Milli Vanilli – Der größte Popskandal und die Tragödie dahinter

Hier hat es gestimmt, der Lebenswandel, der ganz besonders Rockstars nachgesagt wird: Sex, Drugs & Rock ´n´ Roll.

Es ist nicht mehr ganz so präsent und etwas in Vergessenheit geraten. Doch ein Stichwort dürfte genügen und man erinnert sich sofort wieder an den größten Popskandal des 20. Jahrhunderts. Milli Vanilli wurden über Nacht zu Superstars. Es fing an wie ein Märchen und endete im Desaster.

Das schillernde Pop-Duo legte eine Performance hin, die seinesgleichen suchte.

Alles passte, nur eines nicht, sie haben nicht selbst gesungen.

In Nullkommanichts zum Superstar und Millionär

Girl you know it´s true – der Mega-Produzent Frank Farian und sein Jahrzehnte zurückliegendes Showprojekt Milli Vanilli war in jeder Hinsicht ein Volltreffer. Er machte aus dem Einstiegssong, den er passend ummodelte, mit Milli Vanilli ein Nummer 1 Hit. Die beiden Frontfiguren wurden in Nullkommanichts zu Superstars und Millionären.

Mädchen, du weißt, dass es wahr ist. Hat sie es oder haben sie es geahnt, die Fans, dass es nicht wahr gewesen war.

Die Freude währte auch nur kurz.

Trotz des Skandals wurde mit dem Projekt Milli Vanilli in kürzester Zeit Millionen gescheffelt.

Was der Mega-Produzent und Bohlenhasser Frank Farian in die Hand nahm wurde zu Gold.

Hätte Milli Vanilli mit einem anderen Konzept funktioniert? Im Nachhinein ist das immer schwer zu beurteilen. Doch wer Erfolg haben wollte und Frank Farian im Hintergrund hatte, konnte damit rechnen. So war es auch bei Milli Vanilli.

Es ist schon traumhaft, ohne große Kraftanstrengung in kürzester Zeit Superstar und Millionär zu werden.

Wer das viele Geld dann sicher auf dem Konto hatte, musste sich normalerweise über die Zukunft nicht so arg große Sorgen machen. Gesetzt der Fall man geht richtig damit um und verliert nicht die Bodenhaftung.

Der einzige Schönheitsfehler

Kaum hat die Erfolgsgeschichte der beiden makellosen Superstars begonnen, war sie schon wieder zu Ende. Trotz allem taucht Milli Vanilli immer noch in irgendeiner Weise in den Medien dieser Spezies auf. Die Sache wird im und für das Showbusiness ganz bestimmt nie ganz in Vergessenheit geraten.

Ihre Performance zu den Supertiteln war einzigartig. Da kam anfangs auch kein Zweifel auf, dass die Sache einen grundlegenden Schönheitsfehler hatte.

Sie haben nicht selbst gesungen. Ich weiß nicht, ob überhaupt jemand darüber nachgedacht hat, ob die Stimmen tatsächlich zu den beiden Performern passten.

Es kam wie es kommen musste.

Die Newcomer verloren zum einen die Bodenhaftung und zum anderen fingen sie auch an sich zu überschätzen. Es kam wie es kommen musste. Das Zusammenspiel mit dem Mentor passte irgendwann nicht mehr so richtig zusammen, seine Schützlinge entwickelten plötzlich eine Eigendynamik, die nicht vorgesehen war.

Hinzu kam die Technikpanne, die letztendlich die Schummelei mit ans Tageslicht beförderte. Ich glaube um 80.000 Fans konnten miterleben wie plötzlich das Band wie ein alte Schallplatte hängen blieb und sich einfach nicht weiter drehen wollte.

Und auch noch beim großen Erfolgshit Girl you know ist´s true, immer wieder Girl you konw it´s true.

Die Megapanne ist bei Min. 1:55 zu hören.

