„Now is the Time“: Retrospektive von Kiki Kogelnik im Wiener Kunstforum

„She´s undoubtely the girl of the future“: Das schrieb einst im Jahr 1966 die US-Modezeitschrift Women´s Wear Daily über die damals 31jährige österreichische Künstlerin Kiki Kogelnik, die sich damals im New Yorker Dunstkreis von Andy Warhol, Roy Liechtenstein, Robert Rauschenberg, Claes Oldenburg und Carolee Schneemann bewegte. Das Fashion-Magazine hatte nicht ganz unrecht. 25 Jahre nach ihrem Tod aufgrund einer Krebserkrankung (1997) war Kogelnik mit ihren Mensch-Maschinen-Hybriden Teil der Venediger Biennale. Und das Wiener Kunstforum widmet Kogelnik, die bereits 2013 in der Kunsthalle Krems mit einer Sonderausstellung vertreten war, die bisher größte Retrospektive. Bezeichnender Titel: „Now is the Time“.

Die Kuratorin Lisa Ortner-Kreil hat nach einer dreijährigen Vorbereitungszeit – in Zusammenarbeit mit der Kiki Kogelnik Foundation – das Werk Kogelniks chronologisch angeordnet. Empfangen werden die Besucher allerdings von einem ihrer bekanntesten Werke, dem „Painter“ aus dem Jahr 1975, das eines ihrer künstlerischen USP´s zeigt, das Ausschneiden ihrer (bzw. anderer) körperlicher Umrisse, die dann für die weitere Gestaltung ihrer Kreationen verwendet werden.

Galerie St. Stephan

Kogelnik stammt ursprünglich aus dem kärntnerischen Bleiburg und studierte ab Herbst 1955 Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dabei schloss sie Bekanntschaft mit der Avantgarde-Gruppe rund um die Galerie St. Stephan (der u.a. Mäzen Otto Mauer, Arnulf Rainer oder Hans Hollein angehörten). Obwohl Männerdomäne, präsentierte sie dort 1961 ihre erste Einzelausstellung, die von abstrakten Malereien geprägt war. Tatsächlich zog es sie damals schon in das Art-Epizentrum New York („challenging“), wo die Kosmopolitin ein eigenes Atelier bezog und ihren eigenen Stil entwickelte.

Szene New York

„Kiki is an original. Her Style is part bohemian, part film star, part intellectual“, so der Kunstkritiker Robert Fulford im Toronto Daily Star. Kogelnik erlangte Popularität in der Szene nicht nur durch ihre grellen Kunstwerke (wie „Fly me to the Moon“, 1963), sondern auch durch ihren schrillen Fashion-Look, ihre lebenslustige Art und ihre Performances. So fabrizierte sie aus ihren körperlichen Umrissen Schaumstofffiguren und trug diese in New York und in Wien durch die City-Streets. In der wilden Sixties-Dekade entstanden ebenso die – im Hauptraum positionierten - knallbunten „Bombs in Love“ und die auf Kleiderbügeln platzierten „Hangings“, die – aus Vinyl bestehend – ebenfalls auf den Umrissen Kogelniks basieren. Der Kleiderbügel steht dabei nicht nur als Symbol für weibliche Rollenklischees, sondern auch für illegale Abtreibungen.

Space Art

Ein Sonderraum der Ausstellung widmet sich einem besonderen Faible Kogelniks, der Space Art. In der Mitte steht der rekonstruierte „Lover Boy“ (1963), ein überlebensgroßer Roboter, der aus Backformen (!) und Rohren besteht. Zu sehen sind auch Ausschnitte des legendären „Moonhappenings“ in der Galerie nächst St. Stephan. Kogelnik veranstaltete dort ein Public Viewing der ersten Mondlandung am 21. Juli 1969 und erstellte dazu parallel Siebdrucke mit Datum und genauer Uhrzeit.

Frauenbilder

In den 70er Jahren setzte Kogelnik feministische Akzente, indem sie die Rolle der Frau in der patriarchalen Gesellschaft hinterfragte. Weltberühmt ist ihr Sujet „Women´s Lib“ aus dem Jahr 1971, das Kogelnik mit ihrem „Lieblingswerkzeug“, der Schere, und ausgeschnittenen Körpersilhouetten zeigt. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen die bunten, lebensgroßen „Frauenbilder“, bei denen Kogelnik Hochglanz-Fashion-Magazine als Vorlage verwendet. „My paintings are about woman, about illusions woman have about themselves“, so Kogelnik, die die ästhetisch wunderschönen Frauenkörper mit geisterhaften, blassen Gesichtern und subtil-ironischen Elementen kombinierte. Beim Gemälde „Superserpent“ (1974) trägt die Frau einen Medusa-Schlangenkranz auf dem Kopf und eine Schlange in der Hand. Im Jahr 2019 wurde dieses Meisterwerk – bei einem Schätzwert von 20.000 Euro – um 162.500 Euro versteigert. Eine verspätete (postmortale) Genugtuung für Kogelnik, die damals laut ihrer privaten Tagebuchaufzeichnungen an der Akzeptanz ihrer Kunst zweifelte („I´m only the Doctor´s wife cooking. My Social standard is wrong“).

Spätwerk

Kogelnik war zeit ihres Lebens stets für neue Techniken und Stilgattungen aufgeschlossen. Sie besuchte an der New Yorker University einen Filmkurs und drehte danach im Jahr 1978 einen Kurzfilm über den Underground-Punk-Club „CBGB“, u.a. mit dem Schriftsteller Jim Carroll, Blondie und den Ramones. In der Retrospektive sind natürlich auch ihre Keramik-Arbeiten und ihre Glasköpfe (die „Venetian Heads“) zu sehen. Bei den weltweit ausgestellten „Expansions“ vermischte Kogelnik die Keramik mit der Malerei, das Verhältnis zwischen Leben und Tod steht immer mehr im Mittelpunkt ihres Spätwerks. Eines der Highlights der winkende, lachende Tod mit einem „Hi“ auf der Stirn und drei Keramik-Gesichtern über dem Gemälde. Ein ironisch, aber auch bitter anmutendes Kunstwerk Kogelniks, die am 1. Februar 1997 im Alter von 62 viel zu früh gestorben ist.

Mit ihren Themen ist Kogelnik 26 Jahre später am Puls der Zeit. Und der Hype um die österreichische Weltbürgerin wird so schnell nicht abreißen: „Now is the Time“ wandert nach dem Wiener Kunstforum ins Kunsthaus Zürich und danach in das Kunstmuseum Brandts in Odense. New York Calling nicht ausgeschlossen.

Oliver Plischek

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