Hitlers Kanonenfutter und andere Kriegsschicksale

Zeitzeugen und das Kriegstagebuch eines jungen Soldaten

Dieser Beitrag befasst sich mit dem altbekannten Thema, doch dieses Mal aus einer ganz anderen Perspektive.

Einblick in Kriegsschicksale

Aus den Schilderungen meiner Urgroßeltern mütterlicherseits, die die Grausamkeiten beider Weltkriege erleben mussten, habe ich ein wenig erfahren, was die Kriegsgenerationen über sich ergehen lassen mussten.

Da mein Vater dem Alkohol verfallen war, wahrscheinlich auch durch die Nachwehen oder Verwirrungen des 2. Weltkrieges, flüchtete ich als Kind so oft wie möglich zu meinen Urgroßeltern.

Mein Urgroßvater redete immer wirr daher, erzählte immer etwas von den Partisanen und dem Krieg. Als der erste Weltkrieg losging, war er gerade einmal 21 Jahre alt.

Mein Urgroßvater 1. Weltkrieg

Meine Urgroßmutter, mit der er schon zusammen war, war 17 Jahre. Dass das Ganze, als er dann Mitte 40 war wieder noch grausamer losging, hätten er und natürlich meine Urgroßmutter nicht gedacht. Meine gesamte Familie mütterlicherseits lebte damals in Vukovar (heute Kroatien), die Stadt, die dann Jahrzehnte später im Balkankrieg zuerst platt gemacht wurde. Die Donauschwaben, waren natürlich nicht Jugos, sondern Deutsche, also mussten sie weg.

Angeblich haben die Partisanen dann den jüngsten Sohn meiner Urgroßeltern bestialisch ermordet. Der Rest wurde vertrieben oder musste flüchten und so ging es vielen Familien, die zu der Volksgruppe der Rucksackdeutschen gehörten, wie man so schön sagte.

Diesen Verlust haben meine Großeltern nie überwunden. Und Männer trauern irgendwie anders. Immer wenn über Johann, den Jüngsten geredet wurde, war es irgendwie komisch. Aber ich habe damals als Kind nicht begriffen, warum.

Da war die Welt noch in Ordnung - Johann (ermordet) Toni (USA), der Schwager meiner Großmutter, mein Großvater, ein Bekannter

Meine Urgroßmutter stockte immer etwas, wenn ich fragte, was Großvater, daher redet und was genau mit Johann, also dem jüngsten Bruder meiner Großmutter geschehen ist. Man weiß es nicht genau, wir haben immer gehofft, dass er eines Tages vor der Tür stehen würde. Großvater wartet heute noch auf ihn. Wie wir von anderen gehört haben, muss er wohl von den Partisanen bestialisch umgebracht worden sein. Auch Toni (der Älteste) konnte den Verlust seines jüngeren Bruders nie überwinden. Das ist schwer zu verstehen. Was denn? Ach, die Kriege und unsere Flucht, als donauschwäbische Vertriebene. Bruchstückhaft habe ich immer wieder etwas erfahren. Im Lager wurden wir zusammengepfercht wie die Schweine, hörte ich heraus. Dort ist auch Herbert jämmerlich verreckt. So drückte sich meine Urgroßmutter zwar nie aus, aber ich habe es so verstanden. Wer war Herbert. Sie zeigte mir ein Bild von einem 4-Jährigen Jungen. Das war der Cousin deiner Mutter. Er wurde krank und hat das Alles nicht überlebt. Der Sohn der Enkel, was wird noch kommen? Diese Gedanken trieben meine Urgroßeltern sehr stark um.

Der Bruder meines Urgroßvaters war Bürgermeister irgendwo dort in der Gegend, wo eigentlich ihre Heimat war. Wie ich erfahren habe, konnte er (Josef) ein stattlicher Mann wie mein Urgroßvater durch sein Amt ein paar Menschenleben retten. Aber dann musste er selbst schauen, dass er alles hinter sich ließ.

Ich glaube der Bruder meines Urgroßvaters hatte um die zehn Kinder, fast alle suchten ihre neue Heimat in Chicago.

Toni ebenso; er wollte nie in Deutschland sesshaft werden. Für ihn war es irgendwie immer noch das Nazi-Deutschland, die Nazis sind schuld an dem gesamten Elend. Und was ihm und meinem Urgroßvater bleibend zu schaffen machte, war wie gesagt der grausame Tod des Bruders und Sohnes Johann. Sein Leben hat doch erst richtig begonnen.