Nun war es geschehen. Nicht die beiden Superstars und Schwarm aller weiblichen Fans haben gesungen, sondern ein unbekannter Sänger namens Charles Shaw und später John Davis. Doch die Stimmen waren hierfür nichts für die Bühne und die Bühnenstars hatten diese vorgetäuschten passenden Stimmen nicht.

Nun gaben sie keine Ruhe mehr und wollten selbst singen. Das Erfolgsduo bildete sich ein, dass alles jetzt so einfach gehen würde. Erst das Band, dann der Drang zum Selbstsingen. Eine gewagte Schönheitsoperation, die der Erfinder und Erfolgsgarant auf keinen Fall durchführen wollte. Mit seiner Erfahrung kannte er das Ergebnis schon.

Vielleicht hätte man noch etwas retten können, wer weiß. Aber bestimmt nicht nach der Vorstellung der beiden Überflieger, die sich zu dem Zeitpunkt von der Realität verabschiedet haben.

Jetzt plötzlich selbst singen, vielleicht auch noch so, dass die Fans es gar nicht merken, dass alles davor (bevor das Band hängen blieb) gesangstechnisch gefaked war. Sie wollten nicht auf ihren Gönner hören, der wusste wie gesagt, dass dies nicht klappen würde. Nachdem dem sein Retortenduo keine Ruhe gab und der Geist nicht mehr in die Flasche zurück wollte, ließ Farian selbst die Bombe platzen.

Alles andere, vor allem das Ende, der Skandal und die Schande dürften bekannt sein. Platten wurden von den Fans zerstört, der Grammy wurde in der weiteren Abwärtsentwicklung aberkannt und wo weiter und so fort.

Und einfach nur kurz die Resettaste drücken war nicht mehr möglich.

Es gab trotzdem für Beide noch einen Trost. Sie hatten genügend Geld um sich eine andere Zukunft aufzubauen.

Wer weiß, mit einem bisschen Abstand, wäre vielleicht etwas anderes geglückt.

In eigener Sache

Bevor ich ein wenig hinter die Tragödie blicken möchte, muss ich dazu erklären, wie ich selbst diesen Einblick bekam.

Ich muss zugeben, was die Rock- und Popmusik betrifft, bin ich etwas stehen geblieben, besonders in den 60er und 70er Jahren. Deshalb war Milli Vanilli nicht so mein Ding, obwohl die Musik gut gemacht war. Außerdem war das Gesamtkunstwerk schön anzusehen, doch weitere Gedanken machte ich mir darüber wenig.

Was die zurückliegenden Jahrzehnte an Musik, Lifestyle und Jugendkultur hervorgebracht haben ist schon faszinierend. Was dabei leider auch als Begleiterscheinung dazu gehörte, war das Leben der Stars auf der Überholspur und der oft daraus resultierende Hang zu Drogen oder zumindest zu Alkohol im Überfluss. Früher vielleicht noch mehr als heute.

Milli Vanilli wurden wie viele ihrer erfolgreichen Weggefährten zu Opfern ihres Erfolgs; vor allem wenn der Griff zur Droge folgte.

Aber wie kam ich überhaupt zu dieser schicksalhaften Begegnung mit Milli Vanilli?

Bevor ich darauf eingehe noch ein paar Anmerkungen zu den Hauptdarstellern.

Wer waren Milli Vanilli

Robert Pilatus wurde in München geboren. Er wurde dort von einer Familie adoptiert und ist auch in der bayerischen Landeshauptstadt aufgewachsen. Seine Mutter war eine Stripteasetänzerin, die er nie kennen gelernt hat und sein Vater amerikanischer Soldat.

Fabrice Morvan ist in Paris geboren und machte sich auf den Weg nach München, um dort auf das Treppchen des Erfolgs zu steigen. Hier traf er dann auf seinen gleichgesinnten späteren Erfolgspartner. Beide sahen Top aus und konnten genauso gut wie sie aussahen tanzen. Frank Farian bastelte gerade an dem Titel Girl you know ist´s true herum, da er wusste, dass er aus der Urspungsversion der amerikanischen Hip-Hop-Gruppe Numarx eine Erfolgsversion machen konnte. So war es dann auch.

