…, wie einige Medien unlängst aufhorchen ließen. Das Totalherbizid, das seit den 1970er Jahren weltweit auf Äckern zum Einsatz kommt, steht ganz aktuell wieder einmal hoch im medialen Kurs. Es geht um die umstrittene Wiederzulassung, worüber dieser Tage in Brüssel entschieden werden sollte. Die Entscheidung wurde jetzt mal vertagt. Aber was ist dran an der medial fleißig geschürten Angst vor Glyphosat? Im Folgenden versuche ich der nach meinem Dafürhalten oft rein emotional geführten Diskussion über Glyphosat mit Fakten beizukommen.

Glyphosat ist nicht gleich Glyphosat – mangelnde Differenzierung?

Vertreter aus Landwirtschaft und Agrochemie sagen, das Unkrautvernichtungsmittel ist bei sachgerechter Anwendung, wie sie zumindest in Österreich gewährleistet sei, harm- und dazu noch alternativlos. Ohne Alternative deshalb, weil es für bestimmte Ackerfrüchte und Anbaumethoden unverzichtbarer Bestandteil des Erosionsschutzes sei. Österreichs Landwirte betonen weiters, dass Glyphosat nachweislich nicht in heimischem Getreide enthalten sei, weil es nur im sogenannten Vorauflauf Verwendung findet und deshalb gar nicht mit der Kulturpflanze in Berührung kommt.

Im Zuge unserer laufenden Recherche und den Dreharbeiten zur Zuckerrübe habe ich mit einer Reihe von Bauern dieses Thema besprochen. Der Sukkus dieser Gespräche war ungefähr der, dass unsere Landwirte eine aus ihrer Sicht notwendige Differenzierung in der Diskussion um Glyphosat schmerzlich vermissen. So wie das Mittel in Übersee eingesetzt wird, hat es mit der punktuellen Anwendung in Österreich bis auf denselben Wirkstoff, der hier wie dort verwendet wird, wenig gemein, so die Bauern. Dort wird es in immer höheren Dosen und insgesamt in rauen Mengen mit dem Flugzeug auf gentechnisch veränderte, das heißt gegen Glyphosat resistente Monokulturen ausgebracht. Dieser Unterschied aber wird in der medial geführten Debatte überhaupt nicht wahrgenommen.

Glyphosat per Flugzeug auf genmanipulierte Kulturpflanzen - Anwendungen dieser Art sind in Österreich verboten

„Wahrscheinliche Krebsgefahr“

Die öffentlich geführte Glyphosat-Debatte wird gegenwärtig eindeutig von Umweltschutzorganisationen dominiert. Ihre Argumente und die daraus abgeleiteten Forderungen finden sich etwa in Österreichs auflagenstärkstem Printmedium wieder. Diese Seite fordert vehement ein Totalverbot. Mit der Hauptbegründung, dass Glyphosat laut der IARC (Internationale Krebsforschungs-Agentur) im Verdacht steht krebserregend zu sein. Damit sei „eine rote Linie erreicht“ und ein Verbot „unabdingbar“ so Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher von Greenpeace Österreich in einem Filminterview, das wir mit ihm zum Thema geführt haben.

Die verzwickte Geschichte der Krebsgefahreinstufung

Die Krebsgefahr, auf die sich NGOs berufen, geht auf eine Einstufung der IARC zurück. Diese prüft nur, ob der Stoff das Potenzial besitzt, Krebs auszulösen. In dieser Prüfung stufte die Agentur Glyphosat auf den Wert 2a, also als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Auf derselben Krebsgefährdungsstufe 2a befindet sich etwa auch der Friseurberuf. Mit 1, also als „sicher krebserregend“, bewertet das IARC Stoffe wie Alkohol, Tätigkeiten wie das Kaminkehren und hormonelle Verhütungsmittel, die sowohl Östrogen als auch Progesteron enthalten. Man stelle sich nun nur als Gedankenexperiment vor, NGOs würden gegen Alkohol, Kaminkehrer und die Kombi-Pille kampagnisieren!

Eine Expertin der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), die nicht namentlich genannt werden will, brachte es für mich in einem Gespräch schön auf den Punkt: „Jetzt findet man es total problematisch, dass Glyphosat im Nanobereich im Bier gefunden wird. Als wäre das neuerdings das Gesundheitsschädliche am Bier und nicht der Alkohol! Da muss ich schon schmunzeln.“ Ich will damit Glyphosat nicht verharmlosen, sondern dafür plädieren, den Blick für die Relationen nicht zu verlieren.

Wie auch immer, die Einstufung durch die IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ ist nicht zu leugnen. Sie ist nur alles andere als unumstritten innerhalb der wissenschaftlichen Community. Andere Behörden kamen und kommen nämlich zu anderen Einschätzungen bezüglich der Krebsgefahr von Glyphosat.

Neben der schon angesprochenen heimischen AGES, bescheinigen eine Reihe anderer Institutionen Glyphosat kein, oder ein vertretbares Risiko, so etwa:

das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung, Deutschland)

die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit)

die ECHA (Europäische Chemikalienagentur)

die US-amerikanische EPA (Environmental Protection Agency)

die neuseeländische EPA (s.o.)

die kanadische PMRA (Pest Management Regulatory Agency)

die australische APVMA (Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority)

die japanische Food Safety Commission –

das JMPR, (Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues) Tochter von WHO und FAO…

All diese Institutionen beleuchten nicht nur, ob es möglich ist, dass ein Mittel Krebs auslöst, sondern auch, ob bei der vorgeschriebenen und (weil es ja auch immer Landwirte gibt, die sich an die gängige Praxis nicht halten) ob es bei der derzeitigen Anwendung eine Gefahr gibt.

Alle gekauft?

Jetzt wird von Global 2000 ganz offen der Verdacht gestreut, alle diese Institutionen wären von Lobby-Interessen aus der Pharmaindustrie, allen voran Monsanto, unterwandert. Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000, hat diesen behaupteten Verstrickungen zwischen Industrie und nationalen und internationalen Gesundheits- und Zulassungsbehörden gar ein ganzes Buch mit dem Titel „Akte Glyphosat“ gewidmet. Ich muss zugeben, dass ich es nicht gelesen habe. Ich werde es auch nicht lesen. Denn wenn Burtscher-Schaden Recht hat mit dem, was der Untertitel seines Aufdeckerbuches suggeriert, dass „Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden“, wenn er Recht hat damit, dass Hundertschaften von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt bei dieser großen „Menschheitsvergiftung“ als mehr oder weniger willen- und verantwortungslose Handlanger von Monsanto und Co agieren, dann, ja dann ist wohl alles zu spät.

Wesentlich unaufgeregter scheint mir das folgende Video die wahrlich verwirrende Geschichte der Krebsgefahreinstufung von Glyphosat zu vermitteln. Ja, es kommt von landwirtschaftlicher Seite und es kommt aus Deutschland, wo die Glyphosatdebatte noch härter geführt wird als hierzulande. Das Video ist lang und von miserabler Bild- und Tonqualität. Warum ich es trotzdem poste? Weil es mich in seinem Bemühen um Sachlichkeit überzeugt.

Und zum Schluss noch ein ebenfalls wie ich finde gelungenes Video des Bayrischen Rundfunks, das in wenigen Minuten, die wechselvolle Geschichte des meistgenutzten, meistgeschmähten und zurzeit wohl meistgefürchteten Pestizids zeigt.

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