Wie wenig sinnvoll die politischen Zuordnungen sind – ein Fallbeispiel...

(c) Kenneth Brockmann / PIXELIO www.pixelio.de

Ich bin 36 Jahre alt, festangestellt in einem mittelständischen Unternehmen, verheiratet, Hausbesitzer, habe einen Hund und erwarte das erste Kind mit meiner Frau – klingt ziemlich normal, oder? Ist es auch. Klassischer "Mittelstand" würde ich mal sagen...

Politisch gesehen sind wir derzeit in einer Situation, in der offenbar jeder irgendeinem Lager zugeordnet werden muss. Und zack – bin ich wohl urplötzlich politisch im tiefbraunen Eck versunken. Von heute auf morgen. Und das nur, weil eine Kanzlerin, die ich nicht gewählt habe, auf eine "plötzlich" auftretende Migrationsbewegung mit Maßnahmen reagiert, die mich nur mit dem Kopf schütteln lassen.

Seit ich wahlberechtigt bin, habe ich keine einzige Wahl verpasst. Meistens habe ich die SPD gewählt, da ich mich als Arbeitnehmer seinerzeit von ihr noch gut vertreten gefühlt hatte. Zwischenzeitlich habe ich dann mal die FDP, mal sogar die CDU gewählt. Bin ich dadurch nun rechts, links oder "die Mitte"?

Gehen wir mal die Fakten durch, damit ich endlich mein "politisches Lager" finden und entweder mit Fähnchen und "Welcome"-Plakaten am Bahnsteig stehend Teddybären verschenken oder mich dem heugabelschwingenden und fackelntragenden Nazipack anschließen kann, das den Osten dieses Landes fest umklammert. Man muss ja wissen, wo man hingehört...

Also...

Ich bin rechts, weil ich eher mit der CSU als mit ihrer Schwesterpartei konform gehe, was die Flüchtlingspolitik angeht.

Ich bin rechts, weil ich die Ansätze der AfD, vorallem in der Anfangszeit unter Herrn Lucke, gut finde.

Doch halt!

Ich bin plötzlich ja auch links, weil ich die aktuelle AfD für nicht wählbar halte. Nicht, weil sich ihr Programm grundlegend ändert, sondern weil sie einen Zulaufpunkt für viele (in meinen Augen zu viele) rechtsextreme Kräfte bietet.

Ich bin links, weil ich für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen bin, die in ihrer Heimat vor Krieg und Terror fliehen.

Ich bin links, weil ich einsehe, dass Hilfe in Form von Sprachkursen sinnvoll und notwendig ist und weil ich meine, dass die Zustände in den Aufnahmelagern unzumutbar sind.

Stop!

Ich bin doch wieder rechts, weil ich der Meinung bin, dass diese Flüchtlinge nur die Leistungen erhalten sollten, die ihnen gesetzmäßig zustehen.

Ich bin rechts, weil ich für konsequente Abschiebung von abgelehnten Asylsuchenden bin, auch unangekündigt nachts um drei Uhr.

Ich bin rechts, weil ich der Argumentation der AfD oder ALFA folgen kann, dass wir wieder zur Einhaltung geltenden Rechts zurückfinden müssen!

Ich bin rechts, weil ich Zustände, wie sie uns am Kölner Silvesterabend spürbar vor Augen geführt wurden, in "meinem" Land nicht haben möchte.

Aber Moment mal...

Bin ich nicht auch wiederum links, weil ich Verständnis habe, dass diese Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen und sich nicht einfach in unsere "abendländische" Kultur integrieren lassen?

Ach nee!

Ich bin doch rechts! Alleine der Begriff "abendländische Kultur", also bitte! Das ist doch Nazi-Sprech, oder nicht?

Also bin ich doch rechts, alleine schon, weil ich mich sorge, dass die Kultur in Deutschland, so wie ich sie kennen und schätzen gelernt habe, durch diese massive Zuwanderung stark bedroht ist.

Nein nein nein,

ich bin links, weil ich ja auch Migranten in meinem Freundeskreis habe, wie soll das denn bitte als "Rechter" gehen?

Ich bin links, weil ich Pazifist bin und prinzipiell jede Form von Gewalt ablehne!

Ich bin links, weil ich die Vermögensverteilung in unserem Land zunehmend kritisch sehe und der Meinung bin, dass man die Superreichen stärker zur Kasse bitten sollte, auch wenn sie den Wohnsitz ins Ausland verlagern, die USA machen das schließlich auch...

Ich bin links, weil ich für die Demokratie einstehe und diktatorische Strukturen ablehne. Ich bin sogar für deutlich mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild!

Oh nein!

Das wollen AfD und Co. ja auch, also bin ich doch wieder rechts!

Was mache ich denn nun? Ab zum Frisör, Glatze scheren lassen, Bomberjacke kaufen und Stiefel schnüren? Oder im Stuhlkreis diskutieren, meinen Namen tanzen und einen Schwung Teddybären für die "Geflüchteten" kaufen?

Was bin ich denn nun eigentlich?

Wer bis hierhin durchgehalten hat: Zunächst vielen Dank für die Geduld. Ich breche an dieser Stelle mal ab, obwohl man sicher noch ein paar Zeilen hinzu fügen könnte.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich einige in den oben genannten Punkten wiederfinden. Und zwar nicht nur die "Gutmenschen" (ein furchtbares Wort!), die am Bahnsteig die Flüchtlinge in Empfang nehmen, ebenso nicht nur die "besorgten Bürger" (ein furchtbares Wort!), die als Pack (ein besonders furchtbares Wort!!) ihre Bedenken äußern möchten und hierbei von Rechtsextremen unterlaufen und von Linksextremen attackiert werden.

Die Schwarzweißmalerei in der Flüchtlingsdebatte sollte zügig aufhören und man sollte sich sachlich mit den entstandenen und noch entstehenden Problemen beschäftigen. Ansonsten ist der ohnehin schon entstandene Riss in der Gesellschaft auf Dauer nicht zu kitten!

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