Passend und eher zufällig kamen die beiden Jungs und zukünftigen Superstars auf ihn zu. Man kannte sich davor schon ein wenig. Farians damalige Lebensgefährtin lieferte spontan den Bandnamen. Ihr Spitzname ist Milli. Milli, Milli, ja das war´s dazu reimt sich Vanilli; Milli Vanilli war geboren.

Ohne Farian – keine Millionen und keine Superstars; das kann man zweifelsohne behaupten. Aus eigener Kraft hätten es Rob Pilatus und Fab Morvan nie so weit nach oben geschafft. Selbst die Schützenhilfe des Grand-Prix-Königs Ralph Siegel (Ein bisschen Frieden) hat davor nichts gebracht. Denn Siegel unternahm mit den Beiden als Duo Empire Bizarre einen Versuch sie ins Rampenlicht und auf den Weg zum Erfolg zu bugsieren. Siegel ist ja auch kein Unbekannter, dem man im Schlagergenere zahlreiche Hits verdanken kann. Mit Frank Farian war alles perfekt und konzeptionell absolut schlüssig.

Nur wie gesagt die Sache mit dem Singen war das einzige Problem. Aber warum soll man sich deshalb die Millionen die das Projekt versprochen hat entgehen lassen?

Der Rest ist bekannt, fast. Durch den rasanten Erfolg bekam vor allem Rob als Superstar den Größenwahn und hatte sich nicht mehr im Griff. Er war auf dem Zenit seines Erfolgs. Er kam in Kreise, wo man sonst nicht hingekommen wäre, Luxus und Geld im Überfluss und die Frauen lagen ihm und natürlich auch Fab zu Füßen.

Große Partys, Geld, Ruhm und alle zuvor verschlossenen Türen standen plötzlich offen. Wie mir Rob erzählte konnte er Sex haben so viel er wollte. Da kommst da gar nicht mehr hinterher, witzelte er bei unserem Gespräch. Wer kann das schon sagen? Um dieses ausschweifende Superstarleben aushalten oder möglichst viel davon mitnehmen zu können, ist der Griff nach aufputschenden Drogen oft nur eine Frage der Zeit und Gelegenheit. Den vielen Versuchungen im Leben zu widerstehen ist eine Sache des Charakters und vor allem des Kopfes. Aber was machen, wenn der der Verstand plötzlich situationsbedingt ausschält

Nachdem Milli Vanilli aufgeflogen waren und aus Ruhm dann Schande wurde, blieb wenigstens noch sehr viel Geld übrig, wie Rob sagte waren es um die 2 Millionen Dollar. Neben dem Geld blieb noch etwas, die Sucht. Während Fabrice die Kurve bekam, war es um Rob geschehen. Seine Sucht führte ihn ein Jahrzehnt nach dem Erfolgsstart von Milli Vanilli schlussendlich in den Tod.

Begegnung mit Rob Pilatus

Unsere Begegnung war wahrscheinlich der gleiche Zufall wie der Erfolg von Milli Vanilli. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Idee.

Im Jahre 1997 bastelten Prof. Adolf Gallwitz (ein medienbekannter Polizeipsychologe und damals Dozent an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg) und ein Kriminalrat, der damals im Innenministerium war an einer Buchidee. Das Thema war die Problematik mit der Jugendkriminalität, wozu natürlich auch Drogen gehörten. Ich war eine Zeitlang in der Drogenprävention aktiv und versuchte mich auch auf diesem Gebiet breitgefächert zu engagieren. Deshalb wollte ich dieses Thema mit in dem Buch haben, wenn möglich nicht so langweilig und trocken.

Der Verlag aber wollte unbedingt ein „sehr trockenes“ Fachbuch. Prof. Gallwitz und ich waren bei einer Pressekonferenz des Verlags als Herausgeber mit dabei. Dem dritten Mann im Boot, unserem Kriminalrat, wurde vom Ministerium aus signalisiert, dass er von den Selbstläufern im System Prof. Gallwitz/Zerr Abstand halten soll.

