Was wäre passiert wenn Hitler an der Kunstakademie angenommen worden wäre? Was wäre wenn Napoleons Halsverletzung, als er einfacher Soldat war, einen Zentimeter tiefer gewesen wäre? Was wenn Alexander Fleming die verdorbene Probe weggeschmissen hätte und das Penicillin nicht gefunden hätte? Wenn Apollo 11 acht Sekunden länger gebraucht hätte und nicht genug Treibstoff für den Rückflug vorhanden gewesen wäre?

Am wohl letzten Tag Assads deshalb ein Blick zurück auf den ersten Tag des Bürgerkriegs. Auch hier zitterte die Geschichte. Es war ein Dummer-Jungen-Streich:

Im März 2011 hat eine Gruppe Jugendlicher in Daraa ein Graffiti an eine Wand gesprührt:

"Your turn has come, doctor" und meinten damit Bashar al-Assad.

Sie wurden festgenommen und gefoltert. Was folgte waren Proteste und Aufstände, die in über 13 Jahren Bürgerkrieg führten.

Viele Syrer widmen den heutigen Tag der Befreiung von Assad diesen jungen Jugendlichen.

Syrien im Februar 2011. Mouawiya Syasneh ist 14. Zusammen mit seinem Freund, Bashir Abazed und den anderen Jungs der Clique trifft er sich auf dem Fußballplatz in Daraa, ihrer Heimatstadt im Süden Syriens.

„Ich ging zur Schule und hab mit Freunden rumgehangen, erzählt er einem Reporter des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera. Ich ging in die 7.Klasse. Mein Traum war, später mal zur Uni zu gehen, ich wollte Wirtschaft studieren.“

Die Teenager reden über alles Mögliche, auch über Politik, den Jungs ist langweilig. Überall in der arabischen Welt gehen Menschen für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf die Straße, der sogenannte „Arabische Frühling“, in Tunesien ist der Präsident gestürzt worden, in Ägypten demonstrieren die Massen. Nur in Syrien herrscht Ruhe. Und wie ein Dummer-Jungen-Streich, eine Mutprobe, ein bisschen Blödsinn, wie ihn Teenager halt mal machen, kommt den Jungs in Daraa eine Idee: Sie kaufen Spraydosen und treffen sich in der kommenden Nacht – ganz heimlich, am Schulgelände. Auf die Schulmauer sprühen sie ein paar Sprüche: „Nieder mit dem Präsidenten“ und „Du bist dran, Doktor“ – so wird Assad als studierter Augenarzt genannt. Was die Jungs in dieser Nacht nicht ahnen: Ihre Worte, dieses kleine Graffiti auf der Mauer verändert ihr Leben und ihr Land, löst einen jahrelangen Krieg aus, die nach Angaben der UN größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit.

„Mein Vater fragte mich: Warum hast du das geschrieben? Ich sagte: Ich hab‘s einfach gemacht. Dann hat mein Vater mir geraten, mich zu verstecken. Er hatte Angst um mich.“

Die Jungen werden verhaftet und gefoltert

Denn am nächsten Tag verständigt der Schul-Hausmeister die Polizei, öffentliche Kritik am Präsidenten ist verboten. Die Jugendlichen tauchen unter, doch werden gefasst, ins Gefängnis geworfen und wochenlang von der Staatspolizei verhört, gefoltert und gequält.

„Sie haben uns geschlagen, sie sagten, sie bringen uns um. Sie haben uns in ein Badezimmer geschleppt, die Dusche aufgedreht und als wir nass waren, haben sie uns Elektroschocks verpasst. Sie haben uns an den Armen aufgehängt, der Schmerz in den Schultern war nicht auszuhalten. Wir hingen manchmal einen ganzen Tag an der Wand, unsere Füße konnten kaum den Boden berühren. Bis wir gestanden.“

Und Mouawiya, Bashir und die anderen damals 14,15-jährigen Jungs? Sie werden nach einem Monat freigelassen, um die Menge zu beruhigen. Doch da ist die Lawine, der Volksaufstand schon nicht mehr zu stoppen.

Was das kleine Graffiti von ihm und seinen Freunden ausgelöst hat – das hätte er nie erwartet.

„Erst spät haben wir gemerkt, dass wir einen großen Fehler gemacht haben. Wenn wir gewusst hätten, was passiert, hätten wir das Graffiti nie geschrieben.“

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