Ende der politischen Stabiltität

Im Südosten des Landes herrscht ein erbitterter Kampf. Sicherheitskräfte versuchen die kurdische Bevölkerung mit Gewalt einzuschüchtern. Bei den Neuwahlen sollen Stimmenzuwächse für die HDP verhindert werden.

Es ist ein verstörendes Video, das sich am vergangenen Sonntag durch die sozialen Netzwerke verbreitet. Ein lebloser Körper ist an einem PKW angekettet und wird durch die Straßen der südöstlichen Stadt Sirnak gezogen. Bei dem toten Mann handelt es sich um den Schwager einer HDP-Abgeordneten. Wenn man einen genauen Blick auf das Video wirft, erkennt man, dass es sich bei dem Wagen um ein Polizeiauto handelt. Der Mann, der für die Untergrundorganisation PKK gekämpft hat, wurde offensichtlich von Sicherheitskräften getötet und von diesen auch geschändet.

Da ich die mediale Darstellung von Todesopfern ablehne, wird das Bild hier nicht gezeigt.

Reine „Vorsichtsmaßnahme“

Kurz nach Bekanntwerden dieser Tat warf die AKP der PKK vor, dass das Video eine Fälschung sei. Die Regierungsnahe Tageszeitung „Aksam“ berichtete jedoch, dass es sich um ein echtes Video handelt. Allerdings rechtfertigt sie die Vorgehensweise der Polizei damit, dass das Fesseln eines „toten Terroristen“ an einem Vehikel und das anschließende ziehen durch die Straßen in Konfliktgebieten üblich und eine reine „Vorsichtsmaßnahme“ sei. Zynischer geht es kaum.

Dieses Ereignis ist nicht nur verstörend. Es gibt ein Eindruck davon, in welche negative Richtung sich das Land in nur wenigen Monaten entwickelt hat.

Ende der politischen Stabilität

Mit der Parlamentswahl am 7. Juni endete in der Türkei eine Phase der politischen Stabilität. Die Reaktion des Präsidenten auf das Wahlergebnis, insbesondere auf den Einzug der Kurdenpartei HDP, hat das Land um 20 Jahre zurückgeworfen. Statt das Wahlergebnis anzuerkennen, hat Recep Tayyip Erdogan den Kurdenkonflikt wiederaufflammen lassen, um den Kurden ein Exempel zu statuieren.  In zahlreichen türkischen Städten kam es daraufhin zu pogromähnlichen Zuständen, bei der kurdische Geschäfte, Wohnungen und Parteibüros der HDP geplündert wurden. Erdogan-Anhänger stürmen mit „Allahu Akbar“-Gebrüllen Medienhäuser, die regierungskritisch berichteten. Selbst Polizisten beteiligten sich an Plünderungen. Sinnbild dieses Konflikts wurde die südosttürkische Stadt Cizre. Sie wurde tagelang vom Rest der Welt abgeschnitten. Bei den Kämpfen kamen auch Zivilisten ums Leben.

Korruption

Der sonst so selbstsichere Erdogan wirkt allmählich nervös. Umfragen deuten erneut auf eine Wahlschlappe der AKP hin. Sollte die AKP aus der Regierung ausscheiden, kämen korrupte Machenschaften der Partei ans Licht. Die Ereignisse rund um die Gezi-Proteste, der protzige Präsidentenpalast, der Berichten zufolge ein Schwarzbau ist sowie illegale Parteifinanzierungen wären Gegenstände von Gerichtsverhandlungen. Damit die Wahl aus Erdogans Sicht erfolgreich ausfällt, ist er auf die Stimmen der Nationalisten angewiesen, die einen Frieden mit den Kurden unter allen Umständen verhindern wollen.

Angesichts der heiklen Lage im Südosten des Landes ist es fraglich, ob die Neuwahl am 1. November regulär verlaufen wird. Käme das dem Präsidenten nicht gelegen? Der Stimmenanteil der HDP lag hier bei der Wahl am 7. Juni zwischen 61 und 86 Prozent.

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Erkrath

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fischundfleisch

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