Es war nicht gewollt, dass man ungenehmigt und unzensiert in der Öffentlichkeit erscheint oder wahrgenommen wird; auch nicht in einer guten Sache. Deshalb habe ich den Kriminalrat noch als Mitautor des Beitrags mit Rob Pilatus aufgeführt.

Aber wie kam es dazu, dass plötzlich Robert Pilatus von Milli Vanilli in unserem Buch Horrorkids? eine Rolle spielte?

In der Planungsphase stieß ich auf einen interessanten Zeitungsartikel. Milli Vanilli Star Rob Pilatus war bei uns in der Region auf Drogenentzug in einer Spezialklinik im Schwarzwald. Es war die Oberbergklinik, die ich noch in bester Erinnerung habe.

Das passte; ein Interview mit dem Ex-Popstar, der nach seinem tiefen Fall nicht nur drogenabhängig war, sondern auch noch kriminell wurde. Diese Geschichte würde sicher für etwas mehr für Aufmerksamkeit sorgen und könnte gleichzeitig die eine oder andere Träumerei junger Menschen auf den Boden der Tatsachen bringen.

Gesagt getan. Nach allen Abklärungen, auch mit dem Büro Farian, der den Entzug seines Ex-Schützlings finanzierte sowie der Klinik, war Rob Pilatus das letzte Glied in der Kette. Wenn er nicht will oder sich nicht in der Lage dazu fühlt, dann war´s das.

Es klappte alles reibungslos; so wie man es sich heutzutage oft nur wünschen kann.

Das letzte Interview mit Rob Pilatus

So habe ich ihn angetroffen

Die erhoffte Antwort des Interviewpartners ließ nicht lange auf sich warten. Sein zuständiger Arzt gab grünes Licht und ein Termin wurde sofort vereinbart. Rob Pilatus war zu meiner Freude mit dem Interview einverstanden.

Am Freitag, den 27. Februar 1998 war es dann soweit. Es war ein schöner Tag und wir hatten genügend Zeit eingeplant.

Etwa gegen 14.00 Uhr traf ich in der Klinik ein.

Ich kann mich noch an das sehr freundliche und nette Personal erinnern.

Wir bekamen einen extra Raum wo wir ungestört und ohne Zeitdruck reden konnten. Ich war gut vorbereitet. Zur Sicherheit nahm ich nicht nur genügend Papier mit, sondern zusätzlich noch einen Kassettenrecorder.

Es war ein primitives Gerät. Im Zeitalter von Downloads, mp3s und dergleichen, war das vor knapp zwei Jahrzehnten fast schon ein wenig Hightec. Zum Glück hatte ich den Kassettenrecorder dabei, denn ich hätte selbst nie gedacht, was dieser Aufnahme noch für eine Bedeutung zugemessen wird.

Herr Pilatus wartet schon auf mich in dem vorbereiteten Raum.

Dort saß er nun, der drogenabhängige mittelose Ex-Superstar. Man begrüßte sich zaghaft und ich erklärte nochmals meine Beweggründe für dieses Interview.

Ich überlegte, soll ich jetzt Herr Pilatus oder Rob sagen? Noch während ich über die Umgangsformen nachdachte fragte Herr Rob, was willst du denn wissen? Wenn er mich duzt, dann wäre die Sache schon geklärt. Er kam mir im ersten Moment ziemlich arrogant vor. Die anfänglichen Antworten waren, wie soll man sagen, einfach komisch. Will er jetzt oder will er nicht. Mir sind bei ihm eine gewisse Anspannung und eine nervöse Stimme aufgefallen. Gut, ich wusste ja, ein Drogenabhängiger, da muss man mit allem möglichen rechnen. So war es dann auch.

