Sorgen "hessische Verhältnisse" in Bayern 2018 für die Etablierung der AfD in Regierungskoalitionen?
In 2018 wird wieder gewählt. In Bayern. Also in dem Bundesland, das bis auf wenige Ausnahmen seit 1946 mit absoluter Mehrheit von der CSU regiert wird.
Nun hat sich aber seit dem Spätsommer 2015 die Parteienlage in Deutschland massiv verändert. Mit der AfD zieht eine konservative Partei in immer mehr Landtage ein. Teilweise mit überraschend hohen Ergebnissen, besonders im Osten Deutschlands.
Bislang konnte man sich in Bayern entspannt zurücklehnen: Die absolute Mehrheit wurde in den letzten Jahrzehnten nahezu immer erreicht. Einzig 2008 erhielt man nur 92 der 187 Sitze, somit fehlten 2 Sitze, um im Alleingang regieren zu können. Verantwortlich war seinerzeit vorallem die FDP (8,0%) und die Freien Wähler (10,2%), aber auch die Linken (4,4%), die für das desaströse CSU-Ergebnis (ein minus von 17,3%) verantwortlich zeichneten. Davor war man zuletzt 1958 auf Koalitionspartner angewiesen.
Nun kommt jedoch alles anders: Die CSU ist erstmals seit Franz-Josef Strauss in entscheidenden Themenbereichen, allen voran in der Migrationspolitik der Kanzlerin, innerhalb der Union deutlich anderer Meinung als die Schwesterpartei CDU.
Ob dies alles nur ein schmieriges Komödienstadl getreu dem Motto „Guter Bulle – Böser Bulle“ ist, sei mal dahin gestellt. Man kann sich gut vorstellen, dass beide Parteichefs, Merkel wie auch Seehofer, zunächst mal nur den Machterhalt der Union bei der kommenden Bundestagswahl im Auge haben. Aber hat die CSU auch schon mal einen Schritt weiter gedacht?
Hier mal ein mögliches Szenario: Die Union bleibt auch 2017 an der Macht. Rot-rot-grün scheitert knapp. Also wurstelt man in der Großen Koalition weiter. Speziell in der Migrationspolitik ändert sich außer ein paar wahlkampftaktischen Nebelkerzen nichts, der Kurs der Kanzlerin wird stringent weitergeführt. Vorallem diese Politik hat dafür gesorgt, dass die AfD mit einem ordentlichen Ergebnis, realistisch wären 10-15%, in den Bundestag einzieht und womöglich drittstärkste Kraft wird.
Im Folgejahr tritt nun ein, was aus Sicht der CSU zu befürchten, aber nicht zu verhindern war: Sie wird nicht mehr als einzige Partei in Deutschland wahrgenommen, die noch einen konservativen Politikkurs fährt. Stattdessen hat sie vielmehr durch ihre Vielzahn an Sprüngen als Tiger und Landung als Bettvorleger deutschlandweit an Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Wäre es nun denkbar, dass ein Wahlergebnis entstünde, in dem die CSU nur noch eine einzige Option zur Regierungsbildung hat, nämlich das Koalieren mit der AfD? Wäre es so unrealistisch, dass die SPD in Bayern komplett abtaucht und um die 10% erreicht? Dass die CSU ihrerseits klar unter die 40%-Marke fällt? Dass also einzig schwarz-blau eine Regierungsmehrheit stellen würde, sieht man mal vom Fantasiegebilde „AfD-SPD-Grüne-Linke-FDP-Freie Wähler“ ab? Zur Erinnerung: Bereits 2008 reichte es für die CSU nur noch für 43,4%. Da war weder eine AfD in Sicht noch eine solche Dissonanz innerhalb der Union vorhanden.
Wie würde die CSU nun reagieren? Mit einer Minderheitsregierung unter Tolerierung der Oppositionsparteien und damit allen voran der AfD? Unvorstellbar und auch nicht wirklich regierungsfähig. Oder mit ernsthaften Koalitionsgesprächen mit den „Blauen“? Bestünde hier vielleicht gar die Chance, die AfD als Regierungspartei auf Landesebene zu etablieren?
Man erinnere sich an den Aufschrei, als die Grünen anno 1982 in den hessischen Landtag einzogen und 1985 gar zusammen mit der SPD die erste rot-grüne Landesregierung stellten. Damals mit dem Minister Joschka Fischer und seiner mittlerweilen legendären Vereidigung in Turnschuhen. 1982 prägten sie maßgeblich den Begriff „hessische Verhältnisse“, der eine Regierungsbildung unmöglich machte. Die Grünen bezeichneten sich damals übrigens selbst als „Anti-Parteien-Partei“, eine Parallele zur AfD, die das Parteiensystem ebenfalls kritisch hinterfragt.
Braucht es also vielleicht ein derartiges Wahlergebnis, auch, um die AfD in die Regierungsverantwortung zu zwingen? Regierungsarbeit ist schließlich etwas anderes als ständig aus der Opposition heraus alles kritisieren zu können. Bieten also „hessische Verhältnisse“ in Bayern die Basis für die langfristige Etablierung der AfD in Regierungskoalitionen?
Man darf gespannt sein, ob sich „Hessen 1985“ wiederholt. Die Parallelen sind zumindest in Ansätzen erkennbar.
Olaf Kosinsky/Skillshare.eu https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2015-07-04_AfD_Bundesparteitag_Essen_by_Olaf_Kosinsky-202.jpg – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jörg_Meuthen_2015_(portrait).jpg