Genauso wie bei Christl, der zu Hitlers Kanonenfutter wurde. Aber dazu später mehr.

Toni war zuerst in Österreich mit seiner Frau und einem Sohn. Deutschland kam für ihn nie in Frage; Österreich eher. Doch dann folgte er seinen Cousins und Cousinnen nach Chicago. Dort wurde die Familie sesshaft und es kamen drei weitere Kinder dazu.

Jedes Jahr kamen sie dann nach Deutschland zu der hier steckengebliebenen Familie. Mein Urgroßvater blühte auf, wenn er mit seinem ältesten Sohn einen Heben konnte. Der jüngste Cousin meiner Mutter ist nur knapp älter als ich und lebt heute in New Jersey. Wir telefonieren hin und wieder miteinander und er erzählt mir, dass es bei den Amis ähnlich ist wie bei uns. Man darf nichts mehr sagen und traut keinem mehr über den Weg. Man weiß nicht genau wer ist für Trump und wer gegen ihn.

Wenn dieses deutsch/amerikanische Familientreffen war, ging es lustig zu. Auch wir Kinder wurden voll einbezogen.

Mein Urgroßvater, sein Sohn Toni (USA), dessen Sohn Rudi, der Schwager meiner Großmutter, ich und mein Großvater.

Aber immer kam das Thema Krieg und Vertreibung zur Sprache. Die Massaker, die Flucht der Einmarsch der Nazis, die Partisanen und wo soll man hin? So ging es Millionen von Vertriebenen, die in Deutschland, Brasilien, oder auch Kanada ihre neue Heimat gefunden haben.

Als mein Urgroßvater dann gestorben ist, war ich 16 Jahre. Im Nachhinein würde ich sagen, er hatte Demenz. Er konnte sich an nichts mehr erinnern. Als er dann ins Krankenhaus musste, war ich wieder bei meinen Urgroßeltern. Ich sehe ihn heute noch wie ihn die Sanitäter auf die Bahre gebunden haben und er wie ein kleines Kind schrie. Er schrie nach Johann und Toni. Toni stand ihm bei. Er ist aus Chicago gekommen, da er wusste, dass sein geliebter Vater das Krankenhaus nicht mehr verlassen wird. Ich stand hilflos dabei und war wie erstarrt. Alles wussten, dass das der letzte Transport war; seine letzte Flucht aus den vertrauten vier Wänden. So war es dann auch.

Meine Urgroßmutter hat ein hohes Alter erreicht und sie war eine tolle und tapfere Frau.

Das Thema Krieg und Flucht wurde jedoch trotzdem nie ganz so offen diskutiert. Ein Trauma, das meine Familie und natürlich auch die anderen betroffenen Familien in die damals ungewisse Zukunft begleitet hat.

Meine Urgroßmutter hat mich gelehrt, betrachte den Menschen, wenn er mordet und auf Gewalt aus ist, ist es egal ob es ein Nazi oder ein Partisan ist. Als Jugendlicher habe ich noch nicht so recht kapiert, was sie gemeint hat; später als Erwachsener schon. Ich habe dann auch begriffen, was meinen schon lange nicht mehr lebenden Urgroßvater tatsächlich so alles umgetrieben und ein Leben lang beschäftigt hat.

Der eine Sohn grausam ermordet und er konnte nichts machen, den anderen Sohn zog es in die USA. Dann wollte man eine Art Familienzusammenführung in den USA durchführen. Auch sein Bruder wollte wohl mit dem Rest der Familie mit. Doch es gab Probleme mit der Ein- oder Ausreise und dazu hin kam ich noch als uneheliches Kind zur Welt; ein Unfall wie man so schön sagt. Meine Urgroßeltern waren dort gerade in Chicago, um wohl doch noch einen Anlauf zu nehmen. Dann kommt der wohl etwas verheimlichte uneheliche erste Urenkel zur Welt.

Alles war schon wieder völlig durcheinander. Meine Urgroßmutter spürte wohl, dass sie sich nun um mich kümmern muss, damit ich hoffentlich nicht auf die schiefe Bahn gerate.

Sie gab mir viel Weisheiten und Lebenseinstellungen mit auf den Weg, vor allem, die Beurteilung der Menschen.

