„Sag mir, wo die Bauern sind, wo sind sie geblieben?“

Heute Morgen in den Ö1 Nachrichten höre ich aus dem Munde des GFs von Greenpeace Österreich, dass "TTIP das Bauernsterben anheizen würde". Österreichs Obstbauern erlebten letzte Woche so etwas wie ihr "Armageddon" - 80 Prozent der Ernte futsch und das in ohnehin äußerst angespannten Zeiten. Unsere Milch- und Schweinebauern stöhnen seit Monaten angesichts unterirdischer Preise: Wo soll das alles hinführen?

Zur Lage der österreichischen Landwirtschaft. Und warum dich das vielleicht doch interessieren könnte – weil du (noch!) einen Einfluss darauf hast.

In den ersten 10 Jahren des 21. Jh. sperrte jeder fünfte Bauer in Österreich zu.

Anders ausgedrückt: durchschnittlich zwölf Bauern verabschiedeten sich Tag für Tag aus dem, was früher einmal der "Primärsektor" war. Der Trend hält (etwas abgeschwächt) an.

Das nennt man in einschlägigen Kreisen mit dem trockenen Wort „Strukturwandel“. Er sei unvermeidlich. Klar, die verbliebenen Bauern werden größer und produktiver. Die Produktionsmenge – versichert man stolz – nimmt sogar zu! Und das stimmt. Aber: zeitgleich hat auch die landwirtschaftliche Nutzfläche ziemlich dramatisch abgenommen: nämlich um satte 15 Prozent! Allein in den fünf Jahren zwischen 2005 und 2010 „verschwand“ eine Fläche von 115.000 Hektar aus Bauernhand sozusagen. Das entspricht etwa 200.000 Fußballfeldern! Und das ist mittel- bis langfristig vielleicht noch problematischer, wie sich an den folgenden drei Überlegungen veranschaulichen lässt:

1. Schweine weltweit auf „Gensoja-Diät“ - auch in Österreich

Wir essen immer mehr Fleisch, auch wenn dieser Trend in den allerletzten Jahren sich umzudrehen begonnen hat, wir produzieren immer mehr Milch. Gleichzeitig geht die Weide- sowie die Anbaufläche für Futtermittel für österreichische Milchkühe, Schweine, Hühner etc. zurück. Wie geht das zusammen? Womit wird das ausgeglichen? Antwort: Importierte Futtermittel ausländischer Produktion kommen zum Einsatz. Zum Beispiel Soja aus Südamerika - und ja: zu einem erheblichen Teil gentechnisch verändertes wie etwa in der Schweinemast. Das heißt, die Abnahme unserer Anbaufläche wird „global kompensiert“ (Rodung von Urwäldern etc., „Umwidmung“ kleinbäuerlicher Selbsterhaltungsflächen in Monokulturen und derlei mehr)

Kurz: der Verlust an landwirtschaftlicher Produktionsfläche ist ein globaler Trend und geht auf Kosten der Umwelt und der kleinbäuerlichen Bevölkerung: hier in Österreich und mehr noch in den Entwicklungs- und Schwellenländern. „Gewinner“ sind multinationale Konzerne.

2. Milliardenschwere „Ungunstlagen“

Dort, wo beispielsweise Almen nicht mehr bewirtschaftet werden, wächst das Kulturland einfach zu. Es verbuscht, es verwaldet, es versteppt. Das geht Ruckzuck. Und die schöne Landschaft, die nicht nur unserem Auge so sehr gefällt, sondern auch den Millionen Touristen, die Milliarden in unser schönes Land tragen, ist dahin (Umsatz in der Tourismuswirtschaft zuletzt 2014 über 20 Milliarden Euro!). Diese Umwegrentabilität ist ernsthaft in Gefahr, wenn immer mehr Ungunstlagen nicht mehr bäuerlich genutzt werden.

Der touristische Mehrwert unseres schönen Landes beruht nicht zum geringen Teil auf fleißigen Kuh- Schaf- und Ziegenmägen und ungeheurem Arbeitsaufwand vonseiten der Bauern, Sennern und Almhirten. Ich bin immer wieder erstaunt, dass dieser simple und leicht zu verstehende Zusammenhang selbst von FlachlandBAUERN so noch nie gesehen worden ist, wenn ich mit ihnen darüber ins Gespräch komme. Ganz zu schweigen von den allermeisten Städtern. Und wenn Wirtschaftsexperten vorrechnen, wie lächerlich unbedeutend und unproduktiv die alpine Landwirtschaft im Vergleich zu den anderen Sektoren sei, welch geringe Wertschöpfung darin liege, dann denk ich mir immer: Ihr wollt aber schon auch Wandern gehen und Schitouren und vom Wertschöpfen und Geldscheffeln mal ausspannen in der schönen Landschaft?

3. Selbstversorgung und Ernährungssouveränität in Gefahr

Mit jedem österreichischen Bauern, der zusperrt, jedem Hektar, der verbaut wird oder versteppt – geht ein kleines Stück echter Selbstversorgung flöten. Das ist nicht erfreulich und es ist ein Trend. Wie jeder Trend ist er umkehrbar. Und das Erfreulichste kommt jetzt: wir haben es mit in der Hand an dieser Trendumkehr mitzuwirken: Wir Konsumenten bestimmen mit, wie, was, und unter welchen Bedingungen in unserem schönen Land angebaut und produziert wird. Mit jeder Kaufentscheidung, jeden Tag wieder.

Warum ich mich persönlich ein bisschen rein hänge hier, hängt sicher auch mit elf auf der Alm verbrachten Sommern zusammen und den Hektolitern Schweiß, die mir die „herrlich unproduktive“ Arbeit dort gekostet hat…

Läppische 1,5 Prozent Anteil am BIP - Wer braucht das schon?

Ich fasse zusammen: Mit der vielzitierten kleinstrukturierten österreichischen Landwirtschaft steht ein bissl viel mehr auf dem Spiel als mickrige 1,5 Prozent Anteil am BIP. Nämlich etwas ungeheuer Wertvolles, das sich nicht so leicht in Zahlen pressen lässt. Und ich denke, dass ich nicht übertreibe, wenn ich es ein Spiel auf Sein oder Nicht-Sein nenne.

Empfindest du das als einseitig geschildert?

Bauernlobbying?

Österreichs Bauern geht’s doch gut, meinst du? Fahren alle einen riesigen Traktor und leben von Agrarsubventionen, die wir Steuerzahler pecken?

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