Faktencheck vegan: „Vergewaltigte“ Kühe

Neulich höre ich einen jungen, sympathischen, offenbar zur veganen Lebensweise bekehrten Mann einem zweiten jungen, sympathischen Mann erklären, wie übel die Milchwirtschaft doch sei und welch schreckliches Los die Kühe und Kälber erlitten. Der Angesprochene ist nämlich gerade dabei, sich Milch über seine Frühstückscerealien zu gießen. Ganz besonders abstoßend findet der sympathische junge Veganer den „viel zu wenig bekannten Umstand, dass Kühe ihr ganzes Leben lang einmal jährlich vergewaltigt werden. Denn nur wenn sie laufend Kälber kriegen, produzieren sie Milch.“

Das Letztere ist richtig. Eine Kuh würde nach und nach aufhören Milch zu produzieren, wenn sie sich nicht mehr fortpflanzt. Weshalb sie heute in aller Regel künstlich durch den Tierarzt oder den Bauern selbst besamt, in seltenen Fällen auch von einem Stier besprungen wird. Die Frage nun: Ist das eine Vergewaltigung? Um es kurz zu machen: Ich wünsche jedem Tierarzt oder Stier viel Erfolg beim Versuch eine Kuh zu vergewaltigen.

Künstliche Besamung durch den Tierarzt

Ich habe es einen Stier einmal „versuchen lassen“ in meiner Zeit auf der Alm und bin kläglich am Versuch gescheitert. Es war dies wahrlich keine Ruhmestat von mir und ich hätte es natürlich bleiben lassen sollen. Ich war aber von meinen Freunden, die gerade zu Besuch waren und sich am seltenen Schauspiel eines Natursprungs ergötzen wollten, dazu überredet worden. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich mir nicht ganz sicher war, ob der Versuch, die Kuh vom Stier bespringen zu lassen nicht doch erfolgreich hätte sein können. Ich hatte es natürlich nicht auf eine Vergewaltigung angelegt, sondern auf einen Erfolg. Den Erfolg nämlich, dass die Kuh dies zulässt, weil sie gerade von ihrer biologischen Uhr und der streng daran gebundenen entsprechenden Hormonausschüttung dazu gezwungen wird; den schlussendlichen Erfolg der ganzen Übung schließlich, dass die Kuh trächtig davon wird.

Eine Kuh, so könnte man es auch angehen, ist durchaus und ganz natürlich willig, im Fachjargon „brünstig“. Aber nur genau an einem Tag alle drei Wochen. Und die ganze restliche Zeit nicht. Diesen Tag muss ich erkennen als Bauer. Zeichen dafür sind unterschiedlich stark ausfallende Verhaltensauffälligkeiten und entsprechende körperliche Veränderungen. Das augenfälligste Zeichen für eine Brunst ist der Versuch sich gegenseitig zu bespringen, der mitunter die ganze Herde erfasst. Diese nimmt tatsächlich regen Anteil an der hormonellen Hoch-Zeit einer der ihren. Lässt sich eine Kuh diesen Versuch gefallen, bleibt sie stehen dabei, ist dies ein sicheres Indiz für ihre "Empfangsbereitschaft".

Ein Stier erkennt eine brünstige Kuh untrüglich, weil er es riechen kann. Und dann wird der Stier diese Kuh auch bespringen und diese Kuh wird es über sich ergehen lassen. Sie wird stehen bleiben, sie wird den Stier dulden – der Fachmann spricht denn auch vom „Duldungsreflex“. Versucht der Stier oder der Bauer oder der Tierarzt es aber außerhalb dieser Zeit, dann wird die Kuh nicht stehen, sie wird ihr Hinterteil wegdrehen, falls sie angebunden ist, sie wird davon laufen, falls sie am Feld steht, sie wird den Versuch nicht dulden. So einfach ist das.

Ein Stier wird es vielleicht trotzdem versuchen, aber er wird keinen Erfolg haben. Ein Stier bespringt so ziemlich alles, was ihm vor die Augen kommt, wenn ihn selbst die entsprechenden Hormone reiten, sogar ein Motorrad. Ein Bauer, ein Tierarzt kommen normalerweise gar nicht auf die Idee, eine Kuh dann zu besamen, wenn die Kuh davon mit Sicherheit nicht trächtig werden würde. Was für eine Idee!

„Gebärmaschine Kuh“

Also: Ich kann natürlich eine Kuh vergewaltigen. Ich kann sie einsperren, ihr die Möglichkeit nehmen auszuweichen. Nur: Wer sollte das wozu tun, außer ausgesuchte Trottel, Sadisten oder ganz unvernünftige und ungeduldige Bauern? Stiere auf der Weide habe ich oft beim Versuch beobachten können Kühe, ja auch Jungtiere und sogar Kälber zu „vergewaltigen“, also zu bespringen. In der Rinderzucht und Milchwirtschaft wird bis auf die oben angedeuteten unvernünftigen bis kranken Ausnahmen nicht vergewaltigt, weil schlicht das beabsichtigte Ergebnis ausbleiben würde, nämlich die Trächtigkeit.

Auch in der freien Natur wird eine Kuh besprungen, sobald sie hormonell dem Stier ihre Bereitschaft dazu signalisiert. Das tut sie sofort wieder, nachdem sie gekalbt hat. In der Milchwirtschaft wird ihr eine Pause von ein paar Wochen zugestanden, bevor sie neuerlich „belegt“ wird. Mutterschutz für die Kuh quasi. Kühe sind von Natur aus „Gebärmaschinen“, um den in aller Regel unpassenden veganen Vergleich mit menschlichen Verhältnissen noch weiter zu treiben. Auch in der „freien Natur“ wird deshalb eine Kuh Jahr für Jahr trächtig. Ganz ohne jede Vergewaltigung.

Wenn es dich interessiert: wir haben uns genau angesehen, wie das heute läuft in der Milchwirtschaft mit dem Besamen und der Zucht:

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