So hat sich sicher mit meine persönliche Einstellung geprägt und auch mein Charakter. Ich habe nie ein Blatt vor den Mund genommen und immer mit offenem Visier gekämpft. Alle Umstände meiner Kindheit und Jugend haben mich so gemacht.

Schade, dass meine Urgroßmutter nicht mehr lebt. Heute müsste ich ihr sagen, wenn man seine Meinung und anderer Ansicht ist und die Zustände nicht toleriert und offen anspricht, ist man schneller rechts als man glaubt.

Sie würde bestimmt nur noch den Kopf schütteln. Und sich fragen, ob wir jetzt die Rolle rückwärts machen.

Ich will diese persönlichen Gedanken auch an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

Nie wieder sinnlose Machtkriege und -spiele

Selbst wenn man diese Erfahrungen zum Glück nicht machen musste, sollte die Menschheit so langsam kapieren, dass es bei diesen widerlichen Machtkriegen immer nur Leid und Verlierer gibt. Aus der Geschichte und den Erfahrungen lernen, das ist so wie wenn die Politik plötzlich ihrem Wählerauftrag nachkommen und nicht nur an sich denken würde. Aktuell wird die Einigkeit, ein starkes Europa, eine stabile (man höre stabile Regierung) aus der gleichen Versagertruppe wie vor den Wahlen wird auf einmal eine stabile Regierung, also das alte Gammelfleisch neu verpackt dem Wähler schmackhaft gemacht. Nein, nein es ist kein Vergleich mit früher, nicht das man wieder die Empörungsarmada auf den Plan ruft. Es soll nur heißen, man lernt aus großen Fehlern offensichtlich gar nichts.

Leider scheint mir, dass die Welt gerade wieder aus den Fugen gerät, weil man nicht darüber nachdenkt, was uns die Vergangenheit auf viele Arten gelehrt hat.

Vorboten und Anzeichen für die nächste Krise sind schon da, aber uns geht es ja gut. Also weiter so.

Wie ich zu einem außergewöhnlichen Kriegstagebuch mit Seltenheitswert kam

So wie ich aus der eigenen Familie die Qualen der Vertriebenen mitbekommen habe, so ging es einem treuen und sehr guten Mitarbeiter von mir, der seine Pension mit Botengängen und organisatorischen Aufgaben etwas aufbesserte.

Er erzählte mir viel von seinem älteren Bruder, der als junger Mann einberufen und als Kanonenfutter für diesen wahnsinnigen Psychopathen verheizt wurde.

Ein anderer Bruder wurde in Gefangenschaft genommen und alle wurden der Nazigehirnwäsche unterzogen. Alles fürs Vaterland.

Kurz nach Kriegsende ist sein ältester Bruder, genannt Christl, seinen Kriegsverletzungen erlegen.

Christl hat ein einzigartiges Zeitdokument über diese grausame Zeit geführt. Es sind Einblicke, die man so selten bekommt. Mein Mitarbeiter übergab mir eine Mehrfertigung dieses einzigartigen Kreistagebuches.

Erste Veröffentlichung eines sehr eindrucksvollen Kriegstagebuches

Hier will ich nun zum ersten Mal dieses mir anvertraute Kriegstagebuch des jungen Soldaten Christl veröffentlichen.

Mit freundlicher Genehmigung von Rudolf Mattes, verbunden mit einem herzlichen Dank und einer tollen gemeinsamen Zeit und einer sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Kriegstagebuch Christian Mattes 1942 -1946

Die Einberufung

Endlich, unser sehnlichster Wunsch, Soldat zu werden geht in Erfüllung. Freudig nehme ich Abschied von den Liebsten und der Heimat. In München habe ich schon eine Anzahl Spezis bei mir; in Garmisch angekommen holen uns die Herren Oberjäger am Bahnhof ab und nach einer halben Stunde haben wir das Kasernentor hinter uns. Gleich werden Decken empfangen und Essbesteck; das erste Gebrüll lässt sich vernehmen uns wird jetzt schon unheimlich wie wird das Enden?

Am anderen Tag wird das Zeugs gefasst; das der Soldat alles braucht, von der Mordwaffe bis zum Taschentuch.

