Ich bin mittlerweile staatenlos. Also in der Seele. Ich war sehr lange Schwedin. Weil ich dort geboren und aufgewachsen bin. Aber das bin ich nicht mehr. Wenn ich nach Schweden komme, bin ich Zuseherin. Ich gehöre nicht mehr dazu. Obwohl ich mich in vielen Dingen dort besser auskenne, als die SchwedInnen selber. Das macht der Blick von außen. Der stellt andere Fragen. In Österreich habe ich kaum schwedische FreundInnen. Erstens gibt es keine Community, vergleichbar wie die zb. die Türkische. Zweitens sind die SchwedInnen keine Rudeltiere (außer die Adeligen vielleicht). Sie versammeln sich selten und nur weil man Schwedisch spricht, muss man nicht FreundInnen werden. Außerdem sind die Schwedinnen, die in Österreich wohnen oft komisch. Wie oft habe ich nicht von Exil-SchwedInnen die Aussage gehört: "Du bist aber keine echte Schwedin." Ich habe nie verstanden, worauf sie das beziehen? Meine Schwedisch ist vielleicht ungeölt (mir fällt nicht zu 100% das richtige Wort im richtigen Moment ein, weil ich ja nicht dauernd Schwedisch rede), aber meine Aussprache ist komplett normal. Ich hab die längste Zeit dunkle Haare gehabt, aber meine Mutter, die aus Nordschweden kommt, hat auch dunkle Haare und die Samen, unsere UreinwohnerInnen, haben auch dunkle Haare. Und überhaupt 30% der SchwedInnen haben dunkle Haare. Ist meine Attitüde nicht schwedisch? Also, wenn ich mich mit den Medien-SchwedInnen vergleiche, die in Schweden grad als popig gelten, bin ich sehr schwedisch: Abenteuerlustig, intelligent, schlagfertig, frech, unternehmerisch, unkonventionell und ADHSig. Wenn ich mich mit tiefbürgerlichen Langweil-SchwedInnen vergleiche, bin ich wahrscheinlich nicht sehr schwedisch: Selbstverliebt, Geldverliebt, stolz auf die Familienlinie und patriotisch auf lächerlicher Weise. Einmal sagte mir auch so eine Geldadels-Halbschwedin, mit der ich ein wenig Umgang hatte, dass ich eigentlich keine echte Schwedin wäre, weil...keine Ahnung warum. Sie selber konnte nicht einmal mehr Schwedisch sprechen, weil sie schon als Baby in Salzburg gelebt hatte. Aber ihre Adelsfamilie hat Landgüter in Südschweden, wo sie sich im Sommer oft aufhält und das dürfte ihr so ein Gefühl geben von: Unserer Familie gehört das Land. Manchmal frag ich mich, ob es gerade diese SchwedInnen nach Österreich verschlägt? Weil sie hier irgendwie reinpassen? Hier, in dem Land, in dem alles in Familienhand ist. Oder die Partei deine Familie ist. Wieviele ÖVPlerInnen sind noch wahre Entrepreneure, die sich ohne Startvorteil am freien Markt bewegen? Wieviele SozipolitkerInnen haben noch nie einen Job außerhalb der Partei gehabt? Wieviele Medien und Unternehmen hätten jemals eine Chance ohne politische Förderung. Warum bekommen gerade die politische Förderungen und nicht andere, vielleicht spannendere Medien und Unternehmen? Warum muss man immer in einer Peergroup eingebettet sein, um einen Job oder einen Auftrag zu bekommen? Warum muss jede Person, die man einstellt, aus dem FreundInnenkreis stammen und so sein wie man selber, nur schwächer und weniger kompetent? Ich hab es selber erlebt: Nur weil ich was gut mache, erreiche ich nichts. Außer der Zuneigung der LeserInnen. Wenn ich was erreichen will, muss ich meine Kontakte aktiveren. Und das taugt mir nicht. Mir hat mal ein Chefredakteur (ich oute ihn nicht, weil ich glaube, dass er kompetener und selbstreflektierter ist als die meisten Chefredakteure) gesagt, dass er sein ganzes Leben herumgegangen ist und das Gefühl hatte, er sei nicht kompetent genug für den Job und bald würde man ihm auf die Schliche kommen. Er wäre sich immer überschätzt vorgekommen. In der selben Woche gestand mir ein Kulturmanager dasselbe. Interessant, dachte ich. Ist das hier die Norm? Ich selber habe eher immer das umgekehrte Gefühl gehabt: Ich werde unterschätzt. Man versucht mich dauernd unter meinen Wert zu handeln, mir das Gefühl zu geben, nicht kompetent genug zu sein, nicht ernstzunehmend zu sein. Und zusätzlich reflektiere ich mich auch noch immer ganz offen selbstkritisch und finde es grausslich zu großkotzig zu sein. Und ich bin auch mein eigener Massstab. Nur weil ich 2 Geschäfte betreibe, ein Elternblogportal, eine Familienzeitung "Familie Rockt", eine Fernsehshow, Dokus drehe, selber einen Blog habe, den 10.000 Leute lesen und nebenbei auch noch zwei leibliche und ein Pflegekind habe, bin ich ja nicht unbedingt cool, oder? Könnte ich nicht noch mehr und noch besser machen? Keine gute Kombi: Ich und Österreich.