„Wir Unternehmer, wir sind ja keine Guten…“ mit Sprüchen wie diesen überrascht der Mann mit dem allseits bekannten Schokoladengesicht.
> Welches Gastrokonzept seine „Öko-Essbar im Tiergarten“ verfolgt...
> Warum es nicht das ganze Jahr über Paradeiser und Erdbeeren sein müssen...
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> und warum unsere Bauern ihr Unternehmertum wieder mehr leben müssen, wenn sie über-leben wollen...
Hier zum Nachlesen und Nachbetrachten ein paar der besten und provokantesten Sprüche aus dem Interview:
Zu seinem Gastrokonzept:
"Wir kochen das, was da ist. Wir haben eigentlich keinen Plan, was wir kochen…"
"Ist ja auch viel spannender für den Kunden. Er verlässt sich auf uns. Der Kunde kommt endlich wieder mal auf den Boden und versteht, was Essen ist. Was Essen ist mit der Natur…"
"Baut alles auf Vertrauen auf. Sagt der Gast zum Wirt: Mach das, was du gut kannst und nicht das, was ich glaube, was ich gern hätte…"
Diesen letzten Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. So sehr widerspricht er dem Gewohnten, dass man zunächst direkt glaubt, sich verhört zu haben. Der Gast vertraut darauf, dass jemand anderes besser weiß, was gut (für ihn) ist, als er selbst und das bei einem so heiklen, individuellen Ding wie dem Essen? Er, der Gast be-traut den, der etwas davon versteht damit und ist nicht so selbstverliebt sich als Experte aufzuspielen? Respekt vor den Gästen von Herrn Zotter! Ist das aber andererseits nicht eine Bevormundung? Schlüpft da ein Wirt nicht beinah in die Rolle des Arztes? Mag sich jeder selbst Gedanken darüber machen. Mich überzeugt das völlig. Darauf vertrauen, dass jemand sein Handwerk gut kann und dass er es damit gut meint mit mir und ich ihm nicht in eingebildeter Besserwisserschaft ins Handwerk pfusche. Eigentlich ganz verständlich. Und doch vollkommen ungewöhnlich.
Dann kommen wir wie von selbst auf die gegenwärtige Situation der Bauern in Österreich zu sprechen. Und hier ist die Zottersche Ansage eindeutig...
"Wenn der Bauer Aktionsfleisch beim Diskounter kauft, weil es dort billiger ist, als wenn er‘s selber macht, dann muss er aber etwas nicht verstanden haben, warum es sich für ihn nicht ausgeht. Das ist der Punkt."
"Die Preise, die Produkte haben, sind nicht real, das müssen die Bauern auch mal ehrlich sagen. Sie sind ja quersubventioniert bis zum Nimmerleinstag. Wenn du heute einen Bauern fragst, wie viel ha Grund hast du, dann sagt er: ja gut, ich hab 6 ha 1AB und 7 ha hab ich Wald. Der denkt in Förderdimensionen. Das ist gefährlich für‘s Produkt."
Wie sind wir von Land schafft Leben ...
denn überhaupt auf den Schokoladen Impresario gekommen?
Wo wir doch „nur“ österreichischen Lebensmitteln auf der Spur sind, wozu man die Kakaobohne ja nun beim besten Willen nicht zählen kann, wenngleich die meisten anderen Zutaten zu Zotter-Schokoladen durchaus aus der Region und zumindest aus Österreich bezogen werden.
Zusammen mit Reinhard Wressnig, einem Bio-Gemüsebauern aus der unmittelbaren Nachbarschaft und seinem Gemüse haben wir uns sozusagen einschleusen lassen. Am Tag davor hatten wir uns bei Reinhard zu Hause über seine vielfältige Bio-Gemüse-Produktion schlau gemacht. Danke, lieber Reinhard Wressnig, hat uns alles sehr gut gefallen!