In dem gegenseitigen Abtasten wurde ich immer verwirrter. Das anfänglich komische Benehmen, dann das Aussehen. Nichts mehr erinnerte an die Traumzeiten von Milli Vanilli. Nun fing ich an zu überlegen. Ich machte ja für ein Magazin schon einmal ein Interview mit einem Star. Damals während eines Konzerts von PUR mit Frontmann Hartmut Engler. Ich wollte wissen, wie Superstars zu Drogen stehen und was sie als Botschaft jungen Menschen mit auf ihren Weg geben könnten.

1996 das Interview mit Hartmut Engeler PUR und das Megakonzert danach. An dieser Stelle gilt auch mein Dank an meinen Begleiter und Fotografen Holger Tranzer.

Hartmut Engler, mein Jahrgänger, war sehr nett und umgänglich. Ein Bekannter hat mich begleitet und hat fotografiert. Hartmut Engler war gut drauf, sachlich, wirkte kompetent und er hatte scheinbar noch nicht die Sorgen, die später auf ihn zukommen sollten. Depressionen, Alkoholprobleme und Klinikaufenthalte. Doch im Gegensatz zu Pilatus hat er sich wieder gefangen und ist nach wie vor mit PUR auf Erfolgskurs und das schon über Jahrzehnte. Wie ich nebenbei gelesen und mitbekommen habe, hat Hartmut Engler sich und sein Leben jetzt wieder im Griff, was ich ihm auch von Herzen gönne.

Wenn es allerdings zu spät ist, nützt wohl sämtliche Prävention nichts, egal in welcher sozialen Schicht man gelandet ist. Auch das Leben eines Superstars kann auf viele Arten komplett aus den Fugen geraten. Wie man sieht geschieht das unbemerkt und ziemlich schnell. In den schlimmsten Fällen endet das tödlich. Wir kennen das ja aus vielen Fällen der Rock- und Popgeschichte.

Das Engler-Interview war wie gesagt super und klappte mit dem erhofften Ziel für einen Beitrag in einem leicht „showlastigen“ Fachmagazin das von der Gewerkschaft der Polizei herausgegeben wurde.

Während mir so meine Gedanken, auch der Vergleich zu dem Interview mit Hartmut Engler durch den Kopf schwirrten, muss Rob bemerkt haben, dass ich schwer am Nachdenken bin. War es ein Fehler, dieses Interview anzustreben? Soll ich nur noch ein paar Fragen stellen und dann die Sache geräuschlos beenden? Oder soll ich ihn direkt fragen, ob wir aufhören sollen bevor wir angefangen haben? Mit dieser Überheblichkeit wird das nichts. Ich wagte einen diplomatischen Ansatz. Willst du überhaupt das Interview machen oder geht es gesundheitlich noch nicht richtig, fragte ich sinngemäß.

Die Stimmung lockerte auf - Rob war plötzlich entspannt

Schlagartig erlebte ich einen völlig anderen sensiblen Rob Pilatus. Ja, doch ich will, du bist so ein netter Junge, ich freue mich, dass du hier bist. Es ist auch eine gute Sache, also das mit der Drogenprävention. Jetzt war ich noch verwirrter. Habe ich einen wunden Punkt getroffen, oder woran lag dieser plötzliche Sinneswandel.

Ich erzähle Dir mein ganzes Leben. Du darfst fragen was du willst. Auf einmal waren wir wie alte Freunde, so vertraut und so nah.

Wir verbrachten Stunden in dem für uns reservierten Zimmer. Ab und zu schaute die Schwester rein, um sich zu vergewissern ob wir noch lebten. Sie merkte, wie sich Rob sichtlich wohl fühlte und wir lachten und Spässe machten. Sowieso als wir beim Thema aller Themen landeten: Sex. Ich bin süchtig danach gestand Rob. Ich erwiderte, ich glaube dazu muss man nicht Superstar werden. Ja, ja, aber die Möglichkeiten die du da hast sind unglaublich. Ich könnte dir Sachen erzählen, auch von anderen Stars. Wieso, machen die´s im Kopfstand? Rob lachte, ach was.

