Ist ihm egal! Ficht ihn nicht! Der sitzt im Kreml und kommt eh nicht raus? Niemand kann ihm was! Russland hat Den Haag nicht anerkannt! Ist das wirklich so? Schauen wir genauer hin:
Grundsätzlich könnten Mord, Folter, Kriegsverbrechen überall auf dem Globus von jedem staatlichen Rechtssystem verfolgt werden; unabhängig von Ort und Zeit. Das nennt sich "Weltstrafrecht"
Es braucht eine Tat, eine Rechtsvorschrift, ein Opfer, Beweise und den Täter.
In Deutschland ist das seit einigen Jahren möglich. Es wurden Taten aus dem Völkermord in Ruanda, Warlords aus dem Kongo und Folterknechte von Assad vor deutschen Gerichten abgeurteilt.
Grundsätzlich ist es natürlich vorzuziehen, dass ein Staat seine Verbrecher selbst aburteilt. So macht des derzeit der Sudan, der zuerst das Verfahren gegen Omar-al-Bashir selbst durchzieht und ihn womöglich hängt. Solange es eine einigermaßen funktionierende Justiz in einem Land gibt, hat das Vorrang. Funktioniert diese nicht, kommt Den Haag ins Spiel. In Russland funktioniert diese nicht, also ist Den Haag gefragt - ein logischer Schluss.
Das ist ein Grund warum in Israel die Kampfpoliten streiken und sich gegen die Verfassungsänderung wenden. Netanjahu wird mit der Reform den Rechtsstaat aushebeln. Die Piloten können nicht mehr auf den wohlwollenden Schutz der eigenen Regierung und Justiz hoffen und müssen damit rechnen vor internationaler Gerichtsbarkeit zu landen.
Auch für Taten in der Ukraine wird es in Zukunft Gerichtsverfahren geben, in Deutschland, anderswo und in Den Haag.
In der Ukraine werden Kriegsverbrechen zum ersten Mal in der Geschichte von Anfang an penibel auf höchstem wissenschaftlichen und juristischen Standards dokumentiert. Zigtausende Verbrechen - tausende Täter wurden identifiziert. Heute ist das kein Problem mehr. Handyverbindungsdaten, soziale Medien, Gesichtserkennung, DNA und vieles mehr was die Forensic so mit sich bringt. Die Ukraine dokumentiert gerichtssicher wie kaum ein anderes Land das kann.
Kein russischer Soldat der ein Kriegsverbrechen begangen hat, kann sich in Zukunft sicher fühlen, wenn er ins Ausland reist. Das Dumme daran ist, er weiß oft nicht, dass er gesucht wird. Selbst Den Haag veröffentlich in der Regel nicht gegen wen es Haftbefehle ausgestellt hat. Putin ist also privilegiert.
Putin weiß vom Haftbefehl. Die Veröffentlichung ist dem Umstand geschuldet, dass sich Den Haag davon eine abschreckende Wirkung verspricht und die hat dieser Haftbefehl; selbst wenn Putin nie in Den Haag sitzen würde. Allein die Möglichkeit reicht.
Die Progadandisten in den russischen Medien haben ihre Schärfe teilweise schon reduziert. Sie versuchen den Russen Angst zu machen, dass jede Putzfrau im Kreml in Den Haag landen könnte. Dem ist nicht so, jeder wird immer noch nach seinem persönlichen eigenen Tatanteil be- und verurteilt. Kollektivstrafen gibt es auch im internationalen Recht nicht.
Vor dem internationale Sondertribunal für Ruanda wurde ein Propagandist, der die Leute über Radio zum Völkermord angehetzt hatte, zu lebenslanger Haft verurteilt. Simonjan, Solowjow und Kollegen können das jetzt nicht mehr ignorieren.
Jetzt hat Den Haag unseren Wladimir erstmal "eingeladen"; ich nenn es mal so, denn einen Handhabe hat Den Haag derzeit nicht wirklich. Wenn er nicht freiwillig kommt, dann wird gewartet; zweitranging wie lange; der Haftbefehl wird nicht mehr aufgehoben und schwebt wie ein Fallbeil auf Lebzeit über Putins Kopf. Putin kann nicht mehr in Länder reisen, die den internationalen Strafgerichtshof anerkennen. "Freunde" wie Brasilien, Mongolei, Südafrika, Afghanistan, viele afrikanischen Länder sind ab sofort für ihn Tabu. Er reist derzeit eh nicht, aber er wird auch in Zukunft genau überlegen wohin er reist und ob die dortige Regierung nicht etwas doch mit einer Auslieferung nach Den Haag liebäugelt. Der internationale Druck auf solche Staaten wird immens sein.
Auch gegen die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung, Maria Lwowa-Belowa, wurde Haftbefehl erlassen; sie kann sich glücklich fühlen, denn sie weiß jetzt vom Haftbefehl.
Viele seiner Komplizen wie Shoigu, Prigoshin, Kadyrow, seine Generäle, Entscheider in Politik und Armee werden es nicht erfahren, ob gegen sie ein Haftbefehl besteht. Für sie ist somit der Rest der Welt auch tabu. Und ob sich nicht irgendwann einmal Kasachstan, Aserbaidschan oder gar Belarus dazu durchringen, den einen oder anderen festzunehmen um sich international einen Vorteil zu verschaffen, weiß auch niemand so genau.
Staaten wie Indien werden sich nun sehr schwer tun, mit Putin weiterhin Ölgeschäfte zu betreiben. XI wird es weniger interessieren, ob er noch mit Putin Geschäfte machen kann; aber er wird sich genau überlegen, ob er in der Taiwanfrage ein ähliches Risiko eingehen will.
Slobodan Milosevic wurde von Serbien ausgeliefert, Karadic auch. Omar al Bashir wird vom Sudan ausgeliefert, sobald der Prozess im Sudan beendet ist. Der Sudan hat die Unterschrift unter den Vertrag zurück gezogen und doch ist eine Auslieferung von Omar al Bashir in wahrscheinlich; falls er nicht zuvor im Sudan gehängt wird.
Für Russland gibt es jetzt das gesichtswahrende Ende des Krieges: Putin wird abgesetzt und ausgeliefert. Russland hat einen Schuldigen und kann seine Politik und das Verhältnis zum Rest der Welt normalisieren.
Natürlich kann auch Russland selbst Putin den Prozess machen, dann wäre Den Haag überflüssig; so sollte es eigentlich auch immer sein, wenn die Justiz in Russland (wieder) funktioniert. Den Tod durch Urteil muss Putin ja nicht fürchten, die Todesstrafe ist in Russland abgeschafft; immerhin.
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