Vielen Dank an dieser Stelle auch an Roman Schmidt, den Presseverantwortlichen des Steirischen Vulkanlands, der unseren Besuch in Bergl eingefädelt hat.
Noch ein paar Eindrücke vom Dreh und von der Person Josef Zotter
Wie begegnet man einer lebenden Legende? Kommt auf die Legende an, würd ich sagen. Josef Zotter macht es mir leicht: sofort in der Situation, komplett ohne Allüren, witzig, schlagfertig, schnell, dabei wirkt er alles andere als gehetzt. Es sprudelt schon heraus aus ihm und dann nimmt er sich aber die Zeit einem zuzuhören. Geht auf Fragen ein, denkt kurz nach und dann sprudelt es wieder. Treffsicher sitzen die Sprüche, illustrieren eingeflochtene Geschichten die Kernaussagen.
Josef Zotter, der Schokokönig. Diese vielsagende Physiognomie. Ich kenne sie vor allem - zur Ikone geworden - in Schokolade getunkt. Aber auch so ist sie beeindruckend. Die Augen vor allem. Ein durchdringender Blick, dabei alles andere als unfreundlich. Nur eben einer, der sehen will. Der erste Eindruck ist diesen Augen zu wenig. Da will jemand eindeutig hinter Fassaden und Masken schauen, denke ich mir.
Josef Zotter, ein aufmerksamer und hellwacher Gesprächspartner
Aber hinter und unter dem Durchdringenden leuchtet etwas Warmes, Offenherziges hervor. Und ein großer Schalk springt einem aus allem Gesagten an. Dieser Mann mag die Menschen, Kinder vor allem – denke ich mir jetzt. Und er mag sich selbst, das große Kind. Josef Zotter besitzt diesen so angenehmen wie einnehmenden Charme eines Kindes, das gemocht wird und sich auch selbst mag, weil es allen Grund dazu hat, ohne deshalb selbstverliebt zu sein. Ein seltener Glücksfall.
Und das ist also einer der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmer des Landes. Einer, der auch schon so richtig auf die Fresse gefallen ist, nur um jetzt wirklich zu wissen, was er will und dass er etwas will.
Das führt er den 250.000 jährlichen Besuchern auch ganz anschaulich vor Augen. Darunter viele Schulklassen, die sich in langen Schlangen durch seinen „Schoko-Laden“ und die angeschlossene „Erlebnis-Bio-Landwirtschaft“ bewegen. Nach einem kurzweiligen und interessanten Rundgang durch das herrlich gestaltete Areal seines „Essbaren Tiergartens“ mit vielen alten Nutztierrassen kehrt man gern in die "Öko-Essbar" ein. Und dort finden sich die „herzigen Viecherl“ wieder, die man grad zuvor noch lustig auf dem Feld herum springen sah. Auf der Speisekarte nämlich. Gemäß dem Motto „Schau dem Essen in die Augen!“. Als „Zottelburger vom Hochlandrind“, als „Tiergarten-Rohschinken on Air“ oder auch als „Kaisers Salonbeuscherlsuppe“. Letzteres lässt bereits erahnen, dass Matthias Mayer, der Chef des Hauses sich der „nose to tail“ Philosophie verschrieben hat. Hier wird möglichst alles verwertet. Das nenne ich würdevollen und ökonomisch sinnvollen Umgang mit dem Lebewesen Tier. Und das Ganze, wie ich finde, zu durchaus moderaten Preisen.
Essbarer Tiergarten - Tabubruch oder Geniestreich?
Apropos ökonomisch sinnvoll...
Josef Zotter kredenzt seinen Gästen nicht nur Lebensmittel auf, die nicht das Geringste zu verbergen haben, sondern immer wieder auch pointierte Anekdoten. So etwa auch diese, wonach er einmal bei Gelegenheit seinem Nachbarn, der ebenfalls Schweine hält, so nebenbei eine Zahl hingeworfen habe: die Zahl 6000. So viele Euro nämlich schöpfe er, Zotter, aus einem seiner Schweine an Wert. Woraufhin genannter Nachbar, der 3000 Schweine in konventioneller Mast hält, aus allen Wolken gefallen, nur erwidert habe. Wie geht denn das Josef? I krieg grad mal 150 Euro für a Sau!