Später als Krimineller in Los Angeles musste ich dafür bezahlen. Eine Erfahrung, die ich davor nicht kannte, gestand er. Ich hatte ja anfangs noch genug Geld, ich glaube es waren noch 2 Millionen Dollar aus meinen Glanzzeiten übrig, erklärte Rob. Doch ich brauchte im Monat oft 5-stellige-Dollarsummen für Drogen, anderen unnötigen Kram aber in der Hauptsache zur Befriedigung meiner Süchte. Den ganzen Tag hast du nichts anderes im Kopf als deine Drogensucht und die Begleiterscheinungen dazu. Du bist schneller pleite als du glaubst, trotz des vielen Geldes.

Als die Schwester wieder einmal nach uns schaute, nutzte ich die Gelegenheit sie als Fotografin einzuspannen. Selfies gab es damals noch nicht. Und wie gesagt, alles, fast alles, ist auf Band dokumentiert; also damals nicht digital.

Rob verriet mir noch, dass ihm ein sehr bekannter und berühmter deutscher Schauspieler in der Münchner Schickeria Koks zugesteckt hätte. So nach dem Motto, kann schon nicht schaden im Jetset-Leben.

Jetzt wurde ich neugierig. Doch Rob wollte mir (noch) nicht verraten wer dieser Schauspieler war. In den Klaschtblättern konnte man lesen, dass genau dieser Schauspieler auch ein ausschweifendes Leben führte.

Nun saß Rob hier in der Klinik. Von den großen Bühnen der Welt nun einsam in einer Suchtklinik. So betrachtet ist der Preis für´s Rampenlicht viel zu hoch.

Frank Farian zahlte den Klinikaufenthalt und wollte mit Rob wieder etwas auf die Beine stellen, eine Art Milli Vanilli Remix. Ob dieses Vorhaben nur zur Motivation dienen sollte, will und kann ich nicht beurteilen. Sein Dank an Frank Farian und seine damalige Lebensgefährtin, Ingrid Segieth „Milli“, war nicht zu überhören. Was ist mit Fabrice Morvan? Der will nichts mehr von Frank wissen, deshalb wird das Milli-Vanilli-Remixprojekt nur auf mich zugeschneidert, schwärmte Rob. Schade, ich hätte Fab gern dabei gehabt, fügte Rob hinzu.

Auf jeden Fall war Rob, dachte ich mir damals noch nicht in der Lage dafür, obwohl er es wahrscheinlich glaubte. Seine Euphorie war trotzdem beeindruckend, vielleicht sogar hilfreich für ihn.

Im Hintergrund ist noch das Hightec-Gerät zu sehen, auf dem dieses letzte Interview vor Robs Tod aufgenommen wurde.

Rob Pilatus und Norbert Zerr am Ende des Interviews.

Das Abendessen und der Abschied vom Ex-Superstar

Ich komme mit dir noch zum Auto. Der Parkplatz war direkt neben der Klinik. Toll wäre es, wenn ich mit ihm noch zu Abend essen würde, meinte Rob. Geht das, dass ich mich einfach zum Essen hineinmogle? Nein, ich melde dich an. Wieder traf ich auf ein ungeheuer nettes Personal. Ich soll gern mit Herrn Pilatus zusammen Abendessen. Was kostet das? Ist schon in Ordnung war die Antwort auf die Kostenfrage. Wir bekamen einen Tisch für uns, der ein wenig abseits stand.

Es gab Spaghetti, immer so eine Sache mit der Soße und ich hatte sowieso für Rob so ein komisches Hemd an. Wie im Business halt. Rob haute sich den Teller voll und schlürfte die Spaghetti in sich rein, so dass ich wirklich auf mein Hemd aufpassen musste. Nicht, dass es noch Sommersprossen bekommt. Auch hier ging es lustig weiter. Hey, Rob, es sind noch genug Spaghetti da oder willst du in einem Bud Spencer Film mitmachen? Mal sehen, vielleicht, scherzte er.

