Die geopolitische Landschaft Europas hat sich in den letzten Monaten dramatisch verändert. Angesichts der zurückgezogenen Unterstützung der USA für die Ukraine zeigt sich der alte Kontinent von einer überraschend einigen und entschlossenen Seite. Es ist, als hätte Europa über Nacht seine Rolle in der Weltpolitik neu definiert.
Frankreich, traditionell oft als Einzelgänger in der europäischen Politik wahrgenommen, überrascht mit einer bemerkenswerten Einigkeit. Präsident Emmanuel Macron, unterstützt von seiner langjährigen politischen Gegnerin Marine Le Pen, setzt sich vehement für die Unterstützung der Ukraine ein. Diese unerwartete Allianz symbolisiert den Ernst der Lage und die Bereitschaft, über parteipolitische Grenzen hinweg zu agieren.
Großbritannien demonstriert seine Entschlossenheit mit konkreten Maßnahmen. Die Freigabe von 1,8 Milliarden Pfund für Flugabwehrraketen, die in Dublin produziert werden sollen, unterstreicht nicht nur die finanzielle Unterstützung, sondern fördert auch die innereuropäische Rüstungsindustrie. Premierminister Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron haben die Initiative ergriffen und arbeiten gemeinsam mit der Ukraine an einem Plan für eine einmonatige Waffenruhe als ersten Schritt zu einem möglichen Friedensabkommen.
Norwegen, bekannt für seine zurückhaltende Außenpolitik, überrascht mit der Bereitschaft, seinen gigantischen Staatsfonds für die Unterstützung der Ukraine anzuzapfen. Das sogenannte Nansen-Unterstützungsprogramm versprach langfristige militärische und finanzielle Hilfe bis 2030, mit einer Aufstockung auf mindestens 35 Milliarden norwegische Kronen für das kommende Jahr. Diese Zahl ist Geschichte: Aus dem Staatsfond, der 1,6 Billionen Euro wert ist, will Norwegen 300 Milliarden Euro sofort freimachen. Dies ist der Wert den Norwegen durch den höheren Energiepreis der letzten Jahre zusätzlich eingenomme hat. Für die Dauer des Konfliktes werden die jährlichen Einlagen von derzeit 200 Milliarden ebenfalls in die Verteidigung und Unterstützung der Ukraine gesteckt.
Deutschland, oft kritisiert für seine zögerliche Haltung in Verteidigungsfragen, packt nun die sprichwörtliche "finanzielle Bazooka" aus. Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz und Bald-Bundeskanzler Friedrich Merz, obwohl zurückhaltend bei der Entsendung von Bodentruppen, signalisieren die Bereitschaft zu massiver finanzieller Unterstützung.
Die jüngsten NATO-Beitritte Schwedens und Finnlands verstärken die nordeuropäische Flanke des Bündnisses erheblich. Diese Erweiterung, zusammen mit der unerschütterlichen Unterstützung der baltischen Staaten für die Ukraine, schafft einen robusten Verteidigungsblock im Norden Europas.
Die Zahlen sprechen für sich: Seit Kriegsbeginn hat Europa insgesamt 132 Milliarden Euro an die Ukraine gezahlt, während die USA 114 Milliarden Euro beigesteuert haben. Dieser Betrag wird vervielfacht. Diese Statistik verdeutlicht, dass Europa nicht nur willens, sondern auch fähig ist, die entstehende Lücke zu füllen.
Bemerkenswert ist auch die zunehmende Unabhängigkeit der Ukraine in der Rüstungsproduktion. Mit dem Ziel, bis Jahresende 50% der benötigten Waffen selbst zu produzieren, zeigt das Land eine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. Eutelsat bereitet sich darauf vor, die Starlink-Satelliten von Musk zu ersetzen, was die technologische Unabhängigkeit weiter stärkt.
Trotz des angekündigten Stopps von US-Geheimdienstinformationen zeigt sich die Ukraine widerstandsfähig. Eigene Netzwerke wurden aufgebaut, und Großbritannien als Mitglied der Five-Eyes wird weiterhin Informationen liefern. Der erfolgreiche Angriff auf Kursk, der ohne Wissen der Verbündeten durchgeführt wurde, demonstriert die wachsenden Fähigkeiten der ukrainischen Geheimdienste.
Die Ukraine kann noch bis zu sechs Monate weiterkämpfen, bevor der Ausrüstungsmangel durch Trumps Lieferstopp spürbar wird. In der Zwischenzeit liefert der Rest der Welt. Sogar in China gibt es Überlegungen, die Ukraine zu unterstützen, mit Blick auf langfristige strategische Interessen in Sibirien. Südkorea wird voraussichtlich bald ebenfalls Unterstützung leisten.
Es scheint, als hätte Europa endlich verstanden, dass es in der Lage sein muss, für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Die koordinierten Anstrengungen von Großbritannien und Frankreich zur Ausarbeitung eines Waffenstillstandsplans, die finanzielle Großzügigkeit Norwegens und Deutschlands sowie die klare Positionierung Italiens und der baltischen Staaten zeigen eine neue Entschlossenheit. Diese Krise könnte sich als Katalysator für eine stärkere, unabhängigere und selbstbewusstere europäische Sicherheitspolitik erweisen.