Darauf gebe ich ein glasklares „jein“. Auch wenn ich mir jetzt wahrscheinlich ein paar Bauern nicht gerade zu Freunden mache. Es ist mir ein Anliegen in der aktuellen Debatte rund um die Novelle zum Tierschutzgesetz und speziell zur sogenannten „dauerhaften Anbindehaltung“ MEINE ANSICHT darzulegen. Als langjähriger Almhirt habe ich selbst Kühe betreut. Und ja, auch zeitweise angebunden. Ich spreche also aus Erfahrung und habe keinen theoretischen, rein wissenschaftlichen Zugang.

Jein also. Was meine ich damit. Ich werde dazu etwas weiter unten kurz ausführen, wie ich meine Kühe auf der Alm gehalten habe. Weil ich denke, dass das schon noch repräsentativ für viele bäuerliche Betriebe vor allem in den inneralpinen Regionen Österreichs ist. In Tirol jedenfalls wird immerhin noch jede zweite Kug gealpt. In Salzburg, Vorarlberg und in den viehstarken Teilen der Steiermark wird das nicht viel anders sein. Aber unabhängig von der Alm jetzt, ist es schlicht so, dass die Kombination aus zeitweiliger, tageszeitlicher und saisonaler Anbindung im Stall und Weidegang oder zumindest Auslauf nach wie vor weit verbreitet ist. Eine ganzjährige Weidehaltung ist in Österreich zumindest im Milchviehbereich kaum möglich. Die Winter sind doch zu rauh und wenn Schnee liegt, findet die Kuh natürlich nichts zu essen - vielleicht in ein zwei Jahrzehnten, wenn das mit der Klimaerwärmung so weiter geht...

Meine Kühe auf der Alm waren etwa den ganzen Abend und die Nacht über auf der Weide. Zum Melken kamen sie oder holte ich sie, das war wetterabhängig, in aller Frühe in den Stall, wo ich sie eine neben der andere „an die Kette legte“. Jede Kuh hatte ihren fixen Standplatz, den sie sich auch merkte und auf den sie automatisch zusteuerte. Tagsüber bis zum Melken am Nachmittag verblieben sie an diesem Platz. Dies auch aus dem Grund, dass große Hitze und damit auftretendes Ungeziefer für Kühe im Freien untertags eine große Belastung gewesen wären. Kühe mögen es eher kühl und feucht.

Sicher, besser wäre ein großräumiger, offener Laufstall gewesen mit getrennten Funktionsbereichen fürs Fressen, Gehen, Liegen und Koten. So genannte Laufställe bieten heute in Österreich mehr als der Hälfte aller Milchkühe diesen zweifelsfreien Komfort. Es muss aber auch gesagt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Kühe in Laufställen nicht geweidet wird. Weidewirtschaft stellt vor allem Bauern mit großen Viehbeständen vor schwierige logistische Aufgaben (hundert und mehr Kühe Tag für Tag aus- und einzutreiben, das ist gar nicht so einfach!). Auch das Futtermanagement ist gewiss eine größere Challenge, wenn ich die Weide als Futterbasis mit dabei habe.

Das heißt, Laufstall-Kühe haben zwar im Stall jede Bewegungsfreiheit (bei optimaler Stallkonzeption), Gelegenheit zu den wichtigen Sozialkontakten untereinander und zur Fellpflege etc. An die „frische Luft“, unter den blauen Himmel, in den sanften Regen kommen sie (zumeist) nicht. Man wird diese Kühe nicht wie die meinen auf der Alm auch mal galoppierend, den Schwanz in der Höhe und mit den Hinterläufen ausschlagend, als wären sie plötzlich Pferde, auf der Weide herum springen sehen. Damit will ich nicht gesagt haben, dass Lauftstallkühe nicht gut gehalten werden! Und natürlich haben Kühe, vor allem die nach den Bio-Richtlinien gehaltenen, oft sogar die optimale Kombination aus Laufstall und Weidegang. In Summe ist das aber nur ein kleiner Teil der österreichischen Milchkühe.