Wer diesen Tag und das was danach kam nicht selbst miterlebt hat, kann es bestimmt nicht recht glauben.

Tränen in den Augen

Nach dem Essen gingen wir langsam zu meinem Auto. Ich bedankte mich und versicherte Rob, dass dies ein wunderschöner Nachmittag war.

Ich sah ein Funkeln in Robs Augen und auf einmal fiel er mir wie ein kleines Kind um den Hals. Du kommst wieder, du besuchst mich wieder. Ich drückte Rob auch an mich und habe ihm versprochen, dass ich ihn wieder besuchen werde. Wie gern hätte ich dieses Versprechen eingehalten.

Dann flüsterte er mir ins Ohr und nannte einen Namen. Der war´s. Wer war was? Na, der Schauspieler, der mir Koks gab. Schreibe es bitte nicht, sonst bekommen wir Ärger.

Geht klar Rob, dieser Schauspieler ist wirklich sehr berühmt, ich würde ihn so unter seinesgleichen wie Heino Ferch oder Veronika Ferres einordnen. Jedem bekannt, aber ehrlich gesagt weder vom Typ noch von seinen zahlreichen Rollen her nicht mein Fall.

Dann bemerkte ich Robs Tränen in den Augen. Ich hätte auch losheulen können. Es war eine unvergessene Begegnung, die mich immer begleiten wird.

Rob winkte mir hinterher bis ich aus seinem Blickfeld verschwunden bin.

Ich war so durcheinander und emotionsgeladen, dass ich mich mehrmals verfahren habe und sehr spät nach Hause kam.

Rob erzählte mir, dass er gleich nach unserem Treffen noch einiges vor hatte. Er wollte nach Frankfurt ins Studio und sich langsam für das neue Projekt warmlaufen.

Wir wollten telefonieren sofort, wenn er wieder in der Klinik sei, damit wir ein nächstes Treffen ausmachen könnten. Das mit dem Telefonieren klappte, aber das Treffen nicht mehr.

Robs Anruf und der Abschied für immer

Es war dann kurz Funkstille. Dann, ich weiß noch genau, dass es der Dienstag vor Robs Tod war, rief er etwa gegen 21.30 Uhr bei mir zu Hause an.

Ich war total verwundert über diesen Anruf. Rob war völlig aufgedreht. Ich komme gerade von Frank, aus dem Studio. Es läuft super. War er deshalb so gut drauf? Toll, das freut mich.

Ich traute der Freude nicht so recht. Nach seinem Absturz, wollte er sich ja schon einmal umbringen. Es kam mir komisch vor. Alles ist in Ordnung, beruhigte mich Rob. Ich musste ihm nochmals versprechen, dass wir uns wieder treffen werden. Soll ich nach Frankfurt kommen? Nein, passt scho, meinte Rob.

Wieder war ich so durcheinander. Habe ich verdrängt, dass dies ein Abschied für immer war? Rechnete Rob damit, dass er es nicht mehr packen wird und die Neuauflage von Milli Vanilli mit ihm vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver war, um ihn für die Therapie zu motivieren? Die Antwort werden wir nie erfahren.

Rob Pilatus- ein Part von Milli Vanilli ist tot

Wir trafen uns an einem Freitag und am Freitag nach unserem Telefonat hat Rob für immer seine Augen geschlossen. Am Sonntag darauf verbreiteten die Medien den Tod des Ex-Milli Vanilli Stars.

Ich war total geschockt.

Er hat mir erzählt, dass er sein Leben in Ordnung bringen will und er will für John, seinen Sohn aus einer flüchtigen Beziehung ein guter Vater werden.

Die Vorsätze waren in ihm, aber er hatte nicht mehr die Kraft oder Willen diese umzusetzen.

Goodbye Rob

Telefonat mit Fabrice

Rob gab mir die Nummer von Fab in Los Angeles. Ich habe ihn einfach angerufen. Er hat erstaunlich gut Deutsch gesprochen.