Der Bauer muss sich auf sein Ur-Unternehmertum besinnen, sonst…
Daraus zu schließen, der Zotter habe auch durchaus ungute, gar bösartige Seiten, ginge meiner Meinung nach dann doch zu weit. Da ist keine Schadenfreude zu bemerken, eher schon etwas von einem modernen Eulenspiegel. Die Narrenkappe steht ihm gut, dem Zotter, und die damit verbundene Narrenfreiheit nützt er, um sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Mit den Kollegen aus dem Bauernstand geht er folglich streng ins Gericht. Traurig findet er, was dort abgeht. Dem kollektiven Jammern aber mag er sich so gar nicht anschließen. Dagegen argumentiert er glasklar als Bio-Bauer UND Unternehmer: Wer als Bauer heute auf sein Ur-Unternehmertum total vergessen habe und sich darauf verlässt, dass ihm seine Produkte schon abgekauft werden, der habe damit auch sein Recht, sich über die Preise zu beklagen, verwirkt. Direktvermarktung mit allem Aufwand, den das bedeutet, oder große Mengen zu kleinen Preisen produzieren, das sind laut Zotter die beiden Möglichkeiten für die heimische Landwirtschaft.
Das wird nicht jeder seiner Standeskollegen gerne hören, ...
denke ich mir und versuche noch einen Versuch „meine Bauern“ gegen Zotters Generaleinwand in Schutz zu nehmen. Es sei, so beginne ich, doch nicht jeder zur Vermarktung, zum Verkaufen der eigenen Sachen geeignet. Das kann nicht jeder. Nicht jeder ist ein Reinhard Wressnig, sage ich. Was sollen die vielen anderen tun? Aber nein, da bleibt er hart, der Zotter. Entweder ich mache in Masse und Menge oder ich produzier die Hälfte und verkaufe selbst. So einfach sei das, sagt er und schießt sofort wieder eine passende Geschichte nach. Wieder von einem Nachbarn. Einem Milchbauern diesmal. Dieser habe einfach nicht auf Bio umstellen wollen, obwohl er, Zotter, im Zuge der eigenen Bio-Zertifizierung, diesem 3 Jahre im Vorhinein darauf aufmerksam gemacht habe, dass dies notwendig sei, wenn er weiterhin liefern wolle. Die ganze Geschichte im unnachahmlichen Originalton findet ihr auf dem folgenden Video.
Nach dem Videointerview nimmt mich der Sepp, der er inzwischen für mich geworden ist, mit vor die Öko-Essbar und zeigt mir eine vollkommen begrünte Hausfassade. Schau, sagt er, da wachsen Kräuter überall auf den Hauswänden. Das taugt mir halt: etwas, das schön ist und nützlich und noch dazu ökonomisch was bringt. Mir taugt das auch. Überhaupt alles hier. Jedes Detail hier erzählt mir eine rundum glaubwürdige Geschichte.
Danke, lieber @Josef Zotter für einen wirklich inspirierenden Drehtag! Ich hoffe du findest Dich halbwegs wieder in meinem kleinen Portrait :)
PS: Es ist purer Zufall, dass Josef Zotter ausgerechnet heute einen seiner viel zu seltenen Blogbeiträge hier auf f+f aus Peru gepostet hat, wo er gerade "seine Kakaobauern" besucht. Dieser Vlog ist auch nicht von Josef Zotter oder seiner Pressestelle freigegeben worden, weil ich gar nicht erst um eine Freigabe angesucht habe. Ich nehme mir einfach ein bisschen was von der Zotterschen Narrenfreiheit zum Vorbild...