der Fragenden: Treffe ich eine Freundin, die gerade am Zerbrechen ist unter der Last ihres eigenen Lebens, und sie antwortet dennoch mit einem "Gut, danke!", dann ist das doch schlicht eine Lüge. Ich verstehe, dass Menschen in Krisensituationen nicht weiter drauf eingehen wollen. Ich verstehe nicht, dass man deshalb lügen muss. Ein "Nicht gut, aber ich will nicht drüber reden" ist mir da tausendmal lieber, weil es einfach viel ehrlicher ist. Aber es erfordert Mut: Erstens muss man auf Reaktionen gefasst sein, zweitens kann man sich nicht gleich in einem Aufwasch selbst auch noch anlügen. Aber ist das wirklich Mut? Ich sehe das eher als Authentizität. Dass Ehrlichkeit Mut erfordert, ist doch unglaublich schade, oder?

Aber eines, das geht gar nicht als Antwort auf eine "Wie geht es dir"-Frage. "Besser als dir", das sagt man einfach nicht. Nie. Das weiß man nämlich nicht. Vor allem, wenn man die Frage als erster beantwortet. Das kann niemals authentisch sein.

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GurkTheElder

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Jürgen Heimlich

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chilis77

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