Damals gab es noch keine Flats und meine Telefonrechnung nach Los Angeles war später richtig saftig.

Fab ließ kein gutes Haar an Frank Farian. Rob hat es ja schon angedeutet, dass dieses Verhältnis zerstört sei. Sie hätten sich dem Teufel verkauft. Gut, der Preis war ja nicht ganz zu verachten.

Fab war sehr gelassen, beherrscht und ruhig und sehr sympathisch.

Wir führten gleich zu Beginn ein langes und ergreifendes Telefonat.

Zwischenstopp im Dschungelcamp

Nach dem Telefonat gab es keinen weiteren Kontakt mehr mit Fab. Ich habe nebenbei mitbekommen, dass er sich abstrampelt, um im Showbusiness wieder Fuß zu fassen.

Dann plötzlich hieß es Fabrice Morvan Kandidat fürs Dschungelcamp. Nimmt er also den Umweg über den Schweinetrog? Schrecklich. Wie weit muss man abstürzen um dort zu landen?

In der Sparte volkstümlicher Schlager bei Carmen Nebel versuchte Fab Milli Vanilli auf seine Art zu promoten.

Carmen Nebel, die Nervensäge der glücklichen Herzen und der drogenfreien Musikszene. Das passte alles irgendwie überhaupt nicht mehr.

Obwohl er viele Qualitäten vorweisen kann, eine sehr angenehme und nette Persönlichkeit ist, wird es wohl nichts mehr mit Fabrice Morvan.

Regisseur Oliver Schwehm

Es war wieder ein Dienstag, etwa um dieselbe Zeit wie damals der Anruf von Rob. Die Nummer kam mir schon komisch vor.

Es meldete sich ein Oliver Schwehm, er sei Regisseur. Oh, ist das vielleicht eine Telefonabzocke, dachte ich? Herr Schwehm erklärte mir sofort sein Anliegen. Er war mit seinem Team auch in Miami bei Frank Farian. Dort recherchierte er für eine Reportage über Rob Pilatus und Milli Vanilli. Frank Farian stellte ihm dafür alles Recherchematerial zur Verfügung. Es wurde von dort auch der Hinweis erbracht, dass ich das letzte Interview vor Robs Tod besitzen würde und natürlich auch die Rechte dafür hätte.

Aus dem Schriftverkehr, der von Frank Farian fein säuberlich aufbewahrt wurde, gingen meine Kontaktdaten hervor.

Oliver Schwehm, ein großartiger Regisseur und Filmemacher, hat auch schon mit Größen wie Christopher Lee (Dracula) gedreht.

Das Interview würde man gern in die Reportage einbauen.

Ich stellte dieses natürlich gern zur Verfügung.

Beim SWR Baden-Baden durfte ich beim Schneiden des Films dabei sein. Dort konnte ich das wirklich gelungene Meisterwerk unter dem Titel From Fame to Shame gleich anschauen, bevor es auf ARTE ausgestrahlt wurde.

Im SWR Studio Baden-Baden beim Schneiden der hoch interessanten Reportage From Fame to Shame - im Bild Regisseur Oliver Schwehm

From Fame to shame

Eine gelungene Reportage über Rob Pilatus und die Geschichte von Milli Vanilli.

Die letzte Klappe war gefallen. Trotzdem dürfte das Kapitel nie für immer geschlossen werden, denn Milli Vanilli sind in der Rock- und Popgesichte für immer verewigt.

Programmhinweis From Fame to shame

01.01.2018 - ARD

http://programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Musik-und-Kultur/Popkultur/Startseite/?sendung=28722418541756

https://www.amazon.de/Milli-Vanilli-Shame-Robert-Pilatus/dp/B01MR1H92D

Interessantes von Filmemacher Oliver Schwehm

https://www.kino.de/star/oliver-schwehm/

https://www.moviepilot.de/people/oliver-schwehm

Aktuell - Fly Rocket Fly

https://www.moviepilot.de/movies/fly-rocket-fly

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