Warum Ostdeutschland so fremdenfeindlich ist

Ausländerfeindlichkeit ist in Ostdeutschland verbreiteter als in Westdeutschland. Historische, wirtschaftliche und strukturelle Gründe sind die Hauptursachen dafür.

Beginnen wir mit einer Filmszene: Mehrere Kahlgeschorene und mit rechtsextremen Symbolen tätowierte Männer steigen in ein Zug irgendwo in Sachsen-Anhalt. Auch eine junge Frau ist mit dabei, die Hauptprotagonistin in diesem Film. Gemeinsam randalieren sie volltrunken und pöbeln die Fahrgäste an. Als sie auf ein junges vietnamesisches Paar antreffen, werden diese brutal zusammengeschlagen. Die anderen Fahrgäste sind mittlerweile geflüchtet. „Kriegerin“ heißt der Film und thematisiert ein grundlegendes Problem in Ostdeutschland: Nirgendwo in der Bundesrepublik ist der Rechtsextremismus so stark vertreten und auch geduldet, wie im Osten.

Spießbürgerlich statt Springerstiefel

Hier ist ein gepflegter Rasen und eine ungestörte Nachtruhe wertvoller als die Grundrechte. Hier sitzt die NPD mit zweistelligen Werten in mehreren Gemeinderäten. Ihre Funktionäre patrouillieren in der Freizeit nicht mit Baseballschlägern auf den Straßen. In spießbürgerlichen Klamotten organisieren sie Familienfeste, engagieren sich in Sportvereinen und sind bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv. Während anderswo Menschen dieser Gesinnung mit Fackeln und Mistgabeln verjagt würden, befinden sie sie sich im Osten in der Mitte der Gesellschaft.

Migrantenanteil in Deutschland. Je dunkler die Farbe, desto mehr Migranten leben in dieser Region. Quelle: Bevölkerung mit Migrationshintergrund - Ergebnisse des Mikrozensus 2013, Statistisches Bundesamt.

Warum ist das so? Wieso schafft es die NPD in Reinhardtsdorf-Schöna, einem Dorf in der sächsischen Schweiz, 20 Prozent der Stimmen zu bekommen? Wie kommt es, dass jeder dritte ostdeutsche Bürger Ausländern Sozialmissbrauch unterstellt, obwohl sie deutschlandweit den niedrigsten Ausländeranteil hat? Welchen Grund hat es, dass Rassismus ausgerechnet in einem ehemaligen sozialistischen Staat häufiger vorkommt, als im kapitalistischen Westen?

Unwissenheit über Umgang mit Fremden

Ironischerweise ist der letzte Punkt der ausschlaggebende Teil für eine Erklärung. Anders als im Westen, wo es nach dem Krieg einen grundlegenden Entnazifizierungsprozess gab und freiheitlich-demokratische Strukturen etabliert wurden, wurde im Osten die Vergangenheit stiefmütterlich behandelt und ein totalitäres System durch ein anderes ersetzt. Alles was außerhalb des Systems kam war schlecht. Selbst als die DDR Gastarbeiter anwarb und eine vermeintliche Geschwisterliebe zu den sozialistischen Bruderstaaten pflegte, wurden diese nicht integriert. Der ostdeutsche Bürger hat nie wirklich vermittelt bekommen, wie man mit Fremden umgehen soll.

Dies wurde umso deutlicher, als die Mauer fiel und die Stacheldrahtzäune innerhalb Deutschlands verschwanden. Von einem Tag auf den anderen ersetzte der Volkswagen den Trabi, die Banane die „Spreewaldgurken“ und die „Tagesschau“ die „Aktuelle Kamera“. Ostdeutsche Städte galten als Tal der Ahnungslosen, weil die Menschen 50 Jahre kein Westfernsehen empfingen und sich deswegen kaum auf die moderne Gesellschaft im Westen vorbereiten konnten.

Eine vergessene Region

Ein Staat verschwand und mit ihr ein Gemeinschaftsbild, an dem sich rund 16 Millionen Menschen orientierten. Arbeis- und Perspektivlosigkeit gediehen schnell und mit ihr die Aggression gegenüber dem Staat und allem Fremden. Der Westen interessierte sich kaum für den Osten. Die ehemalige DDR wurde zu einer vergessenen Region. Während die ältere Generation ihren Frust an Stammtischen ausließ, suchten junge Menschen den Anschluss an braune Gruppierungen. Nicht anders ist beispielsweise die Entstehung des Nationalsozialistischen Untergrunds zu erklären, deren Mitglieder Mordend durch die Bunderepublik zogen und acht Türken, einen Griechen und eine Polizistin auf den Gewissen haben.

Zurück zur „Kriegerin“. Im Laufe des Films stößt die Hauptprotagonistin auf einen afghanischen Flüchtling. Zu aller erst ihren Frust und ihre Aggression an ihm auslassend, läuft sie zunehmend mit Zweifeln an ihrer Gesinnung durch die Welt. Letztlich beschließt sie sogar heimlich dem Flüchtling zu helfen und riskiert ihr Leben.

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