Nun beginnt aber schon der Tanz mit allen Schikanen; von früh bis spät. Nach 8 Tagen ist schon die ganze Freude am Soldatenleben bitter versalzen; aber wir müssen schweigen.

Heute gehts zum ersten Bergmarsch mit Skiern auf die Alpspitze, zum ersten Mal packt mich die Pracht der herrlichen Alpenwelt.

Abends wird fertig gemacht, wir kommen zur Ausbildung nach Frankreich.

Abfahrt von Garmisch über München-Stuttgart-Karlsruhe-Freiburg-Belfort-Besancon.

Ausgeladen in Besancon. Wir werden eingeteilt in Kp. Ich komme zum 9 Kp. Gebirgsjäger Erst. Bat. 98.

Die Blitzausbildung

Die Hauptausbildung ist nach drei Monaten zu Ende. Zurück nach Bescanon.

Aufstellung eines Einsatzbattalions. Wir sollen nach Nordafrika kommen. Nach tropenmäßiger Ausrüstung – verladen nach Marseille. Nach 2-tägigem Aufenthalt in Marseille, Abfahrt nach Garmisch. Ankunft in Garmisch. Anschließend 14 Tage Urlaub. Wir kommen in Privatquartiere nach Oberau; wo wir nochmals 8 Tage die Berge genießen.

Verladen in Oberau. Wir sind lauter junge Soldaten; Fahrt über München, Wien, Graz, Agram (Zagreb)- Belgrad.

Mitten im Kriegsgewirr

Durch die von den Banden verwüsteten Gebiete, zum ersten Mal sehen wird die Verheerungen des Krieges, niedergebrannte Dörfer, Kadaver…..

Ausgeladen in Mitrovica. Marsch nach Montenegro. Wir bekommen Gebirgsausrüstung: Seile, Hammer, Kletterschuhe usw.

Freie Jagd! Heiß ist es, die Temperatur beträgt 35-40 Grad Hitze, in der Nacht wird es furchtbar kalt; aber immer vorwärts über Gipfel und Täler. Die Verpflegung ist gut, wir bekommen sie aus der Luft, Transportflugzeuge werfen uns Verpflegungsbomben ab.

Morgens fallen die ersten Schüsse aus dem Nachbarabschnitt; MGs rattern dazwischen. Unheimlich dröhnt es durch die Berge. Die Banden erwidern das Feuer mit Granatwerfern.

Griechenland

Mit Neugier betrachten wir die Tempel der alten Griechen, die Welt vor 2000 Jahren, kaum zu glauben, dass diese Bauwerke von Menschenhand geschaffen wurden.

Mit aufgeschlossenem Herzen und ehrfürchtiger Scheu betreten wir die geheilten Bezirke Erechthion und des Parthenon, in denen der menschliche Genius sich für Jahrtausende ein Denkmal gesetzt hat.

Weiter geht es nach Athen brennende Sonne, blaue Buchten, Täler und Höhen, Olivenplantagen, ziegelfarbene Erde, der Charakter der griechischen Landschaft.

In der Hauptstadt Griechenlands – unser erster Weg führt uns auf die Akropolis, doch überall sehen wir die hohe Kulturstufe des griechischen Volkes, ein Volk das mit Stolz in seine Vergangenheit zurück blicken kann.

Längst ist uns der Reiz der griechischen Frauenwelt aufgefallen – stolz schauen sie uns in die Augen – nun sie haben das Recht patriotisch zu sein.

Gegen Abend erreichen wir Korinth und nach einer weiteren Tagesfahrt Sparta – auf dem Flugplatz Mato.

Korfu

Wir haben jetzt Korfu 15 km vor uns. Das erste schwere Artilleriefeuer schlägt uns entgegen. Englische Bomber greifen an, doch schon nach einigen Minuten liegen sämtliche im Meer. Riesige Wasserfontänen stehen im Augenblick wie Säulen, fallen dann wieder in sich zusammen.

6 Mann, zusammengekauert, so liegen wir im Boot. MG-Salven zischen über uns hinweg.

Wir erreichen die Inseln, 10 Meter vom Ufer entfernt springen wir an Land, ein erbitterter Kampf entbrennt. Nach einer Stunde sind wir in Stellungen eingedrungen. Ein Stützpunkt nach dem anderen wird unser. Der Kommandeur des Rgts. 98 –Ritterkreuzträger- Oberst Salminger fällt, er der Bezwinger des Elbrus.

