Ich sah eine Doku über deutsche Jihadisten und konnte – ungläubig staunend – meinen Blick nicht abwenden.Vermummte Gestalten erklären in schnoddrigem Volksschülerdeutsch ihr Weltbild, sie plustern sich auf, sie sind sich ganz sicher, und im Bewusstsein, gerade große Wahrheiten von sich zu geben, bieten sie doch nur ein Bild der Jämmerlichkeit. Ich hatte sofort das Bild im Kopf, wie sie im Schulhof immer abseits standen und Mitschüler sie nie die Hausübung abschreiben ließen. Man kann sie als potentielle Mörder oder als Idioten betrachten. Oder – wie ein gescheiter Mensch es einmal formuliert hat – als hirngewaschene „Kindersoldaten“, die eigentlich Hilfe brauchen.Jihad ist der neue Punk, heißt es. Das ist gerade für Alt-Achtundsechziger und -punks schwer zu akzeptieren. Rebellion sucht doch nach Freiheit des Denkens, nicht nach Unterwerfung, Sektierertum und Gängelei. Aber gut, eingebettet in einer Gemeinschaft zum ersten Mal im Leben so etwas wie Klarheit und Eindeutigkeit zu verspüren und vielleicht sogar Herr über Leben und Tod zu sein, das kann schlechte Schulhoferfahrungen möglicherweise lindern.Als Beweis dafür, dass man in Syrien „völlig normal“ leben kann, posten sie Fotos von Cola und Nutella. Die Kinder im Körper eines Erwachsenen ziehen gegen die westliche Lebensweise in den Krieg und sind doch an Muttis Küchentisch sitzen geblieben. Ihre Finger tanzen über die Tastatur des Laptops. Wie sie überhaupt technikaffin zu sein scheinen. Die abartigen Enthauptungsvideos: Aufgenommen mit einer hochauflösenden Kamera (Sony?), in den Laptop (Apple?) übertragen, ins Internet gestellt und mit Smartphones (Samsung?) in sozialen Netzwerken verbreitet.Angenommen, das angestrebte Kalifat wäre seit Jahrhunderten Realität. Wäre das Internet erfunden worden? Wäre es nicht. Dazu fehlt im Koran der Satz „Gehet hin und erfindet das Internet!“. Das liegt nicht notwendigerweise am Koran. Wie aus jeder Sammlung bunter und einander widersprechender Texte mit Offenbarungsanspruch kann man herauslesen, was man will. Aber so, wie die Jihadys den Koran lesen, wird sich jeder hüten, etwas zu erfinden – die Gefahr eines irritierten Kalifen („Was soll denn das sein? Das ist bestimmt nicht gottgewollt!“) mit anschließendem Ungemach für den Erfinder wäre einfach zu groß.Im Kalifat gäbe kein Internet, keinen Laptop, kein Smartphone, keine Kamera, keine digitalen sozialen Netzwerke. Einzig das Messer wäre technologisch etwas, zu dessen Produktion man vermutlich in der Lage wäre. Man könnte also durchaus noch enthaupten – es würde aber maximal das nächste Dorf erfahren, nicht die ganze Welt.Ich frage mich, warum das noch niemand einen Jihady gefragt hat: Warum er gegen einen Feind kämpft mit Technologien, die es ohne diesen Feind nie geben würde.Vielleicht sollte man ihm sagen, dass die Technologie des Feindes böse ist und er erst dann ein gottgewolltes Leben führt, wenn er die Finger davon lässt. Und dass man mit einem Messer ja auch, nur so als Beispiel, einen Elefanten schnitzen könnte.Oder nein, vermutlich ist das Blödsinn. Besser wäre es wohl, ihm Folgendes zu sagen: Dass er unbeschadet und ohne zum Mörder geworden zu sein wieder zurückkehren möge an Muttis Nutellatisch. Um einen neuen Anlauf zu nehmen, erwachsen zu werden.