Über Schuldige reden wir später ...

Für die russischen Angreifer läuft in der Ukraine einiges sicher nicht so, wie von Russland beabsichtigt. Schließlich hatten sie die Absicht, mit ausgewählten Spezialeinheiten die ukrainische Regierung bereits in den ersten drei Tagen gefangen zu nehmen. Ob man sich darüber, dass diese "Kopf-ab-Strategie" nicht aufgegangen ist, freuen soll oder nicht, wird die Geschichte zeigen. Schließlich waren die von Lawrow in Antalya geäußerten Drohungen gegen Länder, die der Ukraine allzu eifrig Waffen liefern, unüberhörbar und ernst zu nehmen.

Zu begrüßen ist, dass es bisher nicht zu einem infernalischen Sturm auf Kiew gekommen ist - eine Zerstörung dieser Stadt wäre eine absolute Tragödie, ganz zu schweigen von den zu erwartenden Opfern auf beiden Seiten. In dieser Zeit erübrigt es sich auch, über Ursachen, Schuldige und Opfer zu debattieren, vielmehr braucht es eine rasche Kompromisslösung, die noch weitaus Schlimmeres verhindert. Die unrühmliche Rolle des Westens in den letzten zwei Jahrzehnten ebenso wie das Aufstacheln der Ukraine zu möglichst heftigem Widerstand wird später noch genügend Stoff für Historiker und Analysten liefern.

Unterschiedliche Interessen können ja nur durch einem Kompromiss gelöst werden. Allerdings führen Kompromisse in der Regel zu einer gewissen Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Deshalb müssen dem ersten großen Schritt, der geeignet ist, die Lage zu beruhigen, viele kleine Schritte folgen, mit denen man Vertrauen erzeugt und versucht, weiter bestehende Differenzen zu erkennen, zu verstehen und auszugleichen.

Ich gebe Analysten wie Gregor Gysi recht, der meint, die Tage Putins als russischer Präsident seien gezählt. Auch wenn das natürliche Sicherheitsbedürnis der Russen und deren tiefe Ablehnung des Vormarsches der NATO bis an ihre Haustüre verständlich ist, ist klar, dass jemand, der in einem lange schwelenden Konflikt die erste Kriegshandlung setzt, die von den Augen der Weltöffentlichkeit auch als solche bewertet wird (bei dem seit 2015 köchelnden Konflikt im Donbass mit bisher ca. 16.000 Opfern war das ja nicht der Fall) sein Ansehen in der Welt verspielt hat - es sei denn, er wäre Präsident der USA - die können sich offenbar jeden Angriffskrieg ungestraft und unsanktioniert erlauben. Daher wird es zu einer Ablösung Putins kommen (müssen), bevor an eine Bereinigung des Verhältnisses zwischen Russland und der europäischen Union zu denken ist.

Über allen Differenzen darf nicht vergessen werden, dass wir die Verpflichtung haben, für unsere Nachkommen eine intakte Welt zu bewahren. Allen Führern dieser Welt muss klar sein, dass ein friedliches Zusammenleben Verständnis, Respekt und auch Demut erfordert.

DimitriSevastopol/pixabay https://pixabay.com/de/photos/putin-politik-der-kreml-russland-2847423/

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