Erneuter Angriff von allen Flanken, ein fanatischer Widerstand hält uns wieder auf, der allmählich doch erweicht. Die zweite Nacht nach hartem Kampf, 2 Kameraden meiner Gruppe sind gefallen.

Im Morgengrauen streifen wir die Hügel und Felder durch, überall kommt es nach und nach zu Plänkeleien.

Als wir erneut eine Höhe nehmen, gibt ein Bandit aus verdeckter Stellung 2 Schrotschüsse auf mich ab. Ich werde verwundet; 2 Körner treffen in den Hals.

Aber ein großes Glück zum Unglück. Mein Glücksengel hat seine Hand nochmals über mich gehalten.

Lazarett - Russland

Ich werde (nach knapp 4 Wochen) aus dem Lazarett entlassen. 14 Tage Urlaub, doch rasch sind die Urlaubstage dahin.

Nach Garmisch zum Ersatz. II Genes. Komp. Nach kurzem Kasernenaufenthalt werde ich am 15. September 43 mit noch 43 Schützen nach Russland abgestellt. Unsere Freude ist verflogen, wir kennen bereits den Krieg, und sollen seine Schrecken jetzt erst richtig kennen lernen. Wir fahren über Wien, wo wir einen Tag bleiben.

Budapest – Klausenburg, nun in das „gepriesene Russland“. Ich komme zur 9. Kp Geb. Jäg.Rgt. 13. als Scharfschütze.

Auf einmal vor uns Panzer, die ersten Grananten fegen heran, wir verkriechen uns in alle Richtungen, da wir ihnen machtlos gegenüber stehen. Nun haben sie unsere Trasse entdeckt. Wie Wölfe stürzen sie auf die Fahrzeuge. Mit Granaten und MG-Feuer werden wir überschüttet. Alles fahren sie kurz und klein, wir können nur zusehen, wie alles zusammengeschossen wird und Schlachtflieger belegen alles mit Bomben.

Wir sind noch 15 Mann beisammen, aus allen Truppenteilen, jede Kompanie ist zersprengt. Wir schlagen uns Kilometer um Kilometer durch, gegen Abend in der Dunkelheit erreichen wir ein Dorf, langsam schleichen wir uns heran. Am Ortsausgang der Ruf eines Postens- russische Infanterie, ein paar Schüsse, schnell machen wir uns aus dem Staub.

Tag für Tag schlagen wir uns durch, oft mit knapper Not entgehen wir der harten Gefangenschaft. Mittags tauchten vor uns zwei schwere Sowjet-Panzer auf. Rasch haben sie uns entdeckt, da wir uns auf dem freien Gelände befinden. MG-Salven peitschen in unsere kleine Schar. Zu Tode getroffen sinken mehrere Kameraden zu Boden. Mit einem Kameraden rette ich mich in ein kleines Waldstück. Die zwei Panzer halten an. Die anderen Kameraden ergeben sich, es sind noch 8, die anderen sind tot. Mit einem Gefühl das nicht zu beschreiben ist, beobachten wir sie aus nur 200 Meter Entfernung, die Gewehre im Anschlag. Es wäre ein leichtes gewesen ein paar Russen zu erledigen, da wir beide Schnellfeuergewehre hatten, aber dann wäre es wohl auch um uns geschehen.

Die eine Panzerbesatzung ist ausgestiegen, währende die andere im Panzer blieb. Unsere Kameraden haben noch die Hände erhoben, sie werden verhört.

Dann steigt die Besatzung des Panzers wieder ein. Uns fällt ein Stein vom Herzen, vielleicht lassen sie die Kameraden ja laufen? Mitnehmen können sie sie ja nicht. Die Panzermotoren dröhnen, unbewegt stehen die Kameraden. Das unglaubliche geschieht. Ein paar Feuerstöße aus den MPs zerreißen die Stille. Blutüberströmt fallen die Kameraden übereinander, uns stockt das Herz. Über die Leichen geht dann der Weg der Panzer.

Das ist Russland? Das ist Krieg?

Wieder bei der Division

Die Stärke ist wieder hergestellt.

Die feindliche Arie hat sich eingeschossen, die ersten Schreie nach Sanitätern.

Um 08.00 Uhr flaut das Feuer ab, doch kein Ivan lässt sich sehen; 19.00 Uhr von Neuem rast der Orkan los, der Schnee ist verschwunden, die Erde ist schwarz.