Zumeist wird die Kuh entweder ganzjährig im Laufstall gehalten oder in der Kombination aus Anbindehaltung mit Weidegang bzw. Auslauf. Das muss man wissen. Für letztgenanntes Modell versuchen die Molkereien und Bauernverbände gerade den neuen Begriff „Kombinationshaltung“ einzuführen. Der Begriff ist zwar neu, was er bezeichnet, darf aber getrost als DIE traditionelle Form der alpinen Milchkuhhaltung bezeichnet werden. Ob in der Schweiz, in den südlichen deutschen Bundesländern, den alpinen Regionen Frankreichs, Italiens oder eben auch Österreichs – hier überall überwiegt nach wie vor die Kombinationshaltung.

Kombinationshaltung und Tierwohl?

Wenn ich an meine Almerfahrung und an die vielen Betriebe zurück denke, die ich während dieser Zeit kennengelernt habe, welche Anbindehaltung mit Alpung und saisonalem Weidegang kombinieren, dann getraue ich mir zu sagen, dass es den allermeisten Kühen dabei nicht schlecht gegangen ist, um das mal salopp zu formulieren. Wie der Bauer mit seinem Vieh umgeht, ist ja dann noch mal eine eigene Frage von großer Bedeutung, aber dieses Fass mache ich heute nicht auf.

Kombinationshaltung stellt nach meiner Erfahrung bei guter Ausführung und technischer Umsetzung also eine nicht nur traditionelle sondern auch zukunftsfähige Form der Milchkuhhaltung dar. Es ist, um, spät aber doch, einen wichtigen, nämlich den ökonomischen Aspekt ins Spiel zu bringen, vielen Kleinbauern schlicht nicht möglich eine schönen, großen Lauftstall hinzuzaubern, wo jetzt der Anbindestall steht – einmal ganz vom oft nicht vorhandenen Platzbedarf abgesehen. Nicht wenige Bauern, die hier „ökonomisch gezaubert“, in einen neuen und größeren Laufstall investiert und dabei ihren Viehbestand „gespiegelt“ (also verdoppelt) haben, sehen sich heute vor dem finanziellen Ruin, wenn nicht schon danach.

Diskussion um Anbindehaltung

In den letzten Jahren steht die Anbindehaltung zunehmend in der Kritik. NGOs, Tierschützer bzw. Tierrechtler sehen in ihr eine veraltete, für das Tierwohl inakzeptable Haltungsform. So mancher Konsument springt auf den Zug der Kritiker auf, den diese gezielt durch die sozialen Medien steuern. Der Lebensmitteleinzelhandel hat längst Wind davon bekommen und denkt bereits hie und da laut darüber nach, Milch aus Anbindehaltung zukünftig auszulisten.

Was dies für die österreichische Milchlandschaft hieße, lässt sich leicht ausmalen. Wird die Anbindehaltung in Bausch und Bogen verbannt, dann „Ade Milchkuh!“ in weiten Teilen Österreichs. Ich würde das schmerzlich bedauern. Es geht dabei um viel mehr als nur um Milch und Fleisch. Die Kuh als wichtigste Gestalterin des alpinen Grünlands und der Bauer, der sie hält, sie behaust, sie füttert, tränkt und so weiter, sind DIE Kulturlandschaft bildenden Elemente par excellence. In weiten Teilen Österreichs. Mehr brauch ich wohl nicht zu sagen.

Exkurs „dauernde Anbindehaltung“

Die Novelle zur Tierhaltungsverordnung, welche vor wenigen Monaten das Parlament passiert hat, sieht vor, dass eine dauernde Anbindehaltung grundsätzlich verboten ist. Diese besteht dann, wenn die Tiere weniger als 90 Tage pro Jahr Auslauf haben. Weiter heißt es aber: „Zwingende rechtliche oder technische Gründe können den Tierhalter allerdings von dieser Pflicht entbinden.

