...nein, nicht in den USA, Neuseeland oder der EU! Auch nicht in Indien, dem weltweit drittgrößten Milchproduzenten. Die größte Milchfarm der Welt steht mitten in Saudi Arabien. Weißes statt schwarzes Gold aus der Wüste sozusagen. Petrodollars und der saudische Milchdurst machen’s möglich. Ökologische Aspekte spielen keine Rolle. Für jeden Liter Milch werden etwa 2500 bis 3500 Liter Wasser verbraucht*. Noch einmal: In der Wüste!

Mit Danone beteiligt sich im Rahmen eines Joint Ventures auch der größte französische Milchriese – hinter Nestlé die Nummer zwei in Europa – an diesem Wahnsinn. Weil in der EU wahrscheinlich noch nicht genug Milch produziert wird...

Warum ist das interessant?

Einerseits, weil es eines der vielen Beispiele dafür ist, wohin sich die menschliche Hybris versteigt, wenn das Geld aus der Erde sprudelt. Ob Schihallen in Dubai, künstliche Inseln vor Abu Dhabi oder eben Milch aus der Wüste – dem Wettrennen um den Preis für die größte Absurdität sind offenbar kaum Grenzen gesetzt.

Andererseits und meines Erachtens noch beunruhigender, weil dieses Beispiel zeigt, wie weit sich landwirtschaftliche Prozesse heute von ihren gewachsenen, naturnahen, ökologisch sinnvollen Strukturen entfernen können. Und weil es zeigt, wie sehr Nutztiere aus einer für sie ursprünglich passenden Nutzungsform in ein technisch hoch gerüstetes Produktionsschema hinein gestellt werden können. Wie sehr sie zum reinen Produktionsfaktor optimiert worden sind.

Milchkühe passen nicht in die Wüste

50.000 Holstein-Kühe werden täglich viermal gemolken. 250 Melker arbeiten an sieben Melkfließbändern 22 Stunden am Tag. Im Schnitt gibt die „arabische Kuh“ über 40 Liter täglich. Das sind Spitzenwerte im internationalen Vergleich. Insgesamt deckt die Farm immerhin ein Drittel des saudi-arabischen Bedarfs. Aber: Milchkühe in der Wüste sind eine Realität gewordene Perversion. Der technische Aufwand, der dies ermöglicht, ist gigantisch. Die Kühe werden, wie in dem kurzen Film gezeigt, ab einer Temperatur von 27 Grad mit Wasser besprengt, weil sie ansonsten kollabieren würden. Bei Außentemperaturen bis zu 55 Grad kann man sich leicht vorstellen, welche Mengen dabei benötigt werden. Das Futter für die Tiere wird zum größten Teil selbst angebaut. Auf einer Fläche von rund 10 km². Auch dafür muss der Wasserverbrauch gigantisch sein mitten in der Wüste. Die benötigten Brunnen erreichen mittlerweile eine Tiefe von 2000 Metern. Das aus dieser Tiefe geförderte Wasser muss vor der Verwendung zunächst gekühlt werden.

Milchkühe passen in gemäßigtes niederschlagsreiches Klima – in’s Grünland

Die Milchkuh gehört ins Grünland. Dort wächst Gras, welches sie als Wiederkäuer in eiweißreiche Nahrung für den menschlichen Genuss verwandeln kann. Gleichzeitig sorgt die Kuh über ihre Ausscheidung für den perfekten Dünger dieser – je nach Nutzungsintensität mehr oder weniger – artenreichen landwirtschaftlichen Nutzfläche. In unseren Breiten muss dieses Grünland nicht erst bewässert werden. Der Regen fällt ohnehin. Die Kuh „verbraucht“ daher nicht extra für sie aus Untiefen herbei geschafftes wertvolles Nass. Sie „stiehlt“ es keiner anderen, nützlicheren, ökologischeren Verwendung. Im Grünland kann ich (zum größten Teil) nicht sinnvoll anderes für die menschliche Nahrung Geeignetes, wie Getreide oder gar Gemüse, herstellen. Im Idealfall einer überwiegend bis ausschließlich Grünland basierten Fütterung erweist sich so die Kuh als optimal geeignet für eben diese agrarischen Flächen.

Milchkühe passen ins österreichische Berg- und Alpenvorland

Weil es, wie oben ausgeführt, schlicht sinnvoll ist, das Grünland erhaltende Kühe eben in diesem zu halten, haben Kühe auch im heimischen Berg- und Alpenvorland seit Jahrhunderten Tradition. Diese Tradition ist gefährdet. Von außen und von innen. Von außen, aufgrund des enormen internationalen Preisdruckes auf Milchproduzenten durch Groß- und Größtunternehmen, wie sie der arabische Milch(alp)traum repräsentiert. Österreich mit seinen traditionell kleinen Familienbetrieben und seiner gebirgigen Topographie kann hier in Sachen Produktionseffizienz nicht mithalten. Der heimische Milchbauer kann sich meines Erachtens nur Dank Qualität, Ökologie und Tierwohl am internationalen Milchmarkt und bei den heimischen Partnern und Konsumenten behaupten. Österreichs Milchbranche hat hier in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter. Die weltweit einzigartige gentechnikfreie Fütterung, der mit Abstand höchste Bio-Anteil und eine Ausdifferenzierung des Angebots nach ökologischen und Tierwohlkriterien werden international und national honoriert. Aber es gibt auch eine Bedrohung von „innen“. In den Köpfen einiger Verantwortlicher hat sich dieses Qualitätsbewusstsein noch immer nicht ausreichend verankert. Und es wird wohl auch den einen oder anderen Bauern geben, der, wenn es um Effizienz und Leistungssteigerung geht, von arabischen Zuständen träumt...

*Quelle Wikipedia (die im Film genannten 100 Liter Wasser/Liter Milch erscheinen mir bei weitem zu wenig)

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