Die Nacht bringt etwas Ruhe.

Kurt Bader fällt im Morgengrauen. Die Erde wird 2 und 3 Mal umgegraben von den Grananten. Der Tod erhält reiche Ernte.

Die Hölle von Cherson – verrotten durch deutsche Generäle! Für wen sterben wir?

Solche Gedanken tauchen in uns auf.

Grabenkampf

Ein schwerer Grabenkampf beginnt, die Sowjets erdrücken ein Widerstandsnest nach dem anderen. Leininger fällt, unsere Gruppe besteht noch aus zwei Mann. Wir besitzen noch ein paar Handgranaten und unser karges Leben; das keinen Penny mehr wert ist.

Jeder Widerstand ist Selbstmord. Wir zwei pirschen uns in das Schilf; überall liegen tote Kameraden meist noch bekannte Gesichter. Verwundete stöhnen, rufen Mutter! Doch keinem ist zu helfen.

Mir fällt der Satz ein, der im griechischen Tempel zu Sparta stand: „Jäger, kommst du in die Heimat, so sage dass du uns hast hier liegen sehen, so wie es das Gesetz befahl!“

Weihnachten 1943

Jakob holt uns einen Weihnachtsbaum

Nachmittags ist eine kurze Kompaniefeier. Wir kriegen einen Chef! Ein junger Oberleutnant, echter Steirer, an seiner Brust glänzt das deutsche Kreuz in Gold, sein Benehmen beweist uns gleich, er ist ein Kerl. Ich schätze ihn.

Wir denken in Ruhe den gefallenen Kameraden, ihnen war´s vergönnt mit uns das Weihnachtsfest zu feiern; wer weiß, ob wir es nächstes Jahr noch feiern?

1944

Wir werden verladen nach Kirowograd. Der Feind hat die Stadt besetzt.

Wir müssen angreifen.

Ein hartnäckiger Straßenkampf beginnt

Unsere Ausfälle häufen sich. Promischütz fällt – ein Querschläger zerreißt ihm die Lunge. Ich sehe ihn wie er fällt, renne zu ihm, doch zu spät. Seine Augen sind schon gebrochen – doch weiter, vielleicht liegen wir in der nächsten Minute am Boden?

Am „roten Platz“ schlägt uns ein fanatischer Widerstand entgegen. Unser lieber Jakob fällt durch einen Kopfschuss.

Abends! Kirowograd ist unser!

Wir wurden abgelöst. Ich bin in einem herrlichen Lazarett 20 Meter vom Ufer des Schwarzen Meers entfernt.

Danach 3 Wochen Sonderurlaub.

Danach (Tirol/Dolomiten)

Ich treffe meinen Kameraden Alfred (aus der gleichen Gemeinde), der aber leider gleich abgestellt wird, wir werden uns vielleicht an der Front wieder sehen?

Von Frankreich treffen Rekruten ein; ich lerne 2 Kameraden kennen (beide kamen etwa 15 km vom Wohnort des Soldaten Mattes). Albrecht und Denkinger, die gleich in den ersten Tagen an mir hängen, wie wenn ich ihr Bruder wäre. Sie gehen zum ersten Mal an die Front, sie sind noch begeistert, während bei uns alles-…..?

Karpathen

Gewitter

Egon hat den Stall entdeckt, es ist schon ziemlich Nacht; wir liegen oben auf dem Heu, aber welche Enttäuschung der Regen kommt überall durch – wir wälzen uns von einem Eck zum anderen. Plötzlich ein Krachen – das ganze Heu geht mit uns in die Tiefe; etwas unsanft landen wir unten; fluchend und schimpfend kriechen wir aus dem Heu hervor. Wir krabbeln aber gleich wieder hinein, denn wir sind hundemüde und es regnet in Strömen.

Ich bin gleich eingeschlafen, aber ein furchtbares Grunzen weckt mich aus dem Schlaf; ich meine zuerst es sei Egon, mein Spezel!

Welch ein Schreck, der gleich zum Lachen wird, neben mir liegt ein Schwein – mir wird’s gleich klar, wir sind in den Schweinestall gestürzt. Egon liegt noch näher bei der Sau – er schläft aber tief, ich störe ihn nicht, ich schlafe auch weiter, erst morgens bemerkt Egon seinen Nebenmann, sie sind einander noch näher gekommen in der Nacht.

