"Ich bin gerne ein Mann. Wenn ich jetzt sagen soll, warum das so ist und was ich für ausgesprochen männlich an mir halte, dann fällt mir als erstes ein, dass ich es liebe einzudringen. Einzudringen in Fragen, in Bilder, in Texte, in Menschen. Und ganz besonders in Frauen. In dieses scheinbar spröde zurückweisende Widerständige, seinen Widerstand dann aber schwinden und vergehen lassende weibliche Geschlecht! Das darf man jetzt in jedem Sinne verstehen. Geistig, seelisch, metaphorisch und unbedingt auch körperlich! Ja, ich bin ein Eindringer und ich glaube, dass das männlich ist. Das Männlichste an mir jedenfalls. Und ich liebe es! Bin dankbar dafür. Immer wieder. Dem, was sich erschließen will, dem Sich-öffnen-Wollenden entgegen kommen, noch den Widerstand darin ernst nehmen, ja lieben: Von mir aus überlisten, betören, überrumpeln, brechen, was weiß ich alles: das ist männlich! Es auszuhalten, dass man nicht nur geliebt wird dafür. Es aber aus ganzem Herzen willkommen heißen, wenn man ausnahmsweise und wider Erwarten doch Dankbarkeit und Liebe erfährt und zwar die höchste und die tiefste: das ist männlich! Und dabei irgendwo noch Teil haben an dem, was sich gleichzeitig nie ganz dem Mann erschließen wird: nämlich der Lust des Sich-Öffnens, des Auf-Machens, des Umhüllens, des Einnehmens, des Verschlingens. Gott(!), Zeuge dieser Lust sein und es aushalten, nicht in vollem Umfang in diese Lust eingelassen zu werden – das ist männlich. Die Sehnsucht zu kennen, einmal eine Frau zu sein, die so genommen wird, wie sie es sich nicht zu erträumen gewagt hat und jetzt sich hingibt, was dem Mann gerade nicht erlaubt ist – ich denke, auch diese Sehnsucht ist männlich.
Dann liebe ich die männliche Kraft. Die Schönheit dieser Kraft, wenn sie mich überkommt, oder wenn sie mir außerhalb meiner selbst begegnet, anspringt: Seht sie euch doch an, diese Kraft, in Cellinis Perseus zum Beispiel oder im David natürlich, wenn wir schon einmal in Florenz sind! Diese Kraft in ihrer Beiläufigkeit, Unangestrengtheit; die Selbstverständlichkeit, mit der sie angenommen, getragen wird - diese männliche Selbstbejahung! zum Niederknien schön finde ich das. Da fällt mir grad ein, dass die zwei Helden, eigentlich Jünglinge, ihre zur Plastik geronnene ewige Schönheit in jenem Augenblick zeigen, wo sie getötet haben oder kurz davor stehen zu töten. Schön und stark, weit über jede Individuation hinaus, zeigen sich Perseus und David gerade im Angesicht des Todes, des Tötens! Vielleicht ist auch das männlich: Diese Nähe zum Tod, zum Töten, nicht nur auszuhalten, sondern zu bejahen?
Ausgesprochen schön und durch und durch männlich finde ich auch diese Lässigkeit mit der sich so viele schwarze Männer bewegen. Wie die gehen auf dieser Erde! Ein Gebet jeder Schritt. Bevor ich jetzt noch mehr ins Schwärmen komme, möchte ich mich zurück nehmen und zügeln. Auch das nämlich – ist männlich."
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Auszug aus einem unveröffentlichten Romanfragment.