Die Tomate und ich - eine wechselvolle Liebesgeschichte

Ich bin erst relativ spät im Leben auf die Tomate gekommen sozusagen. In meiner Kindheit in den 70ern des letzten Jahrhunderts waren die Paradiesäpfel in der tiefsten Tiroler Provinz noch ziemliche Exoten. Als sie dann zusammen mit Spaghetti, Pizza und Italosound über den Brenner ins heilige Land invadierten, hab ich sie zunächst nicht riechen können. Keine Ahnung mehr warum. Die Farbe widerstand mir jedenfalls, daran erinnere ich mich. Viel zu rot! Irgendwann dann aber in der Pubertät wich die Berührungsangst und machte schnell schierer Begeisterung Platz. Von Zero zu Hero schwang sich die Tomate zum Gemüse Nr. eins auf. Bei der bescheidenen Konkurrenz damals auch wieder nicht die ganz große Leistung: Paprika, Melanzani, Zucchini standen alle erst ante portas und Karfiol und Karotte war schnell der Rang abgelaufen. Das hielt viele Jahre an.

Die Zeit der holländischen Wasserbomben...

Dann - ich weiß nicht mehr genau, wann das begann - schien die Tomate plötzlich nicht mehr aus dem sonnigen Süden zu uns zu kommen, sondern immer häufiger aus dem offenbar nebeltrüben Holland - und genauso schmeckte sie auch. Die berüchtigte holländische „Wasserbombe“ feierte fröhliche Urständ in den Supermarktregalen. Ich wandte mich bald völlig ab von ihr, weil Farbe ohne Geschmack mir definitiv gegen denselben ging.

Ich war ja nun nicht der einzige, dem das missfiel.

Ich entsinne mich noch genau eines Ausspruchs eines meiner Philosophieprofessoren, eines Bauernsohns, der zu akademischen Ehren gekommen war: „Wie ist es möglich, dass die Menschen sich das gefallen lassen und dieses Zeug weiterhin kaufen. Diese sogenannten Tomaten sind ein weiterer Beweis dafür, wie wenig Kants Forderung nach dem Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit sich heute bereits gesellschaftlich manifestiert hat. Offenbar kann man alles verkaufen, wenn nur der Anschein entspricht. Fehlende Substanz und Substantialität sind offenbar nicht nur nicht schädigend für’s Geschäft sondern im Gegenteil eine Voraussetzung dafür. “ Ich dachte mir, was für ein unerwartet philosophisches Gemüse, diese Tomate und musste dem Herrn Professor Recht geben.

...ist Gott sei Dank vorbei und...

Wie sich relativ bald heraus stellen sollte, hatte aber der Herr Professor die Mündigkeit des Konsumenten im Fall der Tomate doch unterschätzt. Die holländische Wasserbombe mundete nämlich im großen Stil tatsächlich immer weniger, was in einen Kaufboykott mündete und einem damit verbundenen allmählichem Verschwinden der holländischen Tomate aus den heimischen Supermärkten. Ersetzt wurden sie zusehends durch heimische Ware und in den Monaten, wo diese noch nicht ausreichend, weil eben saisonal bedingt nicht in entsprechender Qualität vorhanden war, durch spanische, italienische, marokkanische etc. Und da fing ich an wieder Tomaten zu essen. Allerdings nicht im Winter. Die außerhalb der Saison von weit her gekarrten Tomaten wollten mir schon aus ökologischer Sicht nicht schmecken und sie taten es auch sonst nicht. Enttäuschend blieb meistens leider auch die Qualität der Tomate in der Gastronomie. Was sich da am durchschnittlichen Salatbuffet, für das Auge schön in rote Spalten geschnitten, auftürmte, blieb (und bleibt) bedauerlicher Weise vom Geschmack her weit hinter meinen Ansprüchen zurück. Vielleicht weil dort - in der Gastro nämlich - nach wie vor die großen Kaliber aus Holland dominieren? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Heute...

ist die Tomate auch bei mir wieder unumstrittene Königin unter den Gemüsesorten. Zwar bin ich keineswegs mit allen mediterranen Wassern gewaschen, was die kulinarische Einsatzbreite der Tomate betrifft, aber ich bin hier am Experimentieren. Nur in den Salat, auf den Griller oder die Pizza - dafür ist dieser Tausendsassa zu schade!

Neulich hab ich mir und meiner lieben Frau den Abend mit einer schlichten, selbstgemachten, herrlichen Pasta versüßt. Kein Fertigsugo aus chinesischen Tomaten sondern nur aromatische Cherrytomaten aus heimischem Bio-Anbau, grob gewürfelt, ein paar Sardellen, Knoblauch und frischen Basilikum aus dem Beet oben drauf. Das Ganze mit einem Schuss Sauerrahm sämig gemacht, frisch geriebenen Parmesan drüber, fertig. Zusammen mit den Linguini ein Gedicht in rot-weiß-grün!

Die zwei bescheidenen Hauptdarsteller im Magen füllenden Hauptabendprogramm "Weniger isst mehr..."

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