Am Morgen gibt´s natürlich ein riesen Gelächter und unser Egon muss so „allerhand“ einstecken!

Beim Kompaniegefechtsstand erreicht mich eine traurige Nachricht – einer meiner besten Kampfgefährten Albert Braun ist gefallen; mit dem ich bisher meine schwersten Tage erlebt habe.

Ich nehme den Mückenschleier aus dem Rucksack, in diesem Moment 4 – 7 Detonationen von Panzerbüchsen, Rauch verhüllt den Graben, dazu eine rabenschwarze Nacht; einer schreit mich hat´s erwischt. Ich sehe nichts mehr. Sein Gesicht ist beschmiert. Ich schicke ihn zurück, springe zum SMG-Stand, die Leute hinter mir her. Das MG liegt auf der Erde, halb mit Boden zugedeckt. Ich muss nur greifen, sehen kann man nichts. In der Hand halte ich ein Stück Fleisch, ich taste es ab – Zähne vom Unterkiefer. Vor Wut steigen mir Tränen in die Augen, Bisaneck liegt auf dem Grabenrand – ohne Kopf – furchtbar verstümmelt. Ich reiße ihn herunter ohne ein Wort zu sagen. Jetzt erst sehen die Leute was vor sich gegangen ist; und mit einem Aufschrei rennen sie davon, als säße der Teufel ihnen im Nacken.

Im Morgengrauen sammle ich die sterblichen Überreste unseres Zugführers, mein guter Kärtner Frank hilft mir dieselben zurückzubringen.

Ich bin nun noch der einzige Chersonkämpfer der Kompanie und der vielleicht auch eines Tages zu ihnen kehrt?

Ich erhalte die traurige Nachricht, dass Alfred (wie erwähnt stammte Alfred aus dem gleichen ort wie Christl Mattes) gefallen ist, in Butor, das 500 Meter hinter uns ist.

Ich suche die Höhe Butor auf. Nach kurzem Suchen entdecke ich das schlichte Holzkreuz, im Schatten einer Akazie, das die Inschrift trägt:

Jäger Alfred F. 7. Kp. Jäg. Rgt. 207 geb: 18.01.1925 gefallen 21.05.1944.

Ja, mit diesen Worten ist das Schicksal eines guten Kameraden besiegelt.

Hätte er noch in Garmisch gedacht, dass ich ein paar Wochen später seine letzte Ruhestätte betreten würde? Nicht weit weg liegt Braun – viel bekannte Namen.

Zu unserem größten Erstaunen – Frauen – ein ganzes Frauenregiment liegt uns gegenüber. Was das ist lernen wir sofort kennen – Egon bekommt einen ganz leichten Streifschuss – Leutnant Böhmer fällt durch einen Kopfschuss. Die raffiniertesten Scharfschützen liegen uns gegenüber. Für mich ist die ruhige Zeit vorbei. Egon kann bei mir bleiben, seine Verwundung ist rasch gut. Schnell haben mich die Flintenweiber kennen gelernt! Egon und ich bewachen ihren ganzen Abschnitt – was meinen Zielstachel eräugt – fällt! Jede Nacht rufen sie mir zu – ich soll zu ihnen kommen – Liebe! Nachdem das nichts hilft drohen sie mir mit dem Martertod – ich gebe ihnen zur Antwort: Erst müsst ihr mich haben!

Täglich predigen die Flintenweiber ihre Liebe zu uns, hauptsächlich für Egon und mich haben sie am meisten übrig.

Festnahme von 6 Frauen

8 Meter entfernt entdecke ich 6 Frauen, die sich in den Hecken verkriechen. Lange muss ich ihnen zurufen, bis sie endlich die Arme hoch nehmen. Wir nehmen sie in den Bunker, es sind lauter Mädchen im Alter von 17-25 Jahre, sie haben Angst – aber ritterlich wie immer benimmt sich der Gebirgsjäger. Wir geben ihnen Essen und Zigaretten, die sie gierig rauchen. Als sie mein Zielfernrohr entdecken tuscheln sie eifrig.

Ich bin platt – eine Blondine fragt fließend deutsch, ob ich Scharfschütze wäre? Rasch entwickelt sich eine gespannte Unterhaltung. Sie ist aus Moskau! Weiteres will ich nicht verraten.