Solche Gründe sind:

• das Nicht-Vorhandensein von geeigneten Weideflächen oder Auslaufflächen,

• bauliche Gegebenheiten am Betrieb oder in einem bestehenden Ortsverband sowie

• Sicherheitsaspekte für Menschen und Tiere, insbesondere beim Ein- und Austreiben der Tiere.“

Diese Entscheidung wurde in der Zwischenzeit sowohl von NGOs als auch vom Volksanwalt kritisiert. Die Formulierung dieser Ausnahmen sei schwammig und lasse dem Bauern zu viel interpretatorischen Spielraum. Im Grunde könne jeder Bauer jederzeit sagen, ein Austreiben sei für ihn mit einem Risiko für Mensch und Tier verbunden und so die Sinnhaftigkeit einer Ausnahmeregelung ad absurdum führen. Ich persönlich teile diese Kritik, auch wenn ich die Meldepflicht, die mit der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung ab 2019 verbunden ist, als leichte Verbesserung der Situation ansehe. Ob diese dazu führen wird, dass sich die dauernde Anbindehaltung von selbst erledigt, wage ich aber zu bezweifeln.

Unlängst irgendwo in Tirol…

Ich gehe spazieren und bemerke weidendes Jungvieh. Keine Kühe. Diese sehe ich dann ein paar Minuten später. Angebunden im Stall. Der Bauer füttert sie gerade. Ich frage ihn, ob das sein Jungvieh ist, das ich zuvor auf der Weide gesehen habe. Ja, das ist seins. Und die Kühe, frage ich weiter, kommen die auch mal raus? Ob ich von den Tierschützern bin, kommt jetzt die Gegenfrage. Ich lächle und verneine und erkläre ihm die Hintergründe meiner Neugier. Daraufhin sichtlich Entspannung beim Bauern, das Gespräch ist fortan von gegenseitigem Respekt getragen. „Ja“, sagt er, „die Kühe kommen nächste Woche auf die Alm. Bis Ende September und dann je nach Witterung sicher noch einige Wochen auf die Herbstweide.“ Erst letztes Jahr hat er den Stall modifiziert. Den Standplatz für jede Kuh vergrößert. 14 Kühe hat er, der Bauer, vorher waren’s 16. Ein Lauftstall hätte niemals Platz gehabt, dann hätt er’s gleich bleiben lassen können.

Seine Offenheit ermuntert mich und ich frage ihn geradeheraus, was er von der Debatte um die dauernde, ganzjährige Anbindehaltung hält. Für ihn kommt das nicht in Frage, meint er, die Kühe das ganze Jahr anbinden. Da fehlt ihm eigentlich jedes Verständnis dafür. Er weiß auch, dass die dauernde Anbindehaltung ein schlechtes Licht auf jede Form der Anbindehaltung wirft. Seine Kühe sind gesund und er schaut auf sie. Er glaubt schon, dass das Tierwohl bei ihm nicht zu kurz kommt.

Ich höre mir das alles an, während die Kühe neben uns das frisch gemähte Gras hinunter mampfen. Mein Gefühl und das, was ich sehe, sprich die Kühe, wie sie aussehen und sich verhalten, sagen mir, dass sich hier einer bemüht, dass es einer gut macht, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Am Ende des Gesprächs vertraut mir der Bauer noch an, dass sein Nachbar nur wenige hundert Meter weiter, seine Kühe das ganze Jahr über im Stall hat – „Das hast jetzt aber nicht von mir!“, so seine abschließenden Worte.

Ich bedanke mich für das Gespräch und gehe weiter. Am Nachbarhof angekommen, sehe ich, dass dieser allseits von Weiden umgeben ist. Optimale Flächen, gar nicht steil, leicht einzuzäunen. Der Bauer bräuchte nur die Stalltür aufmachen, denk ich mir…

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baur peter

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