Am Abend suche ich nochmals den Akzienwald Butor auf, der so treues gutes Kameradenblut getrunken hat. Ich schmücke das Grab Alfreds und Brauns! Die Sonne verschwindet und lässt ein leuchtendes Abendrot zurück über der Heimat, die fern von uns ist. Ja, wann werden wir sie wieder sehen?

Über eine Stunde verweile ich an den unvergesslichen Kameradengräbern, die ich immer aufsuchte, wenn ich mich nach der Heimat sehnte – doch heute gilt´s Abschied zu nehmen von der Stätte – die in diesem Frontabschnitt mein trautester Platz war.

Kamerad Egon fällt

Überall schieben sich die Sowjets heran. Granaten bersten – Egon schaut mich einen Moment starr an und sagt leise: Christl! – tot – sein Atem ist gebrochen, ein Halsschuss macht meinem treuen Kameraden ein Ende. Am liebsten würde ich auch sterben.

Die Hälfte des Weges haben wir zurückgelegt. Nun sind wir entdeckt. Granatenwerfer nehmen uns ins Feuer. Ich decke immer den Rückweg, überall schlagen die Granaten ein. Ein Luftdruck wirft mich zu Boden. Das Blut quillt mir aus Mund und Nase. Mein linker Fuß ist übel zugerichtet. Ich taumle weiter, Pirker unterstützt mich, aber auch er ist schwach, noch 200 Meter und wir sind gerettet. Ich verliere das Bewusstsein.

Ich liege auf dem Hauptverbandsplatz Cicerka – fiebere – das Bewusstsein schwindet oft, viele Splitter haben meine linke Seite zerfleischt.

Werde ich den morgigen Tag noch erleben? Ist der Tod nicht eine Erlösung für mich – Angst oder Furcht vor ihm kenne ich nicht.

Die Front ruft die Kameraden

Frank bricht in Tränen aus als er mir die Hand reicht; seine Worte sind: Machs gut lieber Christl denk an mich wenn´s heim kommst – i wird eh nimmer!

Ja, mach´ s gut treue Seele, ich werde dich nie vergessen!

Operationen folgen

Meine Eltern besuchen mich und mit diesem Tag taucht Hoffnung in mir auf meine Heimat wieder zu sehen.

Es geht mir besser. Meine Wuned am Unterschenkel ist 19x5 cm groß, beim Anblick graut es mir.

Mein Befinden ist gut. Ich vertreibe mir die Zeit mit lesen und ich studiere Botanik.

Mir graut, wenn ich an den Krieg denke.

Frank mein Sorgenkind hat mir geschrieben. Sie sind in schweren Kämpfen.

Ich bekomme Post. Frank ist gefallen.

Seine letzen Worte waren: Grüßt Christl.

Ja, du hast ausgelebt treuer Frank. Ich drehe mich zur Wand – weine um den guten Kärtner, um den keine Mütter, keine Geschwister trauern.

Auch Pirkner geht der Tod Franks sehr nahe.

1945

Was ich lange geahnt habe ist da – vernichtet sind unsere stolzen Armeen. In den Tod gehetzt, von einer Führung die den Kopf verloren hatte und Deutschlands Ehre verwirkt.

Umsonst sind Deutschlands Söhne verblutet – im Grabe hätten sie keine Ruhe – wenn sie jemals die Schmach erfahren würden. Alles umsonst.

Endlich ist der Tag gekommen. Ich werde in Freiheit gesetzt, mein Bruder kommt in Gefangenschaft. Rasch zerfließt meine Freude in Kummer und Sorgen. Wieder zu Hause – in dem geschlagenen Vaterland.

1946

Christl kam nie mehr richtig zur Ruhe. Er ist im Sommer 1946 an den Folgen seiner Kriegsverletzungen verstorben und seinen Kameraden gefolgt.

In Gedenken an Christian Mattes 1924 - 1946.

Von anderen Soldaten

Ruhet in Frieden

7
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

philip.blake

philip.blake bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 23:33:27

Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 22:18:33

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 22:05:08

Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 21:41:13

Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 20:17:40

Michlmayr

Michlmayr bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 19:09:57

Zaungast_01

Zaungast_01 bewertete diesen Eintrag 16.12.2017 18:52:58

9 Kommentare

Mehr von nzerr